und in Kartoffelfurchen verbrachte das Regiment den Rest
dieser bösen Nacht. Vom Himmel herab schauten die Sterne
in ewiger Ruhe auf Brandqualm und blutende Wunden.
So endete des Regiments erster Sonntag am Feinde.
Das war der erste Auftakt zu den langen blutigen, doch
ruhmreichen Monaten, die dem Regiment noch beschieden
sein sollten. Georg v. d. Gabelentz.
Dinant — Schützenregiment 108
Nach heftigen Kämpfen, besonders gegen die heimtückische
Ortsbevölkerung, war der Ort Dinant am 21. August 1914
genommen worden, und die deutschen Truppen freuten sich
auf die Ruhe, die ihnen winkte. Nur die zwölfte Kom-
pagnie los erhielt noch abends Befehl, die Brücke über
die Maas gegen feindliche Sprengung zu sichern. Mit
einem Pionierkommando an der Spitze marschierten sie
unter ihrem Hauptmann Eduard Martini durch das
brennende Dinant. Die Gluten der Feuersbrünste nahmen
den marschierenden Sachsen fast den Atem, der Qualm in
den Gassen drohte, jeden zu ersticken. Funken flogen.
Also heraus aus der Stadt und hinten herum. Der Weg
ging steil über Berg und Tal, durch Gärten und Gestrüpp.
Mauern und alte verfallene Befestigungswerke mußten die
erschöpften Schützen überwinden. Angesichts der glutenden
Stadt und immer in Gefahr eines heimtückischen Frank-
tireurüberfalles. Zuletzt ging der Weg steilab doch wieder
in das brennende Dinant hinein — zur Maas.
Die Maasbrücke war bereits gesprengt.
Hauptmann Martini zeigte auf den Strom. „Drüber
müssen wir!“
Am jenseitigen Ufer lagen in beschaulicher Stille ein
kleiner helleuchtender Vergnügungskahn für Liebesgondel-
fahrten auf der Maas und ein alter Sandkahn friedlich
beieinander.
„Die müssen wir haben.“
„Ich hole die Gondel 'rüber.“ Stand schon ein Ge-
freiter neben ihm und warf den Tornister, den Nock ab.
Der Hauptmann gab ihm einen Zug und zwei Maschinen-
gewehre zur Sicherung ans Ufer mit, und der wackere
Gefreite teilte die Fluten der schnellströmenden Maa mit
starken Armen.
Da taucht drüben im Uferdickicht ein Käppi auf. Ein
Franzose kriecht dem großen Kahne zu und will ihn los-
machen, daß er stromab treibe.
Den Kecken trifft eine sichere Kugel.
Der Gefreite stürzt ans Ufer. Er findet die Gondel
mit einer Kette fest angeschlossen und ruft es über den
25
Strom. Nun schwimmen zwei Pioniere mit Drahtscheren
herüber, und selbdritt bringt man dem Hauptmann die
Kähne.
Ungefährdet setzte die Kompagnie binnen anderthalb
Stunden über und ersiieg die Höhen. Dort wurde
biwakiert.
Die fünfte Kompagnie los hatte in jener Nacht
in Dinant manchen Strauß auszufechten. Aus einem
Hause wurde durch herabgelassene Fensterläden auf
die Sachsen geschossen. Leutnant Schwerdtfeger
rannte mit blankem Säbel hinein. Ein Franktireur
kam ihm entgegen. Ein zweiter kam im dunklen
Hausgang aus einer rückwärtigen Tür geschlichen
und holte mit eichenem Knüppel zum todbringenden
Schlage gegen den Leutnant aus.
Hinter Leutnant Schwerdtfeger kam sein ge-
treuer Bursche Gustav Löbel auc Leipzig-Klein-
zschocher gerannt.
Mit einem Blick übersah er die Gefahr und
schlug den Belgier zu Boden, ohne daß es sein Leut-
nant so bald gemerkt hätte.
Mancher sächsischen Kompagnie haben die heim-
tückischen Banden von Dinant gar übel mitgespielt.
Auo dem Hinterhalt auf die Arglosen geschossen.
Man halte dagegen den Edelmut der Sachsen, von dem
Oberleutnant Professor Ferdinand Gregori erzählt:
Als bei Dinant die ersten Gefangenen an den Sachsen
vorüberkamen, tuschelte es ein wenig unter den Grenadieren.
Da rief aber einer: „Ruhe! Nischt sagen!“ Und gleich
ward'# still wie bei der Parade.
Bei Maubeuge
M, St. M d. 8. 9.
Meine lieben, guten Eltern!
Hoffentlich habt ihr meine Briefe und Karten erhalten.
Wir sind alle noch recht munter. Bis jetzt haben wir erst
einen Mann verloren, der beim Waffenreinigen verwundet
wurde. Ich habe alle Offiziere in Verpflegung und fühle
mich, Gottlob sehr wohl. Gestern ist die Festung Mau-
beuge gefallen, es sind 42 doo Franzosen und Eng-
Gefangene Franzosen und Belgier bei Dinant
länder gefangen genommen worden. Die Belagerung hat
10 bis 12 Tage gedauert und wurde mit ganz geringen
Kräften durchgeführt, da alle Truppen in der Front gegen
Paris sind.