Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

um Wasser. Wer sollte es ihnen jetzt bringen? Seite an 
Seite mit dem Bataillonskonimandeur ruhte auf glitschi- 
ger Erde ein Toter und starrte ihn mit gebrochenen Augen 
an, während die Hand noch das Gewehr umkrampft hielt. 
Der Inhalt seines Tornisters lag auogeschüttet neben ihm, 
eine vor dem Sturm geschriebene Abschiedskarte an die 
Mutter war ins Moos 
gefallen. Der Offizier 
nahm sie an sich, sie 
ollte nicht zertreten 
werden. Doch da schnei- 
det ein Heulen durch 
die Luft, und noch ehe 
man sich dessen recht be- 
wußt worden ist, schießt 
dicht vor dem Rain eine 
Riesengarbe aus Feuer, 
Steinen und Erde haus- 
hoch empor. Eine fran- 
zösische schwere Granate 
meldet ihren Besuch. 
Und schon rast noch eine 
und wieder eine heran. 
Bleiben ist ummöglich, 
in kurzer Zeit würde 
an dem Feldrain kein 
Lebender mehr zu fin- 
den sein. Während der 
Tote neben dem Maijor 
gleichmütig weiter in den 
glühenden Eisenhagel starrt, springt dieser auf und reißt seine 
Leute vorwärts. Hundert Meter vorn gräbt sich ein franzö- 
sischer Schützengraben quer über die Blöße. Rasch hinein! 
Und nun rasseln die Hundertfünfer geschwind dort hinüber. 
Der Graben ist besetzt? Ja, doch es sind stille Männer, 
die keine Waffe mehr handhaben, Deutsche und Franzosen 
durcheinander. Man hat Mühe, nicht auf sie zu treten. 
Und wieder knattern die Gewehre und bohren sich heiße 
Geschosse in menschliche Leiber. Verwundete flehen im 
Fieber um Wasser, man hat keine Zeit, keine Zeit! Die 
Lebenden ha- 
  
Schmiede einer sächsischen Munitionskoionne 
27 
dieser Hölle herauszukommen und dem Feinde noch einmal 
näher auf den Leib zu rücken. Major Fürstenau brüllt 
durch das Getöse, hinüber nach der nächsten Waldblöße 
zu stürmen. Er selbst springt voran, und wer von den 
Braven noch laufen kann, stürzt vorwärts. Schützengräben 
gähnen ihnen entgegen, und die Bajonette und Käppie feind- 
licher Infanterie drohen 
heraus. Aber als die 
Franzosen die Hundert- 
fünfer heranrennen se- 
hen, blut= und kotbe- 
spritzt unter Hurrage- 
brüll, mit brennenden 
Augen und mordgierigen 
Kolben, da klettern sie 
aus dem Graben, laufen 
zurück und suchen sich 
zu retien. Und im fran- 
zösischen Graben können 
die Eroberer einen 
Augenblickverschnaufen, 
sie keuchen, ihnen fliegt 
der Atem. Die braun- 
jebrannten, schweißtrie- 
fenden Kerle in ihrer 
erdfarbenen, blutge- 
sprenkelten Uniform 
ähneln kaum mehr Men- 
schen und sehen doch 
herrlich aus. 
Der Bergwald rings ist zu einem Friedhof geworden. 
Bäume sind zersplittert und niedergeschmettert, herabge- 
rissene Aste AkKrsten den rotgefärbten, zerstampften, zer- 
wühlten Boden. Tote und Verwundete liegen durchein- 
ander geschleudert, unter ihnen Hauptmann Stecher. Ein 
Schuß durchs Herz hat den Tapferen niedergestreckt. 
Waffen und Gepäckstücke, von den weichenden Franzosen 
weggeworfen, trinken aus Blutlachen. „Kinder, noch ist 
nicht Feierabend, auf!“ Und die Kerls stürzen wieder 
vorwärts, weiter hinter den Franzosen drein, und wieder 
hallt das tolle 
  
ben nur an den 
Feind zu den- 
ken. 
Undmitein- 
mal ist's wie- 
der, als berste 
die Erde am 
Jüngsten Tage 
unter tobenden 
Flammen. Die 
Franzosen 
trümmern auf 
die neue Stel- 
lung in der 
Waldblöße mit 
den schwersten 
Granaten her- 
  
Geschieße un- 
ter den Stäm- 
men. Von 
einem Baume 
herabkrachtein 
Schuß, ein 
Franzose hockt 
droben auf 
einem Ast und 
hat sich aus 
dem grünen 
Versteck den 
Feldwebel der 
dritten Kom- 
pagnie zum 
Ziel genom- 
men. Der Ha- 
  
  
ab. Ganze . * lunke wird von 
Teile des — — einenn Mann 
Schützengra- Schwere süchsische Kolonne durchfährt eine Furt wie eine auf- 
bens werden gebäumte 
der Absatz eines Riesen zer- 
malmend auf die Erde. Mit zentnerschweren Steinen, 
Erdwolken, Waffen werden Menschenleiber durch die 
Luft gewirbelt, zu Fetzen zerrissen. Ein Kopf springt aus 
dem Glutrauch heraus und bleibt in schauerlicher Ein- 
tracht Lippe an Lippe neben einem Toten liegen. Es gilt 
so rasch als möglich, auch aus Qualm und Eisenhagel 
zerstampft, als stieße 
Katze herabgeschossen und plumpst schwer ins Moos. Ein 
verwundeter Franzose sendet zähnefletschend unter einem 
Strauch hervor dem Bataillon einen Schuß nach; ohne 
viel Redens schlägt ihm einer der Unseren dafür mit dem 
Kolben den Schädel ein, wie man einem giftigen Reptil 
mit einem Stockhieb den Rest gibt. 
Und das Bataillon kämpft sich vorwärts, drängt weiter
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.