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Unteroffiziere Pötzschke und Geck, Gefreiter Kluge
und Fahrer Spörke. Sie sahen die Belgier flugs ihre
Waffen wegwerfen, ihre Hände hochheben und in beil-
loser Furcht zwischen den Wagen, Autos und Trümmern
herumrennen. Der Oberstleutnant ritt zum Schlosse und
sah sich einer ganzen Anzahl feindlicher Offiziere gegen-
über, die sich ihm sofort als Gefangene erklärten. Auch
Nachzügler kamen noch gelaufen, und einige von ihnen
wollten es nicht glauben, daß sie so schnell zu Gefangenen
geworden seien. Man zeigte nach den Höhen, wo die zwölf
Batterien — — — Do verstummten sie.
Den Sachsen wurde jetzt erst klar, wieviel ihr kecker
Handstreich ihnen eingetragen hatte, denn es ergab sich,
daß große Teile der vierten von Namur aus flüchtigen
belgischen Division in dem Dorfe Bioul steckengeblieben
waren.
Wenn der Feind ahnte, daß ihn knapp ein Dutzend
Kanonen und ein paar marscherschöpfte sächsische Kompag-
nien in Schach halten wollten! —
Man befahl den belgischen Offizieren deshalb, unver-
züglich den Ort von Truppen und Bagage zu säubern,
auf Stroh in dem großen Zimmer in der Ferme, wo in
einer halben Stunde gegessen werden soll. Ich bitte, die
Konserven dorthin abzugeben, Stroh für die Nacht finden
die Burschen dort und dort. Autostaffel bleibt hier im Hof.“
Nach dieser kurzen, aber inhaltsreichen Instruktion des
1. Quartiermachers verschwindet alles im Dunkel und sucht
sich mit Hilfe der Taschenlaterne sein Unterkommen. Die
erste Sorge gilt den Geschäftszimmern. Die zwei Haupt-
erfordernisse für dessen Inbetriebnahme machen in der
Regel die größte Sorge: ein großer Tisch zum Schreiben
und Kartenausbreiten und dessen „Erleuchtung“. Aber
wir haben dieomal Glück; der geflohene Fermier besitzt
einen großen Eichentisch, und aus der guten Stube werden
zwei hohe Lampen mit Onyrfuß herbeigeschafft, entschleiert
(das heißt, ihnen ihre rosa Schirme abgenommen) und
damit aus Zeugen trauter Friedensstunden zu „Kriegs-
instrumenten“ umgewandelt. Der Generalstabsoffizier, der
den Nachrichtendienst bearbeitet, entnimmt die „Lager-
karten“ ihren Schutzhüllen, der jüngste Generalstabsoffizier
sortiert die letzten eingegangenen Meldungen und registriert
sie im Kriegstagebuch, ein dritter bereitet sich nach kurzer
alle Gefährte Orientierung
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Halbsechs Sanitätshunde bei sächsischen Grenadieren derwogenden
Uhr erschien
denn auch Major Freiherr v. Welck mit drei Kompagnien
rechtzeitig am Sammelplatze zum Abtransport der Ge-
fangenen. Die Zählung ergab:
S100 Mann und 200 Offiziere
Fast 3000 Pferde
700 Fahrzeuge
40 Geschütze
Hunderte von Autos, Kraftfahrrädern und Fahrrädern
Viele Tausend Waffen
Ja, Bioul am 24. August 1914, das war ein Tag
aus der Aufmarschzeit, auf den die Sachsen stolz sein
kännen. Leider ist der Leutnant Garke, der den Hand-
streich keck einfädelte, schon nach 14 Tagen, vor Somme-
sous, gefallen.
G. K. XIX auf dem Vormarsch
Das Hupensignal des kommandierenden Generals (das
„Teufelsmotio“ aus Carmen in Moll) ertönt und ruft die
Quartiermacher auf die Straße.
„Das Generalkommando liegt hier in diesen Gehöften,
links der Gencralstab, rechts die Adjutantur, die übrigen
Formationen in jener Ferme. Für Erzellenz und den Herrn
Chef sind Betten vorhanden, die übrigen Herren schlafen
Stimmen zu
einem leisen Flüstern, denn am Tische haben die beiden
Herren Platz genommen, die die eigentliche Triebfeder
des kunstreichen Uhrwerkes darstellen, das unser Armee-
korps in Bewegung setzt: der Chef des Stabes und der
1. Generalstabsoffizier. Sie beraten, was auf Grund der
durch den Ausgang des Tages geschaffenen Lage für den
nächsten Tag wohl anzuordnen sein wird, je nachdem,
welche neue Aufgaben dem Korps noch von oben her zu-
gewiesen werden können. „Vorausdenken“, das ist
ja die größte Kunst unseres Handwerks, die natürlich nie-
malo in „Vorausdisponieren“ in noch ungeklärte Verhält-
nisse hinein ausarten darf.
Die Stille wird unterbrochen durch schwere Schritte:
in der Tür erscheint der treue, unzertrennliche Gefährte
des Generalkommandos, die Fernsprechabteilung. Sie ist
— zusammen mit unseren braven Fliegern — diejenige
der bisher noch nicht kriegserprobten. Errungenschaften un-
serer modernen Technik, die unsere Erwartungen wohl am
meisten übertroffen hat. Sie ist überall zur Stelle, ob im
feindlichen Feuer, ob auf den gewaltigen Augustmärschen,
immer gelang es ihr, rechtzeitig ihre Verbindung herzustellen.
So erscheinen, unter Führung eines erprobten Hauptmanns
der Reserve, auch jetzt wieder in der Tür, die uns wohl-
bekannten gelben Schaltkästen, flink sind die Drähte durch
das Fenster gezogen, und fünf Minuten später können wir