Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

uns bis jetzt mit seinem märchenhaften Scheine der 
nächtliche Begleiter gewesen war, hatte sich hinter schwere 
dunkle Wolken verkrochen. Nieselnder Regen begann be- 
reits wieder, die Uniformen zu durchfeuchten. In den 
späteren Abendstunden verdichtete sich der Regen immer 
mehr, Sturm setzte ein und peitschte die Tropfen uns 
nachtwandelnden Kriegern ins Gesicht. Eisnadeln gleich 
trafen sie die Wangen. Aber kein Halt, keine Rast, keine 
Pause zum Regeln der Verpflegung! Was sollte das nur 
bedeuten? — Auch wir Führer hatten keine Ahnung von 
dem Zweck dieses nächtlichen Ellmarsches; eine geheime 
Weisung nur besagte: fällt, was fällt; keine Unterbrechung 
dec Marsches! 
Sollte man uns an anderer Stelle notwendiger 
brauchen als hier? aber wer trat dann an unsere Stelle; 
Ablösung hatten wir ja noch gar nicht gesehen, auch keine 
neuen Truppen im Anmarsch auf unsere Stellung im 
Walde bei St. Benoit, 15 Kilometer vor der Festung 
Epinal ge- 
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Nacht erkennen konnten, waren ausgebrannt oder zer- 
schossen. Die Erkundung des neuen Weges ließ und zehn 
Minuten halten, seit 7 Uhr zum ersten Male. Murrend 
setzte sich alles auf Befehl wieder in Marsch. La béte 
machine, c'est Phommec, sagt ein französischer Philosoph. 
Fürwahr, man war nichts anderes mehr als eine einmal 
angetriebene, dann laufende Maschine. 
Hinter Baccarat wurde eine neue Richtung eingeschla- 
gen, nach Nordosten ging's jetzt, so zeigte es mein Leucht- 
kompaß. Ein Blick auf die Karte sagte uns, daß wir auf 
der Straße nach Merviller-Montigny seien. Rechts von 
uns blieben noch die Ausläufer der Waldvogesen, die sich 
in unendlicher Ausdehnung ohne Unterbrechung bis hin- 
über zur deutschen Heimat erstreckten. Die Ortschaft Mer- 
viller wurde bald berührt, aber weiter ging's. Kein Halt. 
„Fällt, was fällt!“ so war die Weisung. Nachzügler 
müssen unbedingt nachkommen, ohne Verzug. Die Truppe 
darf deshalb den Marsch nicht verlangsamen. Die Sachen 
wurden in- 
  
troffen? — 
Inweiter 
Ferne links 
  
folge der 
Nässe immer 
schwerer, der 
vor uns in Tornisterim- 
nordwest- mer drücken- 
licher Rich- der, die Füße 
tung donner- beimanchem 
ten noch die schon wund- 
Geschütze ir- gelaufen, 
gend einer aber unauf- 
Truppe, die haltsam 
auf unserm ging's wei- 
rechten Flü- ter. Auf Fra- 
gel gefochten gen der Leu- 
haben mußte; te, wann es 
hier war also denn endlich 
noch Ge- Rast gebe, 
fechtsberüh- mußte man 
rung mitdem vertröstend 
Feinde vor- antworten. 
handen, wir Alle betrafes 
hatten sie be- gleich unan- 
reits verlo- genehm, 
ren. Von Mannschaf- 
Nachfolgen ten wie Offi- 
feindlicher Löhnung sächsischer Soldaten in der Feldstellung ziere. 
Patrouillen Als Mon- 
und Abteilungen merkten wir nichts, und das war gut. 
Brennende Häuser und der Feuerschein ganzer Dorfteile 
erhellten den westlichen Abendhimmel. Lodernd sahen wir 
die Flammen emporschlagen. Stumpfsinnig stapften die 
Landser die harte Straße, halb schlafend schon, ganz mecha- 
nisch die Bewegungen des Marsches ausführend. Ich selbst 
todmüde auf meinem Streitroß, fünf Stunden saß ich nun 
schon bald da oben, vollständig durchnäßt, auch der ehe- 
mals wasserdichte Umhang hätte nicht vermocht, die wolken- 
bruchartig niedergehenden Wassermassen abzuhalten. Und 
immer noch gab'# keinen Halt. . 
Bei Bertrichamps wurde die Meurthe und die Bahn 
St. Dié—KLuneville gekreuzt. Unsere Pioniere hatten noch 
die angenehme Aufgabe, alle Meurthebrücken zu sprengen, 
die Bahn zu zerstören. Daß sie ihre Arbeit mit gut deutscher 
Gründlichkeit tun würden, dessen waren wir sicher. Das 
Krachen der Sprengpatronen hinter uns verriet auch, daß 
dem Gegner das Nachfolgen nicht so leicht gemacht werden 
sollte. Wir zogen jetzt auf der Route nationale Nr. 39, die 
im Meurthetal dem Verkehr zwischen St. Dié und Nancy 
diente, weiter nach Baccarat, der Stadt der Glasschlei- 
fereien. Wir sahen davon nicht viel mehr; die meisten 
Häuser, die wir gerade noch im Dunkel der regenspendenden 
tigny erreicht war, machte sich die Ubermüdung und Ent- 
kräftung besonders übel bemerkbar; nicht wenige fielen 
heraug auc der Marschkolonne und blieben am Nande 
des Straßengrabens liegen, der einem reißenden Gies- 
bach gleich von raschflutenden Wassermassen gefüllt 
war. Unserem Befehle gemäß erhielt jeder der Zurück- 
bleibenden eine kurze Verwarnung unter Hinweis auf die 
ihm drohende Gefahr, sonst galt die ganze Sorge den 
wenigen aushaltenden Getreuen. Nachts 12 Uhr mochten 
wir wohl in Montigny sein. Auch hier war noch nicht 
unseres Bleibens. Immer geringer wurde die Marschge- 
schwindigkeit, immer kleiner die Kolonne. Vom Orte selbst 
hatten wir eigentlich nur die letzten Häuser am westlichen 
Ausgange berührt. Wir marschierten weiter auf einer an- 
dern Route nationale, diesmal Nr. 4, die von Nancy 
nach Badonviller und weiter über die Vogesen am Donon 
vorüberführt. Nun, uns interessierte das damals herzlich 
wenig, jeder sehnte sich bald nach einer Rast. Endlich, in 
Mignéville sollte es Nuhe geben. Von der hochgelegenen 
Straße aus sahen wir unten im Grunde die Wachtfeuer 
der schon vor und zur Nuhe übergegangenen Truppen, zu- 
meist Artillerie. 
Ein schlechter Nebenweg bog von der Hauptstraße zu 
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