Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

Die steile Straße zum Schloß hinauf führte der Weg, 
durch den alten Schloßhof auf die Hauptstraße. Immer 
weiter nach Deutschland zu ging es. Sollten wir am Ende 
  
  
Befehlsausgabe süchsischer Truppen bei Chalons sur Marne 
gar wieder heimatlichen Boden betreten müssen, sollte der 
Krieg in unserm Lande weitergeführt werden, oder wollte 
man uns zu anderer Verwendung verladen? Man munkelte 
schon von einem Abtransport nach Antwerpen als Be- 
satzung; ich sah mich schon auf dem Bahnhof einfahren und 
mit meiner Kompagnie die Kaiserstraße zum Kai hin- 
unter marschieren. 
Am Nordausgang von Blämont bot sich uns ein neues, 
nicht mehr gewohntes Bild: der Bahnhof im Betrieb, 
bayrischer Landsturm im Dienst, die letzten Wagen zu 
rangieren und zum Abtransport alles fertig zu machen. 
Auf der Straße — es mochte wohl Höhe 362 der fran- 
zösischen Karte sein — versammelte unser Divisionsgeneral 
von Tettenborn, der Generaladjutant des Königs, seine 
Division und sprach noch einmal das Lob für uns und das 
47. Bataillon offen aus. Der Weitermarsch führte uns 
nach Richeville ins Quartier; abends 7 Uhr endlich rückten 
wir hier ein. Es war der erste Ort auf deutschem 
Boden. 
Die nächsten Tage brachten noch lange schwere Märsche 
über Ibigny, Fohlcray nach Ignay, Rixingen, Hertzing, 
Gefechte, dann nach Hameau d'Ancreviller, hier einen 
harten Kampf, Marsch wieder auf der Straße Montigny— 
Merviller. Vorwärts, dem Feinde entgegen in Feindes- 
land! Am 25. September waren wir wieder auf der 
Straße nach Blämont. Dort bezogen wir feste Stellungen. 
Der Stellungskrieg begann! 
Und am 18. Oktober nach dem feierlichen Feldgottes- 
dienst ergriff unser Divisionskommandeur das Wort, den 
Dank unseres Königs an seine sächsischen 
Vogesentruppen zu verkünden. Der Titel „Säch- 
sische Heldendivision“, wie ihn der allerhöchste 
Landesherr uns verliehen hatte, durfte uns mit Stolz er- 
füllen. Kein schönerer Dank konnte uns zuteil werden, 
gerade an diesem Tage, und mit Stolz legte jeder erneut 
den Schwur ab, sich in künftigen schweren Tagen als Held 
der Heldendivision zu bewähren. 
37 
Jungdeutsche Pioniere 
Von Rudolf Herzog 
„Der Weg liegt unter Feuer! Löscht die Lichter!“ 
Wir tappen vorwärts. Ein Granatentrichter 
Läßt unsanft unsre Füße Dreitakt tanzen, 
Linko Drahtverhau, rechts eingegrabne Lanzen, 
Und unsre Augen blind von Finsternis. 
Der General voran, des Wego gewiß. 
Noch einmal blitzt und spritzt ein Lichtgefunkel, 
Und ausgestorben gähnt das stiere Dunkel. 
„Halt — wer da? Steht!“ — Wir ziehn den Atem an. 
„Patrouille!“ knurrt's. „Ein Leutnant und zwei Mann.“ 
Und neben uns am Grabenrande halten 
Wie aus dem Weg gestampft die drei Gestalten, 
Drei nächtige Schemen, grau wie Nachtgetier. 
„Ist das nicht — unser kleiner Pionier?“ 
„Zu Befehl, Exzellenz.“ Der Leutnant ruckt das Kinn. 
Ein Knabenkopf. Und glühnder Ernst darin. 
Wo sah ich ihn 2 Und meine Augen sehen 
Vor Stunden ihn am schmalen Flusse stehen. 
Quer durch die Wasser wird ein Damm getrieben, 
Schweißtriefend hilft er rammen, stemmen, schieben, 
Die Stauflut schwillt, will einen Ausweg haben, 
Verschwemmt das Land, packt einen Schützengraben, 
Hei, wie die Franzen hurtig Beine machen! 
Da riß vom Knatenmund sich wildes Lachen — — 
„Wohin zur Nacht7“ — Der Leutnant weist ins Leere. 
„Dort flitzt es her. Ein Erdloch. Zwölf Gewehre. 
Bei Tag frei Schußfeld. Nachts gedeckt von Sträuchern. 
Wir kriechen ran — die Bande rrauszuräuchern.“ 
„Ihr drel allein —7 Ihr seid mir gut beraten.“ 
Drei Fäuste öffnen sacht sich. Handgranaten — — 
Straff steht der Leutnant, jeden Nerv bezähmt. 
Die beiden Helfer grinsen halbverschämt. 
Tief Schweigen erst. Und dann: „Mit Gott, ihr Jungen.“ 
Als hätt' die Dunkelheit sie jach verschlungen, 
Ist leer der Naum .. Ein Horchen — ein Erwachen — 
Ein Knall! zwei-, dreimal! Wildes Knabenlachen 
Hoch überm Lärm! Und alles wieder stumm.. 
Der General fährt auf. Er blickt sich um. 
„So lachen deutsche Knaben tatenheiter 
Zum Manne sich. Meine Herrn, wir können weiter.“ 
Chemnitzer Ulanen bei Abrahamsruh 
(10. September 1914) 
Ale die mit dem linken Flügel bei Angerburg stehende 
russische Armee von der deutschen 8. Armee Anfang Sep- 
tember geschlagen war und in östlicher Nichtung zurück- 
 
	        
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