Einer war bei der ersten Kompagnie erst 18 Jahre.
Er hatte einen Schuß in den Hals und lag im Unterstand
gedeuet Bäterlich betreuten ihn die älteren Kameraden,
evor sie in den Graben gingen. Aber Kurt Staudte
wollte von fauler Nast nichts wissen, solange die andern
im Feuer standen. Er reichte ihnen frische Patronen zu und
kroch mit seinem blutenden Halse an der Brustwehr herum,
den Angriff der Engländer beobachtend. Auge und Hand
war er seinen kämpfenden Brüdern, baute aus Brettern und
Tornistern eine flankierende Schutzwehr gegen gefährliches
Maschinengewehrfeuer. Da traf ihn auch noch ein Schuß
in den rechten Arm. Bis die Engländer blutig abgewiesen
waren, hielt der tapfere Bursche im Graben aus.
Was sind Wunden, wenn die Truppe siegt! Auch der
Unteroffizier Karl Kießling
(10. Kompagnie) dachte ge-
ring von seinen Wunden, als
die Hundertsechser im Novem-
ber 1914 siegreich in schwerem
Angriff standen. Er lief seinen
Leuten voran, bis er zusam-
menbrach. Kein Ruf und keine
Bitte hielten ihn zurück.
Wenn nur einer ist, der ein
gutes Beispiel gibt, mit herz-
hafter Tat, mit mutigem Wort
— dann wetteifern sie alle, es
ihm gleichzutun.
Einen englischen Graben
hatte Vizefeldwebel Fricke
mit seinem Zuge genommen.
Man mußte ihn gegen scharfe
Gegenangriffe verteidigen. —
„Leute, hier sitzen wir drin
und hier kriegt uns kein Eng-
länder wieder raus!“ Er rief
es jedem zu. Und sie hielten
den Graben gegen jede Uber-
macht bis in die dunkle Nacht.
Dann war alle -Gefahr vor-
über. Ebenso Vizefeldwebel
Arno Wöllner bei St.
Souplet und bei La Fouquet.
Dem Feinde am nächsten und
unentwegt. Dort das Graben-
stück am Wald und hier den
Platz an der Straße nach Le
Bizet. . Heraueêgegeben haben
sie es nicht, die tapferen Hun-
dertundsechser.
Auf die Führung kommt es an, auf die Führer im
großen wie im kleinen Verbande. Es ist der Geist, der
sich den Körper baut, heißt ein bedeutungsschweres deutsches
Dichterwort. Führergeist, von ihm war Infanterie-Regi-
ment 106 im Weltkrieg beseelt und durch und durch erfüllt.
Erinnert euch, ihr Kameraden, an einen Munn wie den
Major von Eschwegel! In vorderster Linie bei Thin le
Moutier, wo das Nachbarbataillon in dem furchtbaren
Feuer erlahmte. Unerschüttert wie auf dem Lindenthaler
Ererzierplatze daheim entwickelte er seine Kompagnien gegen
den Feind, er immer allen voran. Und bei Poix-Terron, wo
das Bataillon an gefährlichster Stelle der bedrängten Divi-
sion stand, von seinem Major hierhergestellt, den Feind
zurückwarf. Kurt von Eschwege allen voran. Dann im
September 1914, als die Brigade Bärensprung bei Perthe-
Perrière-Ferme mitten im Angriff zum Stehen kam! Da
erwies er sich als ein echter Führer, sammelte die zer-
schossener und auseinandergerissenen Verbände, verteilte
sie aufs neue und brachte sie siegreich vor. Wer vergäße
Der Oberbürgermeister von Zittau
61
den 31. Oktober, den Tag von La Bassse-Ville, wo östlich
am Walde von Poystreet ein Volltreffer in den Regiments-
stab fuhr! Ohne Kommandeur und Adjutant — sie waren
ausgefallen — schlug er den Feind als kaltblütiger, sieg-
gewohnter Führer ab.
Schmwere, aber an Siegen reiche Wochen für das Leip-
ziger Regiment. Major von Eschwege hat sie nicht lange
überlebt. Er fiel.
Der Zittauer Oberbürgermeister im Felde
„Um mich herum wimmelt es geradezu von
Zittauern,“ schreibt der Zittauer Oberbürgermeister
Drr. Külz am 6. Oktober 1914
nach Hause. Er war im Sep-
tember von Leipzig aus als
Bataillonsführer im 24. Ersatz-
Regiment zur 19. Ersatzdivi-
sion gestoßen, welche Exzellenz
von Tettenborn, der General-
adjutant des Königs, führte,
und die vom Könige selber
später mit gutem Grund die
„Heldendivision“ genannt wor-
den ist. Hauptmann Külz hat
harte und frohe Tage mit ihr
erlebt. „Seit heute morgen —
schreibt er — surren die Gra-
naten über mich hinweg in die
feindliche Stellung, sie weckten
mich 4 Uhr morgens höchst
unliebsam aus dem Schlafe,
und ärgerlich frogte ich mich:
Wer mag das nur sein, der
schon wieder schießt? Wer ist's?!
Hauptmann von Elterlein,
Sohn des Herrn Oberbahn-
hofovorstehers von Elterlein in
Zittau. Ein anderes Bild! In
der Dorfstraße arbeitet stramm
und energisch ein Feldwebel;
nicht mehr ganz jung. Ich
frage ihn nach seinem Namen.
Wer ist's? Oberpostassistent#a.
D. Nicklisch aus Görnitz bei
Zittau, der trotz seiner 48 Jahre
als Kriegsfreiwilliger mit ins
Feld gezogen ist und hier eine
ausgezeichnete soldatische Er-
scheinung bietet. Gestern abend sah ich mir unsere kilometer-
weit sich erstreckende Stellung etwas näher an, da der Gegner
und am Nachmittag in der Front mit Kavalleriepatrouillen
geärgert hatte. Eine Ordonnanz fuhr zum 63. Bataillon. Ich
trug ihm Grüße an Oberleutnant Becker auf, der früher in
Zittau in meiner dortigen Wohnung lebte und mit mir ins
Feld gegangen war. Prompt erwiderte, wenn auch etwas
unmilitärisch, die Ordonnanz:, Zu Befehl, Herr Oberbürger-
meister!“
Eine Brücke war durch einen Posten gesperrt. Die
Uchselklappen zeigen 102.
„Seid ihr Zittauer?“
„Jawohl, Herr Hauptmann.“
„Kennt ihr mich?“
„Nein, Herr Hauptmann.“
„Kennt ihr nicht euern Oberbürgermeister?“
Mit strahlendem Gesicht erkannten mich jetzt die Leute.
Am Ausgang des Ortes E. traf ich auf eine Kompagnie.
Bei Hauptmann F. aus Bautzen erkundigte ich mich nach