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Tsingtau und die Gefechtsbereitschaft an Bord. Er selbst
nimmt mit Oberstabsarzt Rose, Hilfsarzt Dr. Dengel,
Kriegsrichter Mörder und dem Zahlmeister längst schon
seinen Bereitschaftsposten auf dem Gefechtsverbandplatz der
„Gneisenau“ ein.
Am 3. November schrieb er aus Valparaiso:
Endlich kann ich einen Abgangsort des Briefes nennen,
nach dreimonatigen Irrfahrten im Stillen Ozean und in
der Südsee. Nun habe ich also auch den letzten Erdteil
erreicht, der mir bisher noch unbekannt war, und vielleicht
kann ich Euch eines Tages die Entdeckung des Südpols
oder eine Weltumsegelung melden.
Freitag, 30. 10., morgens 2 Uhr sind uns zum ersten
Male die Lichter von Valparaiso zu Gesicht gekommen, dann
fuhren wir im Dunkel der Nacht zurück, den Feind zu
suchen, der bei der chilenischen Küste stand. Sonntag früh
kanne umgefallen, Wecker umgefallen, geht aber und zeigt
8, 10, das war alles.
Dankbar ging ich dann nach 11 Uhr zur Ruhe.
Vor Valparaiso, den 3. 11. 1914.
Sonntag, den 1. 11. ein politisches Reforma-
tionsfest erlebt: 6,36 nachmittags bis 8 Uhr Gefecht
zwischen „Scharnhorst“, „Gneisenau“, „Leipzig“ und
„Nürnberg“ gegen „Good Hope“, „Monmouth“, „Glas-
gow“ und einen englischen Hilfskreuzer. Der große Kreuzer
„Monmouth“ gesunken, „Good Hope“ brennend im Dunkel
verschwunden, „Glasgow“ entkommen — bei uns kein
Toter! „Gneisenau“ hat zwei Verwundete.
Nach drei Monaten ungeduldigen Wartens eine stolze
Tat! Früh hatte ich gepredigt als Reformationsfestpredigt
über Ebr. 13, 9: Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz
fest werde, welches geschieht durch Gnade.“
entdeckte un- Schon früh
sere Draht- * hieß es,
lose seine „Leipzig“
Spur, aber ist abgeschickt
erst gegen worden,
4,15 abendes einen Segler
kam er uns auf Konter-
zu Gesicht bande zu un-
Eben ist tersuchen,
gepfiffen den wir ge-
worden, „die sichtet hatten.
Geschütze klar Wir waren
machen für vorher in
die Nacht“,
wie es jeden
Nachmittag
zwischen 4
und 4,15 aus-
gepfiffend-
wird, da saust
ein Sberleut=
nantdraußen
an meiner Kammer vorbei und ruft: „Pfarrer, 'Sgeht
loo! Die Engländer sind dal“
Es war mein Tischnachbar, Oberleutnant Schwede, mit
dem ich vorm Jahr rausfuhr. Am 3o. 10. hatte er seinen
Geburtstag gefeiert, und da war ihm vom Festredner als
Hauptwunsch das gesagt worden, daß bald der große Tag
kommen möchte. Und nun kam der große Augenblick.
Ich war nicht ganz vorbereitet, denn Talar, Barett,
schwarze Sachen waren noch nicht wieder unter Panzer-
schutz, ja noch nicht gepackt, also packen, was es kann!
Krankenabendmahlsbesteck war klar. — Bücher verstaut.
4,50 nachmittags bin ich auf Hauptgefechtsverbandplatz.
— Allerlei Gerede. Ich frage, denn bis jetzt war noch
keine Zeit zu fragen, was und wer kommt. — Der Feind
läuft erst weg, um sich zu sammeln, wir nach, vorläufig
noch schwankend, ob zwei oder drei Schiffe da sind, da
man zuerst nur den Rauch sieht. — §*,37 höre ich durch
Leutnant K., daß es vier Schiffe sind, „Good Hope“,
„Monmouth“, „Glasgow“, „Otranto“. Ich an Oberdeck,
sehe etwa 15 Kilometer entfernt parallel mit uns in Kiel-
linie die vier Schiffe, und zwar erst vier, dann drei, oder
zwei kleine, endlich zwei hohe Schornsteine (das letzte der
Hilfskreuzer).
5,42 bin ich wieder unten, "*,46 Kommando „Fern-
gefecht an Steuerbord“, dann wird gemessen und kommen
die Entfernungen 120 Hundertmeter, 112, 98, 90, 38
und 84 Hundertmeter. — Mittlerweile ist's 6,36, da
fallen die ersten Schüsse. — 8, 10 nachmittags bin
ich bereits in meiner Kammer, um nachzusehen, ob sie noch
da ist. Eine Lampenglocke ist gesprungen, eine Wasser-
Berggotiesdienst auf dem Kemmler bei Plauen i. V.
Kiellinie ge-
fabren, alle
Kreuzer zu-
sammen:
„Scharn-
horst",
„Gneisenau“,
„Leipzig“,
„Nürnberg“.
„Dresden“, Reihenfolge weiß ich nicht mehr, doch führte
das Flaggschiff.
Wir fuhren mit südlichem Kurs — bald darauf wurde
bekannt, daß der Segler chilenische Flagge gezeigt und ge—
meldet hätte: er habe Holz geladen, worauf „Leipzig“
ihn laufen ließ.
Manche waren unzufrieden: „man hätte ihn genau
untersuchen, mindesteno aber festhalten müssen, damit un-
sere Anwesenheit an der chilenischen Küste nicht vorzeitig
bekannt würde“ — hieß es. — Sonst hatte uns bioher
bloß ein Segler dicht hinter den O-. nseln getroffen,
aber der konnte noch lange nicht da sein.
Plötzlich kommt eine neue Nachricht, die viel Freude
auslöst — „Titania“, unser Begleitdampfer, der zum
Kreuzergeschwader gehört, und der seit Ponape statt der
Reichsflagge die Kriegaflagge führt, daher „Schlachtschiff
Titania“ genannt, meldet durch F. T. (Funken-Telegraphie),
das er einen Segler mit Cardiff-Kohle angehalten habe
und fragt, was geschehen soll. — „Titania“ war von uns
zum Beobachten auggeschickt worden. Alle erzählen sich
von den Taten des „Schlachtschiffs“ Titania, das in
Wirklichkeit nur eine kleine Bootskanone hatte
Da plötzlich Alarm um etwa 4,30 nachmittago. Ich
denke nicht an Uhr, sondern nur ans Packen und Verstauen.
4,50 bin ich halbwegs fertig und gehe auf den Gefechts-
verbandplatz. Gesehen habe ich vom Feinde noch nichts,
höre nur, daß er kaum noch zu sehen ist, daß er scheinbar
ausweicht — in Wirklichkeit sammelt er wohl nur — ich
setze also mein Packen fort. —
In der Eile habe ich vergessen, Gummischuhe anzu-