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hinter den rechten Flügel geschoben, für den voraussicht-
lichen Fall, daß die beiden Nachbarkorps der ersten Armee
noch weiter nordwestwärts abbefohlen würden.
Das X. Reservekorps nahm das zurückgehende X. Armee-
korps am Walde südlich von Le Gault, etwa 10 Kilometer
südöstlich von Montmirail auf und brachte das Vordringen
der französischen fünften Armee, deren Stoßgruppe mit vor-
gezogenem und verstärktem rechten Flügel über Esternay auf
Montmirail vorzudrücken suchie, bei Le Gault zum Siehen.
Weiter östlich drang gleichzeitig das preußische Garde-
korps am 6. September über das Sumpfbecken von
St. Gond gegen die Linie Sézanne—Vitry-le-Frangois vor
und drängte den linken Flügel der französischen neunten
Armee, die 42. Infanteriedivision, die Marokkodivision und
die linke Hälfte des IX. Korps bis über den Südrand des
Sumpfes von St. Gond zurück. Der linke Flügel der
neunten Armee wurde damit völlig in die Abwehr ge-
worfen.
Der Gesamtangriff des französisch-englischen linken
Heeresflügels wurde also bereits am ersten Großkampftag
zum Stehen gebracht. Die rückläufigen Bewegungen der
über den Grand-Morin vorgedrungenen deutschen Korps II,
IV. III. IX und X wurden nichtsdestoweniger vom Gegner
als erzwungene Erfolge der Offensive der Westgegner von
diesen eingeschätzt. —
Die deutsche Oberste Heeresleitung war überrascht von
dem Wegziehen des III. und IX. Korps von Klucks linkem
Flügel, von dem sie erst erfuhr, als die Bewegung bereits
im Gange war. Am tatsächlichen Schlachtverlauf gemessen,
hätte wenigstens ein Korps zur Stützung des schwer an-
Feariffenen rechten Flügels der zweiten Armee südlich der
Marne ohne Schädigung der Widerstandskraft Klucks gegen
Mannoury und die Engländer verbleiben können. Das anzu-
ordnen, wäre Sache der Oberleitung gewesen. Die aber war
— in Luremburg.
Dic vierte Armee
Linko von der deutschen dritten Armee trat die vierte
Armee am 6. September zum Angriff über den Ornain
gegen die Linie Courdemanges—Revigny südwärts an. Vor
ihr stand, etwa an der Bahnlinie Sompuis—Eourdemanges
— Blesmes—Sermaize die unerschütterte, nur auf Befehl
Joffres aus dem Raume von Sedan abgezogene fran-
zösische vierte Armee, von links nach rechts das XVII. Armee-
korps (bis Courdemanges), dann das am meisten er-
schütterte XII. Armeekorps, das Kolonialkorps (Vauclerc—
Bleozmes) und das II. Armeekorps (Maurupt—Sermaize).
Der Eindruck war bei dem den Sachsen benachbarten
preußischen VIII. Armeekorps zunächst der, daß der Feind
zu verzweifeltem Gegenstoß ansetzte, weil er nicht mehr
weiter konnte.
Der heftige Widerstand des Feindes gegen den kraft-
voll auf der ganzen Front vorgetragenen Angriff der
vierten Armee und der mittags festgestellte Vormarsch
einer feindlichen Division von Süden her (Anfang 2 Uhr
nachmittags 12 Kilometer südlich Vitry) änderten indessen
die Anschauung über den Feind.
Der Ornain wurde an der ganzen Front überschritten,
neben dem linken Flügel der vierten Armee errang das
VI. Armeekorps, von Nettancourt—Noyers auf Revigny—
Villers-aux-Vents vorgehend, im Zusammenarbeiten mit
der übrigen fünften Armee blutigen Erfolg. Beide Orte
Fielen in deutsche Hand. Der französische Bericht bezeichnet
den Kampf zwischen den beiden vierten Armeen als hart.
Die fünfte Armee
Die deutsche fünfte Armee hatte, durch den Argonner-=
wald und westlich desselben vorrückend, bis zum 6. Sep-
tember den Raum südlich Giery—Triaucourt erreicht. Sie
schwenkte dann ostwärts zum Angriff gegen die französische
dritte Armee ein, rechter Flügel gegen Villers-aux-Vento,
linker Flügel bei St.-André, Verdun mit einem Armeekorps
leicht umstellt.
Ihr Gegner, die französische dritte Armee unter dem
neuen Oberbefehlshaber, General Sarrail, durch Abgabe
des IV. Armeekorps nach Paris und der 42. Infanterie-
division des VI. Armeekorps zur Armee Foch wohl ver-
mindert, aber in keiner Weise durch die vorausgegangenen
Kampfwochen erschüttert, trug befehlsgemäß den Angriff
gegen die deutsche linke Flanke über Beauzée an der Aire
durch das bewährte VI. Armeekorps vor. Nach schwerem,
bis in die Dunkelheit fortgeführtem Kampf wurde die
französische Front empfindlich ostwärts zurückgedrückt, trotz
des gelungenen Vorstoßes einer Reservedivision aus Verdun
gegen die Verbindungen der fünften Armee über Ippécourt.
Nach der Abendmeldung der fünften Armee sollte der
Angriff der fünften Armee am folgenden Morgen mit
dem Ziele Bar-le-Duc fortgesetzt werden. Von der vierten
Armee war hierzu das XVIII. Reservekorps zur Ver-
stärkung des rechten Flügels der fünften Armee für den
Angriff auf Laimont—Chardogne zugesagt. Dort stand
Sarrails linker Flügel. Sarrail erwartete mit Spannung
das XV. Armeekorps aus Lothringen. —
Der 7. September
Oberkommando der dritten Armee
Der Armeebefehl der dritten Armee trug der Lage, welche
die selbständigen Entschlüsse der Generalkommandos XII
und XIX geschaffen hatten, Rechnung, soweit das möglich
war. Er ordnete für die 23. Infanteriedivision die früh-
zeitige Fortsetzung des Marsches in südlicher Nichtung und
das Vorgehen der 23. Reservedioision, die am 6. Sep-
tember abends die Gegend von Aoize erreicht hatte, mit
den Anfängen bis in die Gegend von Vatry an.
Dementsprechend war auch das Oberkommando der
vierten Armee verständigt worden: Die 23. Infanterie-
division, über Sompuis vormarschierend, würde sich dabei
zum Eingreifen gegen den Feind vor dem XIX. Armee-
korpo bereithalten.
Der Obersten Heeresleitung wurde gemeldet, daß die
Absicht der Armee für den 7. September sei, weiter an-
zugreifen, oder, falls der Feind weiche — womit beim
Oberkommando der dritten Armee gerechnet wurde —,
in südlicher Richtung weiter zu marschieren.
Einer anderen Auffassung wurde das Oberkommando der
dritten Armee, als 3 Uhr früh die früher erwähnte Mit-
teilung der Obersten Heeresleitung einging, daß für heute
die Enischeidungsschlacht für sämtliche feindliche Heere an-
geordnet sei.
10 Minuten später, 3,10 Uhr früh, meldete das XII. Re-
servekorps, daß es auf Ersuchen der 32. Infanteriedivision
und der 2. Garde-Infanteriedivision 1 Feldartillerieregiment
und ein halbes Bataillon schwere Feldhaubitzen nach Ville-
seneux in Marsch gesetzt habe, und daß der Rest der 23. Re-
servedivision der 32. Infanteriedivision zunächst bic
Soudé—Germinon folge und sich dort ebenfalls zum
Eingreifen bereitstellen solle.
4 Uhr vormittags erbat das Oberkommando der zweiten
Armee, da es seinen rechten Flügel vor starkem Feind
habe zurückbiegen müssen, der linke Flügel der zweiten
Armee aber offensiv bleiben solle, die sofortige Unter-
stützung durch alle verfügbaren Kräfte der dritten Armee.
Die 3 Uhr früh eingelaufene Mitteilung der Obersten
Heeresleitung hatte völlige Klarheit über die Lage gebracht.
Danach war der Feind am 6. September vor der ersten,
zweiten, dritten und vierten Armee allgemein zur Offen-
sive übergegangen und stand im Begriff, den Angriff am