Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Verbande der vierten Armee bei Vitry gefochten hatte, 
das X. Armeekorps, das sich bei der französischen vierten 
und neunten Armee ausgezeichnet hatte, und das XXXIII. Ar- 
meekorps, aus den Reservedivisionen 66, 70 und 77 neu 
zusammengestellt, unter dem General Pétain, dem späteren 
französischen Oberfeldherrn im Jahre 1917. 
Wieder warf sich zunächst die deutsche Heeresreiterei 
dem Umfassungoversuch entgegen und deckte die Flanke 
des I. bayrischen Armeekorps, bis hinter ihr das II. bay- 
rische Armeekorps Bapaume erreichte und bald darauf am 
24. September die 26. Reservedivision bei Albert eintraf. 
Die letztere kam direkt aus den Vogesen, wo sie bis zur 
Meurthe vorgedrungen war, um dann nach St.-Avold 
zu rücken und über Trier nach Valenciennes zu fahren. 
Wieder war die Front nur nordwärts verlängert, nicht 
die deutsche Flanke gefaßt worden. 
Auf Linie Arras—Béthune hielten sich die französische 
zehnte Armee und der linke Flügel der deutschen sechsten 
Armee in heißem Frontringen gegenseitig gefesselt. Wieder 
zog die deutsche Heeresreiterei, 3 Heeres-Kavalleriekorps, 
weiter nach rechts, um den Anmarsch des rechten Flügels 
der sechsten Armee zu verschleiern. Inzwischen war auch 
das Gardekorpos aus der Gegend von Reims vor Arras 
eingetroffen, rechts daneben das preußische IV. Armee- 
korps, das an das I. bayrische Armeekorps anschloß, welches 
die Franzosen bei Vimy festnagelte. Darüber war der 
Oktober angebrochen. Wiederum wurde beiderseits nord- 
wärts die Kampflinie verlängert, drüben durch das fran- 
zösische XXI. Armeekorpo# bei La Bassée, diesseils durch das 
XIV. Armeekorps, das aus der Woswre-Front herbei- 
geeilt war. 
Inzwischen erlag Antwerpen, wohin sich die belgische 
Feldarmee zurückgezogen hatte, der panzerbrechenden deut- 
schen Schwerartillerie wider alles Erwarten schnell am 
9. Oktober. Damit wurde für England die Kriegslage 
vollständig verändert. Die Verteidigung Altenglands auf 
dem Festlande der flandrischen Küste war fortab das 
vornehmste, natürlich nie eingestandene Kriegsziel der eng- 
lischen Staatsleitung. Dao englische Feldheer unter French 
wurde bereits zwischen dem 1. und 7. Oktober aus 
der Aisnefront herausgezogen und mit der Bahn in den 
RNaum St. Omer—Hazebrouck zur Deckung der Häfen 
Zeebrügge, Ostende, Dünkirchen und Calais überführt. Eine 
7. englische Infanteriedivision war bereits an der Aisne zu 
French gestoßen, jetzt wurde die Lahoredivision ausgeschifft, 
bald erreichte auch das neue englische IV. Armeekorps 
Ostende und Zeebrügge. Weiter verließen 2 berittene Divi- 
sionen Aldershot. Nunmehr standen 12 englische Infanterie- 
und 3 Kavalleriedivisionen dem englischen Oberbefehlshaber 
auf dem Festlande zur Verfügung. Außerdem hatten 3 eng- 
lische Seebrigaden, überstürzt nach Antwerpen geworfen, 
vergebens den Fall der für die Engländer so wichtigen See- 
festung zu verhüten gesucht. Das Aufgebot von 1 Million 
Streitern der sogenannten Kitchener-Armee war in groß- 
zügiger Entschlossenheit begonnen worden. England hatte 
den Kampf um die flandrische Küste mit der altenglischen 
Zähigkeit aufgenommen. 
Auch dieser letzte Riesenversuch, die rechte deutsche Heeres- 
flanke zu umklammern, mißlang trotz der Unterstützung 
durch die neue französische achte Armee des Generals 
d'Urbal und trotzdem, daß es der belgischen Feldarmee ge- 
lungen war, sich aus Antwerpen hinter die Vser zu retten, 
wo sie fortab den äußersten linken Flügel des Feldheeres 
der Westmächte bis zum Meere bei Nieuport bildete. 
Wieder setzte Mitte Oktober 1914 von beiden Seiten ein 
Wettrennen ein, diesmal nach dem Raume von Lille, um 
die dortige Lücke zu durchbrechen. 
Joffre hatte in die ehemalige Fortfestung Lille, deren 
Forts zwar nicht mehr armiert, deren doppelte Stadt- 
umwallung und Zitadelle aber noch in Verteidigungs- 
zustand erhalten waren, zunächst die gerade verfügbaren 
Territorial-Bataillone und ein Spahi-Regiment bineinge- 
worfen mit dem gemessenen Befehl für den Kommandanten 
der Festung, den Platz unbedingt bis zum 14. Oktober zu 
halten. Bis dahin mußte ja das englische Feldheer unbedingt 
heran sein. Es kam anders. Bereits am 12. Dktober 
drangen die Sachsen des XIX. Armeekorps in Lille ein. Die 
deutsche Heeresreiterei hatte in vorbildlicher Selbstaufopfe- 
rung die Engländer inzwischen aufgehalten. Der rechte 
Flügel der deutschen sechsten Armee war eingetroffen und 
erkämpfte sich in wochenlangem, erbittertem Ringen die 
Lysübergänge westlich von L#lle, während das XIII. Armee- 
korps, aus den Argonnen herbeigeeilt, und das XV. Armee- 
korps, das von Craonne herangezogen worden war, unter 
dem General von Fabeck siegreich in den Wytschaetebogen 
nordwestlich von Lille eindrangen. Noch weiter rechts ging 
gegen den Raum von Mypern die deutsche vierte Armee vor. 
Sie bestand aus vier neugebildeten deutschen Armeekorps 
(von rechts nach links XfXII., XXIII., XXVI. und XXVII. 
Reservekorps) und rückte im Verein mit den Bezwingern 
von Antwerpen, dem III. Reservekorps und der Marine- 
division, welche den Bserabschnitt bis zum Meere angriffen, 
in der zweiten Hälfte des Oktober gegen die Vrpernfront 
heran. 
Der Marsch des XlX. A.-K. nach Lille und an die Lys. Die Kämpfe des XIX. A.-K. westlich 
von Lille. Die Einrichtung der Abwehrstellung in Französisch-Flandern 
Das XIX. Armeekorps wurde am 4. Oktober direkt von 
der Obersten Heeresleitung westwärts mit unbekanntem 
Marschziel in Marsch gesetzt. Der Kommandeur der 24. In- 
fanteriedivision, Generalleutnant Krug von Nidda, blieb 
mit der 48. Infanteriebrigade, Jägerbataillon 12, Feld- 
artillerieregiment 78, 2 Pionierkompagnien und Fernspre- 
chern, sowie den zugeteilten Truppen, Gardeschützen mit 
Garde-Maschinengewehrabteilung, schwerer Artillerie usw. 
in der bisherigen Champagnestellung zunächst noch zurück. 
Das XIX. Armeekorps durchzog bis 11. Oktober das 
herrliche Nordfrankreich. Die ersten Märsche mußten bei 
Nacht auogeführt werden, um den französischen Fliegern 
gegenüber das Geheimnis dieser Truppenverschiebung zu 
wahren. Diese Nachtmärsche brachten für die des Marschie- 
rens entwöhnten Truppen große Beschwerlichkeiten mit sich. 
Später aber, als das Korps in den Bereich wiederher- 
gestellter Bahnen kam und die Marschkranken auf diese 
überführen konnte, gestaltete sich der Marsch durch das 
schöne, in bunten Herbsifarben leuchtende Nordfrankreich 
mit seinen vom Kriege fast unberührten, fruchtbaren Fluren 
und eigenartigen Städten zu einer wahrhaften Erholung. 
Am 11. Oktober traf das Korps in seinen Marschquar- 
tieren etwa einen halben Tagemarsch südlich von Lille ein. 
Nach allen bioherigen Nachrichten sollte Lille unbesetzt sein. 
Zwar waren noch keine deutschen Truppen in den großen 
Häuserbezirk der Fabrikstädte Lille, Roubair, Tourcoing 
bisher eingedrungen. Selbst die deutschen Kavalleriekorps, 
die zu dieser Zeit weit westlich von Lille mit stärkeren 
französischen und englischen Heeresabteilungen im Kampfe 
sianden, hatten es vermieden, den gewaltigen Städtebezirk 
mit seiner zahlreichen Fabrikbevölkerung zu berühren, da 
man Straßenkämpfe und allerlei unliebsame Uberraschungen
	        
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