Armee auf der Front Menin—Armentieres—da Bassée den
Feind festhielt.
Der feindliche Heerführer, der englische General French,
der den Vormarsch der Verbündeten gegen die deutsche
Nordflanke leiten sollte, ahnte noch am 18. Oktober nicht,
daß er eine neue deutsche Armee dicht vor sich hatte.
Sein englisches Kavalleriekorps klärte dicht östlich von
Bpern auf. Weiter rechts stand sein III. englisches Korps
gegen Lille zu im Kampfe mit unserem XIX. Armeekorps.
Dicht nördlich von Ypern befand sich das IV. englische Ar-
meekorps (7. Infanterie= und 3. Kavalleriedivision). Es
war vor dem deutschen III. Reservekorps bis in die Linie
Gheluvelt—Zonnebeke zurückgegangen.
Bei Burschote schloß das I. englische Armeekorps an.
Endlich bildeten in engem Anschluß vier, später sieben fran-
zösische Divisionen und die Belgier, noch fünf bis sechs
Divisionen stark, die Dserfront bis zum Meere.
Dahinter waren weitere Teile der französischen achten
und zehnten Armee noch im Anmarsch.
Der deutsche Anprall traf also am 19. Oktober auf eine
starke, voll entwickelte Armee. Fälschlich behaupten die Eng-
länder, in großer Minderzahl gekämpft zu haben. Bereito
am 20. Obktober standen volle acht Korps der Verbündeten
den sieben angreifenden deutschen Korps gegenüber.
Der deutsche Angriff drückte die feindliche Front weit
zurück. Er zerbrach die Dampfwalze noch vor ihrem An-
rollen. Das ist der große deutsche Erfolg der ersten Dpern-
schlacht, der durch die feindliche Darstellung, wonach der
deutsche Vorstoß bis an die Kanalhäfen nicht gelungen
sei, nicht widerlegt wird.
Die deutsche vierte Armee suchte mit dem rechten Flügel
zunächst die Entscheidung. Ihrem linken Flügel, dem XXVII.
Reservekorps, fiel die schwere Aufgabe zu, Dpern zu nehmen.
Dessen östlich vorgelagerter Höhenkranz bildete den Schlüs-
selpunkt der feindlichen Abwehrfront. Dorthin zog der
feindliche Führer, General French, seine Hauptkräfte. Von
dort setzte er vom 22. Oktober ab seine unermüdlichen
Gegenangriffe gegen die immer wieder vorstürmenden
Sachsen und Württemberger des XXVII. Reservekorps an.
Das XXVII. Reservekorps, in der Zeit vom 16. bis 18.
Oktober in Ath und Leuze aubsgeladen, rückte zunächst bio
an die Schelde vor. Dort versammelte sich bei Audenarde
die 33. Reservedivision und westlich von Nenair die 54. Re-
servedivision. Den Truppen mußte gleich nach der Bahn-
fahrt eine ganz erhebliche Marschleistung zugemutet werden.
Die Begeisterung der jungen Soldaten überwand diese
ebenso wie die vielen Reibungen der verschiedensten Art,
die in der neuen Heeresmaschine bei ihrer ersten Anwendung
naturgemäß zutage traten.
Am 17. Obtober legten vorgeschobene Kräfte des XXVII.
Reservekorps die Hand auf die Lys-Ubergänge bei Harlebeke
(33. Reservedivision) und Kortryk (s44. Reservedivision).
Am 18. Oktober erreichten dann beide Divisionen mit
ihren Hauptkräften den Naum um beide genannten Orte
und bereits am nächsten Tage begannen ernstere Kämpfe
beim weiteren Vormarsch.
Die §3. Reservedirision ging von Harlebeke mit dem
linken Flügel auf Ledeghem, die s4. Reservedivision von
Kortryk dicht links der s3. Reservedivision über Gulleghem
vor. Von der Vorhut der s3. Reservedivision wurde die
gut verschanzte englische Vorhutkavallerie westlich von Rol-
leghemcapelle geworfen, ebenso von der §s4. Reservedivi-
sion bei Moorseele. Die Bevölkerung beteiligte sich in trau-
riger Verblendung zum Teil am Ortskampfe. Die 53. Re-
servedivision nächtigte auf dem eroberten Schlachtfeld. Teile
von Reserve-Infanterieregiment 241 und Jäger 25, ebenso
von der §4. Reservedivision erhielten an diesem Tage die
Feuertaufe.
Am nächsten Tage, am 20. Oktober, rückten beide Divi-
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sionen in steter Gefechtberührung mit dem Gegner weiter
vor. Die 83. Reservedivision erreichte in zwei Kolonnen
den Raum von Keiberg-Molen bis Strooiboomhoek, die
54. Reservedivision in zwei Kolonnen Becelaere und den
Naum östlich davon, letztere Division nach schwerem Kampfe.
Das Gros der s4. Reservedivision rückte an diesem Tage
über Dadizeele auf Terhand vor, das Reserve-Infanterie-
regiment 245 (ohne II. Bataillon, das zunächst in Kor-
tryk zurückblieb), verstärkt durch die Kavallerieabteilung der
54. Reservedivision und eine Batterie, südlich davon in
gleicher Höhe. Die feindlichen Vortruppen wurden von
Stellung zu Stellung zurückgedrückt. Gegen Mittag war
die s4. Reservedivision bei Terhand aufgeschlossen. Nach
linko bestand Verbindung mit der Heereskavallerie.
2,40 Uhr nachmittags begann der Angriff auf Bece-
laere. Von den Höhen westlich davon hatte sich die feind-
liche Artillerie aus zahlreichen Nichtungen her gut einge-
schossen. Der Angriff wurde durch zwei Infanterieregimen-
ter der Division gemacht, rechts Reserve-Infanterieregiment
246 (Württemberger), Lunks Reserve-Infanterieregiment 244
(Sachsen). Dank dem Vorgehen in ganz lichten, vielfach
zerlegten Schützenlinien, die sich gegenseitig überholten und
gut dem Gelände anpaßten, wurde das fast 3 Kilometer
lange, völlig vom Feinde eingesehene Angriffsfeld mit ganz
geringen Verlusten überschritten. Die feindliche Artillerie
fand keine lohnenden Ziele und streute, offenbar unsicher
dadurch gemacht, planlos über das ganze Angriffsfeld ihre
Schrapnells. Als aber Becelaere genommen war, kurz vor
Eintritt der Dunkelheit, begann ein vernichtender Geschoß-
regen aller Kaliber gegen den enggebauten Ort, der bald
in Flammen aufging. Die Schützenlinien beider Regimenter
arbeiteten sich bis auf die Höhen westlich des Ortes vor.
Dort kam der Angriff gegen die fast unsichtbaren englischen
Schützengräben, die etwa auf 4—500 Meter kranzförmig
den Ort umgaben, zum Stehen. Die Verluste wuchsen rasch,
der brennende Ort im Hintergrunde beleuchtete die Ziele
für die feindliche Artillerie. Die jungen Truppen, deren
Führer rasch zusammenschmolzen, hielten tapfer aus. Es
bam zu einem hin= und herwogenden Nahkampf mit zahl-
reichen Vorstößen gegen die Engländer, welche die kleine
deutsche Macht linko zu umfassen und abzuschneiden suchten,
während ein schweres Sperrfeuer ihr alle Verbindungen
nach rückwärts abschnitt. Dabei hat der tapfere Komman=
deur des I. Bataillons Reserve-Infanterieregiments 245,
Oberstleutnant Häser, zum ersten Male, den Seinen voran-
stürmend, das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“
angestimmt, das in den vernichtenden Kämpfen der nächsten
Tage das Kampflied des jungbegeisterten Leipziger Regi-
ments und der Todessang so vieler Helden werden sollte.
Selbst der Feind bewunderte die Todesverachtung unserer
jungen Krieger, welche sich trotz der erdrückenden Uberlegen-
beit der englisch-französischen Artillerie über die unfrige
immer von neuem wieder zum Vorstürmen gegen die Uber-
zahl aufrafften. Sie haben damit dem Feinde den Mut ge-
nommen, seinerseits über die Resie der Tapferen herzu-
fallen und den Durchbruch zu wagen.
Oberstleutnant Häser fiel schon bald an der Spitze des
stürmenden Regiments, nachdem der bisherige Kommandeur
desselben, Oberst Baumgarten-Crusius, schwer verwundet,
und der ritterliche Brigadebommandeur, der württember=
gische Generalleutnant v. Reinhard in der Kampflinie des Rc-
serve-Infanterieregiments 245 tödlich getroffen worden war.
Hermann Stegemann hat in seiner schnell berühmt ge-
wordenen „Geschichte des Krieges“ dem tapferen Leipziger
Regiment Nr. 245, das ich die Ehre gehabt habe aufzusiellen
und ins Feuer zu führen, ein herrliches Denbmal mit fol-
genden Worten gesetzt:
„Nordwestlich von Becelaere, wo sich Haigs Flügeldivi-
sionen an d'llrbals rechte Schulter lehnte, war der Kampf