Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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blutiger, als Worte sagen. Aus ihren überhöhenden Stel- 
lungen überschütteten die Briten die Sturmgräben des 
XXVII. Reservekorps an der Halde von Becelaere mit 
Kreuzfeuer. Da stieg aus diesen verschlammten, zerfallenen 
Gräben das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ 
und als das Spitzenregiment 247 sich aus seinen Gräben 
erhob und Hunderte sanken, ehe sie sich auf die Böschung 
schwingen konnten, als der Graben sich mit Toten und Ver- 
wundeten füllte, da ging das Lied mit den Uberlebenden 
zum Sturm und warf den Feind auch hier aus seinen 
ersten Linien. Doch vor Hooge und Westhoek erstarb auch 
das Lied, die tiefgestaffelte Stellung war nicht im Sturm 
zu nehmen und wiberstand. 
Die allgemeine Handlung hatte den Gipfelpunkt überschrit- 
ten und begann vor der eingeengten Haupt'#iellung zuerstarren. 
Die Vaterlandslieder, mit denen die Freiwilligenregimen- 
ter gegen die feuerspeienden Bastionen von Langemark, 
Birschote und Dirmuiden marschiert waren, verhallten als 
Geistergesang Jung-Deutschlands über den toten Gewäs- 
sern der flandreschen Ebene.“ (Stegemann, Bd. II, S. 148.) 
Während die s4. Reservedivision am 20. Oktober einen 
schweren Kampf durch den Sturm auf Becelaere zu be- 
stehen hatte, brachten die kommenden Tage für die 83. Rc- 
servedivision andauernde Kämpfe schwerster Art. Die Regi- 
menter dieser Division arbeiteten sich durch den stark be- 
setzten Hollebosch nördlich Becelaere und den Wald östlich 
In de Ster hindurch. (Skizze 27). In dem unübersichtlichen 
Waldgelände, in dem zahlreiche zerschosene Gehöfte lagen, 
verteidigten sich die Engländer äußerst zäh und fanden in 
dem dichten Unterholz immer wieder Gelegenheit, sich erneut 
festzusetzen und nmit rerheerendem Flankenfeuer unsere Trup- 
pen zu fassen. Am 24. Obktober erreichte die Division 
mit der Brigade Bierling Reutel und den Westrand von 
Nordwesthoek. An diesem Tage machte das Reserve-Infan- 
terieregiment 244 19 Offiziere und Sso Mann englischer 
Kerntruppen zu Gefangenen. 
Alle diese Gefechte wurden von dem Divisionskomman-= 
deur, Gencralleutnant v. Watzdorf, mit Unterstützung seines 
vortrefflichen, ruhigen und kaltblütigen Generalstabsoffi- 
ziers, des Majors Aster, von Becelaere aus geleitet. 
Die Kämpfe des XXVII. Reservekorps belden vem 20. Ok- 
tober bis in den Dezember hinein eine selbst bei Nacht nicht 
unterbrochene Reihe von Nahkämpfen, in denen unsere 
schwachen Truppenkörper bis auf kleine Reste zusammen- 
schmolzen, während der Gegner unablässig seine zahlreichen 
Kampftruppen ablösen und mit allem versorgen konn#e, was 
den unsrigen versagt bleiben mußte. 
Im Ositen hatte zu dieser Zeit die große „Dampfwalze“ 
der Russen begonnen. Ein Heeresaufgebot von 45 Armee- 
korps mit zahlreichen Reservedivisionen, wohl mindestens 
2 ½ Millionen Menschen, setzte sich gegen Preußisch= und 
Osterreichisch-Schlesien in Bewegung. Auch auf den übrigen 
Fronten bam die feindliche Aberzahl um diese Zeit zur Höchst- 
wirkung. Aber wie in den Karpathen, in Polen und an 
den Masurischen Seen, so hielten in den sumpfigen, größten- 
teils voll Wasser gelaufenen Kampfgräben in Flandern 
unsere Helden wacker stand. 
Das Kampfgebiet des XXVII. Reservekorps für länger als 
ein Jahr, die wesiflandrische Ebene, ist von flachen Er- 
hebungen und Mulden durchsetzt und mit zahlreichen Häuser- 
gruppen und Einzelhöfen, Waldstücken und Hecken dicht 
bedeckt. Die Unübersichtlichkeit und geringe Gangbarkeit 
des Geländes hindern Einheit in Führung und Bewegung. 
Kirchtürme, Windmühlen und einzelne Kuppen waren vom 
Gegner für ein wohldurchdachtes Nachrichtennetz dienstbar 
gemacht. Die Bevölberung, soweit sie nicht sinnlos uns 
mit der Waffe gegenübertrat, spielte doppeltes Spiel, alles 
Gründe, die dem zähen, tapferen Feinde ermöglichten, das 
an sich ungünstige Gelände jahrelang zu halten. 
  
Bei der 53. Reservedivision bildete das Erreichen des 
Straßenzugo zwischen Broodseinde und Becelaere Aufgabe 
und Gefechtsziel der ersten Kampfwochen. Hier hielt sich 
der Feind noch östlich der Straße, völlig unsichtbar in 
ausgedehnten Waldstücken hinter geschickt angelegten Draht- 
hindernissen eingenistet, durch zah-reiche Masch. nSngewehre auf 
Bäumen, durch ein gut bedientes Nachrichtennetz und durch 
seine weit überlegene Artillerie unterstützt, die mit ihren 
schweren Kalibern bis in die wenigen Ortlichkeiten hinter 
der Front mühelos reichte und die Versorgung der deutschen 
Kampflinie sehr empfindlich erschwerte. 
Trotzdem gelang es unseren wenigen schweren Batterien, 
der eigenen Infanterie nach und nach den Weg bis an die 
große Straße zu bahnen. 
Im Laufe des 25. Oktober unternahmen die Franzosen 
aus Zonnebeke heraus wütende Angriffe gegen den rechten 
Flügel der Brigade v. Criegern, der ohne Anschlußtruppen 
auf den Höhen von Broodseinde stand. 
Gegen Mittag sah sich der Brigadekommandeur gezwun- 
gen, der Umfassung der ungeschützten Flanke durch Zurück- 
biegen seines rechten Flügels bis in die Gegend zwischen 
Broodseinde und Keiberg-Molen vorzubeugen. Dadurch 
wurde der Anschluß an die nördlich angrenzende 52. Re- 
servedioision erreicht. 
Tags darauf trafen drei Komragnien des Landwehr-In- 
fanterie-Regiments 77 ein, die allerdings nur eine schwache 
Verstärkung der Dioision darstellten. 
Für die zahlreichen Abgänge an gefallenen und verwun- 
deten Offizieren traf schon am 26. Oktober Ersatz, wenig- 
stens für die Führerstellen, ein. Tags darauf übernahm 
für den erkrankten General der Infanterie v. Carlowitz, 
der das Armeekorpo unter den erschwerendsten Umständen 
in kurzer Vorbereitungszeit zu einem zuverlässigen Schlacht- 
körper herangebildet hatte, der General der Artillerie von 
Schubert das XXVII. Reservekorps. General der Infan- 
terie v. Carlowitz hat nach seiner Wiederherstellung dann 
auf dem östlichen Kriegsschauplatz das preußische III. Re- 
servekorps, vom August 1917 ab das sächsische XIX. 
Armeekorps und zuletzt eine Armee auf dem Westkriegsschau- 
platz bis zum Kriegsende befehligt. 
Die 54. Reservedivision hatte sich nach der Einnahme 
von Becelaere allmählich weiter vorgearbeitet. Ihr rechter 
Flügel stürmte zusammen mit Teilen der 53. Reserve- 
division Reutel, die Mitte der "4. Reservedivision schob 
sich bis Poezelhoek vor und ihr linker Flügel gewann im 
Verein mit der 3. Kavalleriedivision Kruiseik. Dort kämpfte 
im Rahmen der s4. Reservedivision außer deren sächsischen 
Truppen auch noch das sächsische Reserve-Infanterieregi- 
ment 242, das zunächst als Korpereserve eingeteilt und 
bald darauf im RNahmen der §4. Reservedivision eingesetzt 
worden war. 
Am 29. Oktober griff die 54. Reservedivision mit ihrem 
linken Flügel, mit der Gruppe v. Bendler, erfolgreich den 
Feind beim Wegekreuz westlich von Vieur Chien an, dabei 
focht auch III. Bataillon Reserve-Infanterieregiments 242. 
Am 30. Oktober griff die ganze vierte Armee nochmals 
den Feind an, um endlich die Entscheidung hier herbei- 
zuführen. Links vom XXVII. Reservekorps griffen gleich- 
zeitig mit diesem die seit Kriegsbeginn kampfbewährten 
Armeekorpo XV., XIII. und II. bayerisches Armeekorps unter 
dem General der Infanterie v. Fabeck an. Di: 3. Re- 
servedivision ging daben mit verstärktem rechten Flügel (Bri- 
gade v. Criegern) gegen das mächtige Waldstück östlich 
der großen Straße vor, den sogenannten Calvairewald, 
der in die Stellung der §3. Reservedivision keilförmig 
einsprang. Ihre Schützen gruben sich dicht vor dem Walde 
ein. Aber noch mehrere Tage dauerte hier der Kampf auf 
nächster Nähe an. Bis 3. November arbeitete sich die §3. Re- 
servedivision mit der Infanterie bis an den Straßenteil
	        
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