der Front geschaffen. Zahlreiche Betriebe wurden ein-
gerichtet, Tischlereien, Säge= und Eisenwerke, Geräte--
parks usw. Das Generalkommando baute diese Schöpfungen
der Divisionen sachgemäß aus.
Ein Korps-Pioniergerätepark wurde in Le Corbeau, nord-
westlich von Llle (Skizze 14) eingerichtet, dem die An-
sammlung alles verwendbaren Materials oblag. Der Er-
folg war schnell und groß. Zur weiteren Beschaffung
von Material wurden zahlreiche Großbetriebe — 9 Säge-
werke, Großtischlereien, 4 Eisenwerke, 1 Nagelfabrik, Sand-
sack= und Hürdenfabriken, Betondepots usw. — ausgebaut
bezw. neu eingerichtet. Elektrische Anlagen wurden im
weitesten Umfang geschaffen, z. B. die gesamte Front
mit elektrischer Kraft versorgt. Für die Materialbeförde-
rung wurden Förderbahnen und auf den Kanälen Treidel-
betriebe geschaffen. Die Straßen wurden in besten Stand
gesetzt und das ganze besetzte Land, seit ältester Zeit eine
Heimstätte des Typhus, in scharfe sanitäre Uberwachung,
insbesondere rücksichtlich des Trinkwassers, genommen.
Das Frühjahr 1915 sollte das XIX. Armeekorps wohl
vorbereitet finden zu neuem Ringen mit dem Feind, der
voraussichtlich alle Kraft daran setzen würde, sein wich-
tigstes Wirtschaftsgebiet zurückzuerobern.
Der Feind war über den Zustand der deutschen Ver-
teidigungsstellungen allenthalben wohl unterrichtet. Für ihn
war der kürzeste Weg zum ziel zweifellos der Durchbruch
direkt westlich von Lille, also auf der Sachsenfront. So
ist es wohl lediglich dem starken Ausbau der Sachsen-
stellung und der steten Bereitschaft ihrer Verteidiger zu
danken, daß der Feind einen Angriff hier im ganzen
Verlauf der folgenden Jahre nicht gewagt hat.
Das XII. Reservekorps in der Champagne
Wir haben das XII. Reservekorps bei seiner Ankunft
in der Nähe von Aubérive in der Champagne verlassen.
Demselben fiel die Verteidigung des ganzen bioeherigen
Abschnittes der dritten Armee nach dem Abmarsch des
XII. Armeekorps und XIX. Armeekorps zu.
Vom 14. September 1914 ab tasteten sich die Fran-
zosen vorsichtig an die Stellungen des XlII. Reservekorps
heran. Sie wurden dabei begünstigt durch die gegen Sicht
deckenden Waldstücke bei Prosnes. Ihre Angriffe richteten
sich zunächst hauptsächlich gegen das linke Drittel des Ab-
schnittes der 23. Reservedivision. Hier stand die 47. Land-
wehrbrigade (Landwehrregimenter 104 und 106), unter Ge-
neralleutnant Graf Vitzthum. Ihre Geschichte wird zu-
sammenhängend im folgenden Abschnitt dargestellt werden.
Die französischen Angriffe verstärkten sich allmählich zu
einem starken Durchbruchsversuch. Tag und Nacht erfolgte
Ansiurm auf Ansturm. Hierbei erhielt die 47. Landwehr-
brigade Gelegenheit, sich in immer wachsender Ausdauer
in dem Schützengrabenkampf, für den zunächst noch jede
Vorschulung bei den braven Wehrleuten fehlte, zu be-
tätigen.
Die Angriffe des Gegners gingen allmählich in eine
gewaltige Artilleriebeschießung über. Die feindliche In-
fanterie grub sich 3—600 Meter von der sächsischen Front
entfernt ihrerseits ein. Gegen die neue französische Stel-
lung ging das Xll. Reservekorps am 18. September
mittago auf Befehl der dritten Armee zum Angriff über,
um den Gegner, den man im Abzug wähnte, fesizuhalten.
Ende September wurde auf Befehl der Obersten Heeres-
leitung auch in der Champagne der Versuch zur Wieder=
aufnahme der deutschen Offensive gemacht. Ihm fehlten
aber die Voraussetzungen dazu, die nötige Munition und die
genügende Truppenstärke. So mußte er scheitern.
150
Im Nahmen dieser großen Angriffshandlung steigerte
sich am 26. September der Teilangriff des Xll. Reserve-
korpo zu einem Vorgehen der gesamten dritten Armee
auf deren ganzen Frontbreite. Ebenso sollten die Nachbar-
armeen an diesem Tage vorgehen. Sehr klares Herbst-
wetter begünstigte die Wirkung der inzwischen immer mehr
vermehrten französischen Artillerie.
Die 24. Reservedivision gewann wacker Boden nach vor-
wärts. In der folgenden Nacht drangen Reservejäger 13
und Teile von Reserve-Infanteric-Regiment l06 in die
feindlichen Schützengräben ein und machten 1 Hauptmann
und 40 Mann zu Gefangenen.
Der Feind erwies sich stärker, als angenommen war.
Deöhalb verzichtete das Oberkommando der dritten Armee
auf eine Weiterführung der großen Angriffsbewegung.
Nur die 23. Neservedivision machte am 27. September
* Uhr vormittags noch einen schneidig durchgeführten An-
griff auf Proones, der trotz heftigsten französischen Ar-
tilleriefeuers erfolgreich verlief und die Kampfüberlegen-
heit der deutschen Infanterie voll erwies. Erst in der
Nacht rückten die tapferen Truppen in ihre alten Stel-
lungen zurück.
Dieser Beweis ungebrochener sächsischer Kampfeölust
hatte zwar einen Verlust von 81 Offizieren und 3280 Mann
gekostet, aber er hatte den Franzosen auf lange Zeit die
Lust benommen, in dem Bereich des XII. Reservekorps
einen neuen Angriff zu wagen.
Die sächsische Stellung wurde nun immer stärker aus-
gebaut, alle Truppenteile arbeiteten unverdrossen an ihren
Schüctzengräben trotz der mehrfach notwendig werdenden
Verschiebungen, welche den Lohn der Arbeit oft der eigenen
Truppe entzogen.
In der Folge gebe ich die Hauptgeschehnisse bei dem
XII. Reservekorps nach ihrer Zeitfolge wieder, wie sie die
Truppentagebücher verzeichnen. Ich kann nur, wie schon
im Vorwort, auch hier betonen, daß die Aufzeichnungen
meines Buches nur die geschichtlichen Unterlagen für weitere
Feldzugsdarstellungen bieten sollen.
Die Franzosen brachten bereits Ende September neue
schwere Haubitzen (Rimailho) und 9,o cm-Kanonen mit
großer Schußweite in Stellung und begannen mit Erfolg
alle Ortschaften hinter der sächsischen Front, welche als
Unterkunft für die schlechte Jahreszeit in Betracht kamen,
zusammenzuschießen.
Dem gegenüber wurden die in Givet von der 24. Ne-
servedivision eroberten französischen 122 mm-Kanonen
sächsischerseits eingebaut und mit Erfolg auf die von den
Franzosen besetzten Ortschaften gerichtet. St.-Hilaire le
Grand geriet alsbald in Brand.
Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß die
in ihrer Wirkung sehr überschätzten französischen 158 mm-
Nimailho-Haubitzen — Im Anfange des Feldzuges war
das Wort „Rimailho-Haubitze“ zu einem Schlagwort ge-
worden und jedes wirksame Feuer von 10 em Kaliber
und darüber wurde als Rimailho-Haubitzfeuer bezeichnet
— tatsächlich nur eine Schußweite von 6000 Meter hatten.
Am 21. Oktober besuchte Se. Majestät der König zum
ersten Male dat Xll. Reservekorps in Moronvilliers, Don-
trien und St. Souplet.
Von Ende Oktober ab vermehrte sich die Zahl der
feindlichen Flieger und wuchs ihre Tätigkeit. Neue fran-
zösische Truppen, dabei insbesondere Turkos, ersehienen
vor der sächsisechen Front. Trotz der rauhen Herbsiwitterung
waren die Franzosen in den nassen Schützengräben mancher-
orts nur mit weißen Drillichhosen bekleidet. Nach Tagen
fleißigen Schanzens hallte am 11. November von den
französischen Schützengräben übermütiger Sang herüber.
Man feierte drüben den gar, der amtlicher Verkündigung
zufolge in Berlin eingezogen war. Der Uberläufer, der