Aus der Tätigkeit des Königlich Sächsischen Kriegs-
*r
ministeriums während des Weltkrieges
Von Peter von Gebhardt
Die folgenden Seiten sollen in knappester Form nur
einen Uberblick über die ernste, verantwortungereiche Tätig-
keit einer der wichtigsten Behörden aus Deutschlands größter
und schwerster Zeit geben und einen Einblick in die Mannig-
faltigkeit seiner Arbeit gewähren.
Bei der Aufzählung des zu Tuenden und Getanen wurde
der Gliederung des Ministeriums in Abteilungen gefolgt.
Die Abteilung 1 (Allgemeine Armeeabteilung)
war zu Beginn des Krieges in vier Sektionen gegliedert.
Mit Ausspruch der Mobilmachung gingen die Geschäfte
des Kgl. Sächs. Generalstabes (Zentralabteilung) und der
Inspektion des Maschinengewehrwesens auf die Abteilung l
über. Die Obliegenheiten der Sektion B: Beschaffung und
Bereitstellung von Waffen, Munition und Heereögerät als
Ersatz für die Feldtruppen und zur Ausrüstung für Neu-
formationen nahmen in ungeahnter Weise schon während
der ersten Kriegsjahre zu; die dem Kriegsministerium unter-
siellten technischen Institute und Artilleriedepots mußten
wesentlich erweitert werden. Neue Aufgaben erwuchsen der
Sektion ferner in der Neueinrichtung von Fliegerstationen,
Erweiterung des Luftschiffbafens, der Verwaltung der
Kriegsbeute, der Bildung einer Kriegs-Rohstoffabteilung
und einer Aus= und Durchfuhrstelle, sowie der Versorgung
der sächsischen Landeoindustrie mit Heeresaufträgen. Vom
1. Oktober lg16 ab wurde dechalb die Sektion 1 B für
die Dauer des Krieges in eine selbständige Abteilung
VI) unter einem eigenen Abteilungochef und der Bezeich-
nung „Waffen= und Industrieabteilung“ von der Allge-
meinen Armeeabteilung getrennt.
Chef der Abteilung I war vom 2. August 1914 bis
9. September 1914 Oberstleutnant Reichardt; dann bis zu
seinem am 6. März 1916 erfolgten Ableben Major Hoepner;
von da an Oberst (später Generalmajor) von Koppenfels.
Nach Ausspruch der Mobilmachung gehörte die Auf-
stellung von Kriegsformationen zu den wichtig-
sien Aufgaben der Abteilung I. Die folgenden Jahlen geben
am besten einen Begriff von den Anforderungen, die allein
an das sächsische Kontingent gestellt wurden. Es wurden
bei Eintritt derl
Mobilmachung!
prlanmäßig
während des
7n, davon wieder
Krieges neu:; aufgeköst
agaufgestell# aufgestellt
Infanterie. 212 1600 33
Mas.-Gew. 32 201 93
Kavallere 62 18 20
Feldartilleric 175 308 115
Fußartillerie 75 182 35
Pionire 36 187 76
Luftstreitkräfto 7 160 23
Nachrichtentruppen 10 466 200
Kraftfahrtruppen. — 40 —
Train . . . . .1 95 269 135
Etappentruppen 68 202 64
Sonstig 300 402 240
insgesamt 1161 2784 1049
Man ersieht aus diesen Zahlen nicht nur, daß die Infan—
terie die Truppe war, die der Mobilmachungsplan für
Sachsen in großer Zeit. Band II
die wichtigste Kampftruppe hielt, sondern auch, einer wie
gewaltigen Vermehrung der in früheren Kriegen noch nicht
erprobten Waffengattungen es bedurft hat.
Die unvorhergesehenen großen Offiziers verluste in den
ersten Kriegsmonaten machten besondere Maßnahmen nötig.
Der Ersatz mußte einheitlich ausgebildet werden, was in
Lehrkursen, die für alle Waffengattungen auf den Truppen-
übungsplätzen statifanden, geschah.
Der Mannschaftoersatz für das Feld bereitete im
allgemeinen in den ersten Kriegsjahren keine Schwierig-
keiten. Eine wichtige Aufgabe bestand darin, aus den säch-
sischen Formationen, deren längeres Verbleiben an der
Ostfront feststand, die Mannschaften herauszuziehen, die
für den Westenersatz brauchbar waren.
Auf die Aushebung von Pferden wurde im Inter-
esse der Landwirtschaft möglichst verzichtet. Einen wie hohen
Wert für den Landwirt seine Pferde mit der Dauer des
Krieges erlangten, ist daraus zu ersehen, daß der Zuschlag
zu den Friedenspreisen bis auf 125 vom Hundert erhöht
werden mußte, so daß zu Ende des Jahres 1917 der Höchsi-
preis für ein Pferd 4500 Mark betrug.
Die Truppenausbildung und die militärische
Erziehung der für den Nachersatz in Frage kommenden
IJugend stellte dem Kriegoministerium kaum geahnte Auf-
gaben. Für die Auobildung bei den Ersatztruppenteilen war
als Grundsaß maßgebend die gründliche Einzelausbildung
des Mannes und vor allem die Festigung der Dissziplin,
während die eigentliche feldmäßige Ausbildung den Feld-
rekrutendepots überlassen wurde. Die Befolgung dieses
Grundsatzes konnte nur dadurch gewährleistet werden, daß
auf das Vorhandensein und die ständige Neuausbildung von
Ausbildungspersonal die größte Sorgfalt verwandt wurde.
Das Weiterbestehen des Kadettenkorps zu Dresden,
der Ausbau der Unteroffiziervorschule und der
Unteroffiziersehule, die Einrichtung einer Militär-
vorbereitungsanstalt, zu der sich mehr sechzehn= bis
siebzehnjährige Leute meldeten, als aufgenommen werden
konnten, waren die Masnahmen, die ständig im Auge be-
halten werden mußten. Aber nicht genug damit. Je länger
der Krieg dauerte, je mehr jüngere und ältere Jahresklassen
eingezogen werden mußten, um so mehr Wert musßte auf die
körperliche Ertüchtigung der heranwachsenden
Iugend das Augenmerk gerichtet werden 1).
Für Gesuche um Zurückstellung und Zurücknahme
aus der Front war das Kriegsminisierium sehr häufig
begutachtende und befürwortende Durchgangsstelle. Die
Gründe für solche Gesuche waren meist familiärer oder
persönlicher Art: einzige Söhne sollten der Familie erhalten
werden; kinderreichen Familien sollten die Vüter wieder-
gegeben werden; ältere Landsturmleute sollten aus der
Kampftruppe in die Etappe oder zum Besaßzungsbeer versetzt
werden, wo sie eine ihren körperlichen Fähigkeiten ent-
sprechendere Verwendung finden konnten; Familien, aus
denen schon mehrere Söhne gefallen waren (Blutopfer),
sollten die überlebenden erbalten werden, u. a. m. Die
Entscheidung über diese Gesuche lag siets bei der Feld-
truppe selbst, die sie nach Prüfung der Berechtigung und
in Hinblick auf die Ersatzlage traf.
1) Vergleiche den hier einschlagenden Aufsatz im gleichen Bande.
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