Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Die wirtschaftlichen Aufgaben des stellvertretenden General- 
kommandos des XIX. 
1. Einleitung 
Durch den Weltkrieg, der sich rasch zum Wirtschafts- 
krieg entwickelte, wurden wir aus der Weltwirtschaft, mit 
der wir durch tausend Fäden verbunden waren, jäh her- 
ausgerissen und gezwungen, im wesentlichen mit dem aus- 
zukommen, was unser verhältnismäßig karger Boden her- 
gab. Damit wurden wir vor neuartige Aufgaben gestellt, 
bei deren Lösung wir uns nicht an Vorbilder anlehnen konn-- 
ten, weil die Erfahrungen, die man in früheren Kriegen, 
z. B. in dem belagerten Paris 1870/71 gemacht hatte, 
wieder verloren gegangen waren. Wohl waren eine Menge 
wirtschaftlicher Maßnahmen vorgesehen, wohl wurden mit 
Kriegsausbruch zahlreiche Befugnisse, die sich auf wirt- 
schaftliche Verhältnisse bezogen, in die Hände des Militär- 
befehlohabers gelegt, aber es fehlte eine systematische Mobil- 
machung, die jeden auf seinen Posten gestellt hätte, wo er 
parallel zum Dienst mit der Waffe für die Allgemein- 
heit hätte wirtschaftlich tätig sein müssen. Zunächst wurden 
die Schwierigkeiten durch die überraschende Anpassungs= 
fähigkeit der wirtschaftlichen Faktoren aus sich heraus über- 
wunden. Aber mit der zunehmenden Dauer des Krieges er- 
wiesen sich organisatorische Maßnahmen mehr und mehr 
als notwendig. In verhältnismäßig kurzer Zeit haben sich 
die behördlichen Regelungen schließlich auf alle Zweige der 
Volkswirtschaft erstreckt; schon vor dem Ende des zweiten 
Kriegsjahres war ein umfangreicher Apparat der Kriegs- 
wirtschaft organisiert. Einen besonders hervorragenden An- 
teil an der Schöpfung und Durchführung wirtschaftlicher 
Maßnahmen haben die stellvertretenden Generalkommandos 
gehabt, die je nach Bevölkerung und Ortlichkeit zu den ver- 
schiedensten Mitteln griffen. Wie sich beim stellvertreten- 
den Generalkommando des XIX. Armeekorps die wirtschaft- 
liche Organisation im Laufe des Krieges aus kleinen Anfängen 
heraus entwickelte und worin die Tätigkeit der einzelnen 
Dienststellen bestand, soll die folgende Darstellung kurz 
zeigen. 
2. Entwicklung der militärisch-kriegswirtschaftlichen 
Organisation beim stellv. Generalkommando des 
XIX. A.K. 
Zu Anfang des Krieges setzte sich das stellvertretende 
Generalkommando XIX. Armeekorps aus folgenden Abtei- 
lungen zusammen: 
I2 Ersatzgestellung. Ausbildung der Truppen. 
Ib Bewaffnung, Geräte. 
IIa Offiziere. 
IIb Garnisondienst. 
I Invaliden= und Rentenempfänger. 
III 
IIIb . Gerichtsdienst. 
IIIC 
IV Intendantur (Verwaltungsstelle). 
V Sanitätsdienst. 
VI Veterinärdienst. 
VII Geistlichkeit. 
Wie aus diesem Aufbau zu ersehen ist, war das stellvertre- 
tende Generalkommando in erster Linie auf die Durchfüh- 
rung der rein militärischen Kriegsorganisation zugeschnitten. 
Kriegswirtschaftliche Maßnahmen waren nur insoweit vor- 
gesehen, als sie notwendig waren, um die Bedürfnisse des 
Feldheeres zu decken. Bald jedoch machten sich auch Maß- 
nahmen für das Landesinnere erforderlich, die durch den 
von England begonnenen Wirtschaftsbrieg einerseits, durch 
G. S.) Armeekorps 
die zunehmende Knappheit an Arbeitskräften, Rohstoffen 
usw. andrerseits hervorgerufen wurden. Diese wirtschaft- 
liche Tätigkeit wurde von den bestehenden militärischen Ab- 
teilungen mit erledigt und verteilte sich wie folgt: 
Ib Aushebung von Wagen, Kraftwagen, Schlitten. 
Pferdeauohebung, ankauf,zeinfuhr, ausfuhr. Aus- 
leihung von Pferden an Landwirtschaft und In- 
dustrie. Abgabe kriegsunbrauchbarer Pferde an den 
Landeokulturrat und unmittelbarer Verkauf durch 
das stellvertretende Generalkommando. 
IIa Reklamationsgesuche für Offiziere und Offizierstell- 
vertreter im Interesse der Kriegswirtschaft. Jugend- 
organisation. 
IIb Mannschaftsgestellungen für wirtschaftliche Arbeiten. 
Entlassungen, Versetzungen im kriegswirtschaftlichen 
Interesse. 
III a Beschlagnahme von Guthaben feindlicher Ausländer. 
Zwangsverwaltung ausländischer Unternehmungen. 
Wucher (mit IV). Ausländische Arbeitskräfte. 
IIIb Jagd= und Fischereiverbot für Ausländer. 
III Alkoholverbot. 
IV. Heeresnäharbeiten. Heu= und Strohsicherstellung. 
ucher (mit IIIa). Fernhaltung unzuverlässiger 
Personen vom Handel. Ausführung von Heeres- 
aufträgen vor Privataufträgen. Hartfutterbeschaf- 
fung. Holzversorgung des Feldheeres. 
V it sins Kriegsbeschädigter in die Kriegswirt- 
chaft. 
Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen war jedoch an zwei 
Voraussetzungen gebunden, nämlich einmal hätte der Krieg 
in möglichst kurzer Frist beendet werden müssen und ferner 
hätte er nur mit rein militärisch-politischen, nicht aber 
mit wirtschaftlichen Gewaltmitteln geführt werden dürfen. 
Hätten diese Voraussetzungen zugetroffen, so würde die 
ganze Organisation genügt haben. Da sich jedoch weder 
die eine noch die andere erfüllte, konnte ein so verhältnio- 
mäßig beschränkter Umfang der kriegowirtschaftlichen Orga- 
nisation nicht den Anforderungen gerecht werden, die an 
sie gestellt wurden. Mit der immer größer werdenden Zahl 
unserer Feinde, mit der Länge des Krieges und der Über- 
fübrung des Konfliktes auf wirtschaftliches Gebiet machten 
sich immer neue wirtschaftliche Pläne, Mittel und Maß- 
nahmen notwendig. Infolgedessen wurden die einzelnen mi- 
litärischen Abteilungen in solchem Maße durch die zu erledi- 
genden wirtschaftlichen Geschäfte überlastet, daß die kriegs- 
wirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr als Nebenarbeit in den 
bestehenden Abteilungen erledigt werden konnte, sondern 
sesht das Arbeitsgebiet besonderer Abteilungen werden 
mußte. 
Entstehung der Abteilung lc. 
Aus solchen Gesichtspunkten heraus entstand zunächst im 
September 1914 aus la die Abteilung le. Da la, ent- 
sprechend der Organisation des aktiven Generalkommandos, 
alle Fragen der Truppenergänzung zu erledigen hatte, ge- 
hörte zu diesen Geschäften die Einberufung der Mannschaf- 
ten, ferner ihre Zurückstellung und das Kriegsgefangenen- 
wesen, insofern Kriegögefangene alo Ersatz für eingezogene 
Wehrpflichtige verwandt werden konnten. Bald nach den 
ersten Schlachten wurde die Frage der Unterbringung von 
Kriegsgefangenen brennend, andrerseits brachte die erhöhte 
Neubildung von Truppenkörpern eine Flut von Zurückstel- 
lungsgesuchen. Je mehr die sächsische Industrie mit Heeres- 
aufträgen berücksichtigt wurde, um so mehr-schwoll die Zahl
	        
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