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Die wirtschaftlichen Aufgaben des stellvertretenden General-
kommandos des XIX.
1. Einleitung
Durch den Weltkrieg, der sich rasch zum Wirtschafts-
krieg entwickelte, wurden wir aus der Weltwirtschaft, mit
der wir durch tausend Fäden verbunden waren, jäh her-
ausgerissen und gezwungen, im wesentlichen mit dem aus-
zukommen, was unser verhältnismäßig karger Boden her-
gab. Damit wurden wir vor neuartige Aufgaben gestellt,
bei deren Lösung wir uns nicht an Vorbilder anlehnen konn--
ten, weil die Erfahrungen, die man in früheren Kriegen,
z. B. in dem belagerten Paris 1870/71 gemacht hatte,
wieder verloren gegangen waren. Wohl waren eine Menge
wirtschaftlicher Maßnahmen vorgesehen, wohl wurden mit
Kriegsausbruch zahlreiche Befugnisse, die sich auf wirt-
schaftliche Verhältnisse bezogen, in die Hände des Militär-
befehlohabers gelegt, aber es fehlte eine systematische Mobil-
machung, die jeden auf seinen Posten gestellt hätte, wo er
parallel zum Dienst mit der Waffe für die Allgemein-
heit hätte wirtschaftlich tätig sein müssen. Zunächst wurden
die Schwierigkeiten durch die überraschende Anpassungs=
fähigkeit der wirtschaftlichen Faktoren aus sich heraus über-
wunden. Aber mit der zunehmenden Dauer des Krieges er-
wiesen sich organisatorische Maßnahmen mehr und mehr
als notwendig. In verhältnismäßig kurzer Zeit haben sich
die behördlichen Regelungen schließlich auf alle Zweige der
Volkswirtschaft erstreckt; schon vor dem Ende des zweiten
Kriegsjahres war ein umfangreicher Apparat der Kriegs-
wirtschaft organisiert. Einen besonders hervorragenden An-
teil an der Schöpfung und Durchführung wirtschaftlicher
Maßnahmen haben die stellvertretenden Generalkommandos
gehabt, die je nach Bevölkerung und Ortlichkeit zu den ver-
schiedensten Mitteln griffen. Wie sich beim stellvertreten-
den Generalkommando des XIX. Armeekorps die wirtschaft-
liche Organisation im Laufe des Krieges aus kleinen Anfängen
heraus entwickelte und worin die Tätigkeit der einzelnen
Dienststellen bestand, soll die folgende Darstellung kurz
zeigen.
2. Entwicklung der militärisch-kriegswirtschaftlichen
Organisation beim stellv. Generalkommando des
XIX. A.K.
Zu Anfang des Krieges setzte sich das stellvertretende
Generalkommando XIX. Armeekorps aus folgenden Abtei-
lungen zusammen:
I2 Ersatzgestellung. Ausbildung der Truppen.
Ib Bewaffnung, Geräte.
IIa Offiziere.
IIb Garnisondienst.
I Invaliden= und Rentenempfänger.
III
IIIb . Gerichtsdienst.
IIIC
IV Intendantur (Verwaltungsstelle).
V Sanitätsdienst.
VI Veterinärdienst.
VII Geistlichkeit.
Wie aus diesem Aufbau zu ersehen ist, war das stellvertre-
tende Generalkommando in erster Linie auf die Durchfüh-
rung der rein militärischen Kriegsorganisation zugeschnitten.
Kriegswirtschaftliche Maßnahmen waren nur insoweit vor-
gesehen, als sie notwendig waren, um die Bedürfnisse des
Feldheeres zu decken. Bald jedoch machten sich auch Maß-
nahmen für das Landesinnere erforderlich, die durch den
von England begonnenen Wirtschaftsbrieg einerseits, durch
G. S.) Armeekorps
die zunehmende Knappheit an Arbeitskräften, Rohstoffen
usw. andrerseits hervorgerufen wurden. Diese wirtschaft-
liche Tätigkeit wurde von den bestehenden militärischen Ab-
teilungen mit erledigt und verteilte sich wie folgt:
Ib Aushebung von Wagen, Kraftwagen, Schlitten.
Pferdeauohebung, ankauf,zeinfuhr, ausfuhr. Aus-
leihung von Pferden an Landwirtschaft und In-
dustrie. Abgabe kriegsunbrauchbarer Pferde an den
Landeokulturrat und unmittelbarer Verkauf durch
das stellvertretende Generalkommando.
IIa Reklamationsgesuche für Offiziere und Offizierstell-
vertreter im Interesse der Kriegswirtschaft. Jugend-
organisation.
IIb Mannschaftsgestellungen für wirtschaftliche Arbeiten.
Entlassungen, Versetzungen im kriegswirtschaftlichen
Interesse.
III a Beschlagnahme von Guthaben feindlicher Ausländer.
Zwangsverwaltung ausländischer Unternehmungen.
Wucher (mit IV). Ausländische Arbeitskräfte.
IIIb Jagd= und Fischereiverbot für Ausländer.
III Alkoholverbot.
IV. Heeresnäharbeiten. Heu= und Strohsicherstellung.
ucher (mit IIIa). Fernhaltung unzuverlässiger
Personen vom Handel. Ausführung von Heeres-
aufträgen vor Privataufträgen. Hartfutterbeschaf-
fung. Holzversorgung des Feldheeres.
V it sins Kriegsbeschädigter in die Kriegswirt-
chaft.
Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen war jedoch an zwei
Voraussetzungen gebunden, nämlich einmal hätte der Krieg
in möglichst kurzer Frist beendet werden müssen und ferner
hätte er nur mit rein militärisch-politischen, nicht aber
mit wirtschaftlichen Gewaltmitteln geführt werden dürfen.
Hätten diese Voraussetzungen zugetroffen, so würde die
ganze Organisation genügt haben. Da sich jedoch weder
die eine noch die andere erfüllte, konnte ein so verhältnio-
mäßig beschränkter Umfang der kriegowirtschaftlichen Orga-
nisation nicht den Anforderungen gerecht werden, die an
sie gestellt wurden. Mit der immer größer werdenden Zahl
unserer Feinde, mit der Länge des Krieges und der Über-
fübrung des Konfliktes auf wirtschaftliches Gebiet machten
sich immer neue wirtschaftliche Pläne, Mittel und Maß-
nahmen notwendig. Infolgedessen wurden die einzelnen mi-
litärischen Abteilungen in solchem Maße durch die zu erledi-
genden wirtschaftlichen Geschäfte überlastet, daß die kriegs-
wirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr als Nebenarbeit in den
bestehenden Abteilungen erledigt werden konnte, sondern
sesht das Arbeitsgebiet besonderer Abteilungen werden
mußte.
Entstehung der Abteilung lc.
Aus solchen Gesichtspunkten heraus entstand zunächst im
September 1914 aus la die Abteilung le. Da la, ent-
sprechend der Organisation des aktiven Generalkommandos,
alle Fragen der Truppenergänzung zu erledigen hatte, ge-
hörte zu diesen Geschäften die Einberufung der Mannschaf-
ten, ferner ihre Zurückstellung und das Kriegsgefangenen-
wesen, insofern Kriegögefangene alo Ersatz für eingezogene
Wehrpflichtige verwandt werden konnten. Bald nach den
ersten Schlachten wurde die Frage der Unterbringung von
Kriegsgefangenen brennend, andrerseits brachte die erhöhte
Neubildung von Truppenkörpern eine Flut von Zurückstel-
lungsgesuchen. Je mehr die sächsische Industrie mit Heeres-
aufträgen berücksichtigt wurde, um so mehr-schwoll die Zahl