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Feld gerückt waren, wurden die Ubungen eingestellt. 1917
wurde die Einrichtung wieder erneut und konnte nach ein-
jährigem guten Betrieb ein schönes Gründungsfest mit
Wetturnen veranstalten.
In Waldenburg wurde eine „Jungwehr“ mit 65
Mann gegründet und von Seminaroberlehrer Singer ge-
leitet. Sie hat zurzeit noch 30 Mann.
Aur Siebenlehn liegt ein knapper schöner Druck-
bericht „Uber die Arbeit in der nationalen Jugendpflege“
von Schuldirektor Spreer vor. Hier ist die Wehrvorbereitung
grundsätzlich auf die Heimatwanderung aufgebaut. Von
selbst hat sie sich zum Aucmarsch umgestialtet, der vor-
nehmlich die Ausbilbung der Sinne bezweckt.
In Hainichen wurde im September 1914 eine frei-
willige Organisation geschaffen, die 19t5 auf s0 Mann
stieg, dann aber auf 20 Mann sank. Die Erfahrungen
führten auf die Gründung einer pflichtmäßigen Organi-
sation, die mit ihrer Teilnehmerzahl von 200 einen treff-
lichen Vergleich über den Wert der beiden verschiedenen
Organisationen bietet. Fortbildungoschule, Handelsschule
und Turnverein Fiehen ihre Jungmannen pflichtgemäß zu
den Ubungen heran, die an 2 Wochentagen in 4 Kor-
poralschaften unter Leitung des Fortbildungsschullehrers
Auster stattfinden. Einem Aufruf sind eine Reihe von Brie-
fen aus dem Felde beigedruckt, in denen frühere Teil-
nehmer die Wirkung und den Wert der Wehrübung aus
ihren Erlebnissen bestätigen.
Diese wenigen Angaben, die nur als Beispiele gedacht
sind, mögen genügen. In ähnlicher Weise hat sich die
Heeresvorbereitung in fast allen größeren Orten und selbst
in den Dörfern unseres Sachsenlandes entwickelt. Die Größe
der Unternehmung zeigt sich erst klar in der Ausgestaltung,
die sie in den Großstädten nahm. Wir wählen dafür das
Dresdner Beispiel, vorher müssen wir aber einen Blick
auf die Ausgestaltung der Wehrübungen in den Schulen
richten. ·
Die Wehrübungen in Dresden
Beim Kriegsministerium liegt ein Verzeichnis der für die
militärische Vorbereitung der Jugend gemeldeten Vereine,
Schulen usw. Es nennt 1916 für den Bezirk der Stadt
Dresden 55 Organisationen. Einige davon zerfallen in
eine größere Reihe von Einzelvereinen, so daß es gerade
100 Einzelorganisationen sind, die sich mit der Wehr-
übung befassen. Bei Anlage der Liste betätigten sich darin
zusammen 5460 Jungmannen. Davon entfielen auf die
Jugendkompanien des Jugendbundes und Jungsturms
2000, auf die Jünglingsvereine 150, auf die Vereine der
Deutschen Turnerschaft 1280, auf den Arbeiter-Turnerbund
630, auf die höheren Schulen 1400, und zwar auf die
Gymnasien 465, Realgymnasien 320, Realschulen 375,
Seminare 230. «
Durch die Einziehung und die Ungunst der Verhältnisse
sanken diese Ziffern beträchtlich. Anfang 1918 waren nar
noch gemeldet: 2300.
Die Wehrübung in der Höheren Schule
Harmonische Ausbildung von Körper und Geist! Hat
es in Deutschland je einen Schulmann gegeben, der dieses
Erziehungsziel nicht unterschrieben hätte. Leider hatten die
meisten aber über die Harmonie eine recht seltsame Mei-
nung. Die Gymnasien, die sich nach den Stätten nennen,
wo jenes altgriechische Erziehungsziel glänzend durchgeführt
war, redeten viel davon, sogar in der Ursprache, aber taten
wenig für die Durchführung. Sie hatten damit schon den
Hohn des Bavernkönigs Ludwig I. berausgefordert, und
seitdem hatte sich trotz allen Wohlwollens und aller schönen
Worte wenig gebessert. Das Turnen war zwar an den
höheren Schulen allmählich verbindlich eingeführt worden,
aber es war Nebenfach ohne Bedeutung und blieb Neben-
sache. Da öffnete der Krieg die bebrillten Augen. Man
erkannte die Bedeutung des Körpers und die Wichtigkeit
seiner Ausbildung. Man hörte von jungen Männern, die
Ungeheures für ihr Vaterland leisteten, obgleich sie keine
Musterschüler gewesen waren.
Allen deutschen Regierungen ging die sächsische voran mit
der einschneidenden Bestimmung, daß die Wehrübung ver-
bindlich an den höheren Schulen einzuführen sei. Auf
zwei Arten ist diese Bestimmung in den Schulen durch-
geführt worden. In den meisten wurde die Wehrübung auf
einen freien Nachmittag gelegt und der vorgeschriebene
„Ganztagsmarsch alle 14 Tage“ wechselte unter den Werk-
tagen, damit nicht immer am gleichen Wochentage der Unter-
richt ausfiel. Die Wehrübung wurde also im wesentlichen
auf die Belastung der Schüler, über die schon seither die
Klagen nicht aufgehört hatten, aufgepfropft. Dazu kam
durch den steten Wechsel der Tage unauggesetzte Störung
mit dem übrigen Unterricht. Man hörte an diesen Schulen
sehr bald Klagen über die Wehrübung. An anderen Schulen
— leider nur an wenigen — wurde die Wehrübung unter
Ausfall anderen Unterrichts fest in den Wochenplan ein-
geordnet, an einer wurde sogar ein freier Wochentag für
die Wehrübung ermöglicht. Wo diese feste Einfügung
erfolgte, war die Wehrübung eine Freude, weil die Leiter
deutlich den Nutzen und die Erfolge sahen.
Leider schwanden diese mit den geschilderten zunehmen-
den Kriegsschwierigkeiten, nur an wenigen Schulen ist Er-
freuliches übriggeblieben.
Da nur wenige höhere Schulen noch einen Turnlehrer
hatten, der die Wehrübungen in die Hand nehmen konnte,
sind vielfach wissenschaftliche Lehrer, ja die Schulleiter
selbst eingesprungen, und haben nunmehr fast vier Jahre
lang den Dienst, der den älteren und alten Herren gewiß
nicht leicht war, opferwillig durchgeführt. Was ich vor
Jahren dem Dresdner Philologenverein in Gegenwart des
verstorbenen Kultusministers von Schlieben ans Herz legen
durfte, ist durch den Krieg in großem Umfange Wirklich-
keit geworden: die Mitarbeit der wissenschaftlichen Lehrer
bei der körperlichen Ertüchtigung der Jugend.
Jugendpstege und Wehrübung in der Forktbildungs-
schule «
Die Jugendpflege soll die Lücke zwischen Schulpflicht
und Dienstpflicht füllen. Dabei wird als Ende der Schul-
pflicht das vollendete 14. Lebensjahr angesetzt. Da ist die
Volkoschule abgeschlossen. Allerdings reiht sich in Sachsen
daran noch verbindlich für die männliche Bevölkerung die
Fortbildungsschule, ja Sachsen ist eines der ersten deutschen
Länder gewesen, die die Fortbildungsschulpflicht eingeführt
haben. Diese Schulen haben aber nur wenige Wochen-
stunden, dazu fast reinen Fachunterricht, so daß für die
eigentliche Jugendpflege nicht viel herauskam, noch weniger
für die Wehrübung. Darum setzte die neue Bewegung nun
auch in der Fortbildungsschule ein. Einrichtungen, teils
auf Freiwilligkeit gegründet, teils auf Verbindlichkeit, wur-
den geschaffen.
Für erstere bietet die 2. städtische Fach= und Fortbildungs-
schule in Dresden ein gutes Beispiel. An ihr bestehen vier
Schülervereine: Lesegesellschaft, Sängervereinigung, Steno-
graphenverein, Turnverein. Diese Vereinigungen stehen ein-
ander aber nicht feindselig oder neidisch gegenüber, wie
das unter den Schülervereinen der höheren Schulen oftmalo
der Fall ist, sondern sie arbeiten unter Leitung von Lehrern
Hand in Hand zur Vertiefung des Schullebens, bei der
Feier vaterländischer Gedenktage usw. Vor allem ist die