Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Alpenstraße über Lermoos ins Inntal. Nahe treten die Berge 
an das Tal heran, rechts auf der stattlichen Höhe des 
Schloßberges ragte das Schloß Ehrenberg empor, von 
dessen Größe noch heute ansehnliche Trümmer Kunde geben; 
auf der Höhe gegenüber deckte eine starke Schanze den 
Talhang und unten an der Straße legte sich talsperren- 
artig die eigentliche Klause, ein burgartiges Torgebäude 
mit Verschanzungen, quer über den Paß (siehe S. 255). 
Die Stellung war also durch Natur und Kunst sehr 
fest und wurde außerdem durch eine starke Besatzung 
verteidigt. Mehrere Blockhäuser und Bollwerke an der 
Klause und diese selbst fielen in Moritzens Hand; denn 
während der eine Heerhaufe über einen Bergpfad sich 
heraufarbeitete und den Verschanzungen in den Rücken kam, 
unternahm Moritz selbst am 19. Mai einen heftigen Front- 
angriff, der die von zwei Seiten bedrohte Besatzung zur 
  
  
  
  
  
Wame und Feldbinde des Kurfürsten Moritz in der Schlacht bei 
Sievershausen 1553 
im Historilchen Museum zu Dresden 
Ergebung nötigte. Von 13 Fähnlein entkamen nur vier; 
über loo Feinde waren gefallen oder im Lech ertrunken, 
über 2000 gefangen, die aber Moritz als zu Ferdinands 
Truppen gehörig entließ, da, wie er schrieb, das „was als 
neuer Kriegsbrauch nach spanischer Art eingeführt worden 
(die eidliche Verpflichtung, nicht wei:er gegen den Sieger 
zu kämpfen), nicht stattfinden, vielmehr der alte löbliche, 
deutsche Brauch wieder beachtet werden sollte“. Geflissent- 
lich stellt sich auch hier wieder Moritz als deutschen Kriegs- 
mann und Vertreter deutsehen Kriegsbrauches dar, selbst wo 
für ihn der spanische Brauch vorteilhafter gewesen wäre; 
ihm galt es aber, politische Gesichtspunkte neben den mili- 
tärischen zu berücksichtigen. Beim Vormarsch und der Be- 
setzung Innsbrucks am 23. Mai verhinderte er tunlichst 
Ausschreitungen, da Tirol als Ferdinands Land nicht als 
feindlich galt, eine Auffassung, die bei Ferdinand selbst Ver- 
ständnis fand; nur gegen den Kaiser Karl richtete sich seine 
Unternehmung, der in Eile Innsbruck als Flüchtling ver- 
ließ. Schon nach zwei Tagen räumte Moritz die Stadt 
wieder wegen der zum 256. angesetzten Tagung zu Passau. 
Der Passauer Vertrag bewirkte Landgraf Philipps Frei- 
lassung, verschaffte dem Protestantismus Anerbennung und 
stellte manche Mißbräuche in der Reichsregierung ab; er 
bahnte die Regelung an, die 1585 der Augoburger Religions= 
frieden reichorechtlich festlegle. Den sächsischen Waffen- 
erfolgen im oberen Lechtale und an der Ghrenberger 
Klause verdankt also das deutsche Volk die religiöse 
Gleichberechtigung des Protestantismus. Nach 
Hause zurückgekehrt rüstete Moritz zum Hilfszug gegen 
die Türken; es gelang im Oktober 1552 Raab zu 
retten, das er möglichst befestigte; er hegte aber bei der 
gewaltigen Macht des Sulians Suleyman II. ernste Be- 
sorgnis für die Zukunft; bei entschlossenem Widerstand sei 
wohl auf Erfolg zu rechnen, in Ungarn sei aber ein erbärm- 
liches Wesen. 
Der Krieg in Süddeutschland hatte Moritz in Zwiespalt 
gebracht mit seinem Verbündeten, dem gewalttätigen Mark- 
grafen Albrecht (Alcibiades) von Brandenburg-Kurmbach, 
dem die höheren Interessen der andern Protestan:en gleich- 
gültig waren und der den Krieg nur als schöne Gelegen- 
heit zur Beraubung katholischer Seände, besonders der geist- 
lichen Fürsten, ansah. Der Passauer Vertrag störte diese 
gewinnbringende Beschäftigung; es kam zum Bruche mit 
Moritz. Albrecht leistete erst den Franzosen Zuzug, trat 
dann zu Karl V. über, der den gewissenlosen Mann willig 
als passendes Werkzeug gegen Moritz benutzte. Nach wochen- 
langem Verhandeln und Hin= und Herziehen trafen Al- 
brechts Scharen vereint mit den Truppen Herzog Ericho 
von Braunschweig-Calenberg und der Grafen von Olden- 
burg und Mansfeld am 0. Juli 15853 auf Moritzeno 
Streitmacht, die außer hessischen und böhmischen Reitern 
und seinen Söldnern auch seine Leibfahne, das Aufgebot 
der sächsischen Ritterschaft, umfaßte; Herzog Heinrich von 
Braunschweig-Wolfenbüttel führte ihm selbst seine Reiter 
zu. Das Schlachtfeld lag östlich von Hannover in der 
Nähe des Dorfes Sievershausen bei Peine. Albrecht 
wollte von Burgdorf nach Peine marschieren, Moritz ihm 
zuvorkommen; bald nach Mit-ag bekamen beide Heere ein- 
ander zu Gesicht. Moritz stellte die Seinen in Schlacht- 
ordnung auf und erwartete den Markgrafen, der den Kampf 
annahm. Albrecht war an Jahl überlegen, auch Wind und 
Sonne waren ihm günstig; zwischen 3 und 4 Uhr nach- 
mittags begann die Schlacht nach kurzem, ergebnislosem 
Geschützfeuer mit einem Gefecht der „Vorwarten“. Moritzens 
Vorwart, sein „verlorener Haufe“, aus seinem meißnischen 
Aufgebot, bessischen Reitern und einem Regiment Lands- 
knechten bestehend, geriet in Verwirrung, worauf er mit 
seiner Hauptmacht, dem „gewaltigen Haufen“, vorrückte. 
Die Reiterscharen gerieten so eng in erbittertes Hand- 
gemenge, daß, wie Moritz selbst berichtet, vielfach die 
Spieße unverwendbar waren und man zu den Feuer- 
gewehren griff. Um die sächsische Hoffahne tobte der hef- 
tigste Kampf; Heinrichs Söhne Philipp und Karl fielen 
an der Spitze ihrer Reiter, schwerverwundet sank der Fahnen- 
träger, Herzog Friedrich von Lüneburg, vom Rosse, und 
auch Moritz, der sich seiner unerschrockenen Natur nach im 
ärgsten Getümmel bewegte, traf vom Rücken her über der 
Hüfte die Kugel. Infolgedessen wollte der Erfolg sich mehr 
und mehr Albrecht zuneigen; da gelang es dem Führer der 
sächsischen Nachhut Hans von Wulfen, die weichenden 
Reiter zum Stehen zu bringen; mit ihnen brach er gegen 
die Markgräflichen los, die diesem neuen Stoß nicht ge- 
wachsen waren. So wandte sich das Geschick des Tages. 
Dag# burfürstliche Heer verfolgte die Feinde stundenweit in 
die Nacht hinein bis Burgdorf, wo der flüchtige Albrecht 
die Seinen sammelte; aber sein Heer war vernichtet, der 
Feldzug für ihn verloren. Moritz war Sieger, aber der 
Sieg fand einen todwunden Mann, der auf dem Schlacht- 
felde an eine Weide gelehnt des Ausgangs harrte. Er 
nahm trotz seiner Schwäche und heftiger Schmerzen noch 
lebhaften Anteil am Verlauf des Kampfes und blickte mit
	        
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