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Alpenstraße über Lermoos ins Inntal. Nahe treten die Berge
an das Tal heran, rechts auf der stattlichen Höhe des
Schloßberges ragte das Schloß Ehrenberg empor, von
dessen Größe noch heute ansehnliche Trümmer Kunde geben;
auf der Höhe gegenüber deckte eine starke Schanze den
Talhang und unten an der Straße legte sich talsperren-
artig die eigentliche Klause, ein burgartiges Torgebäude
mit Verschanzungen, quer über den Paß (siehe S. 255).
Die Stellung war also durch Natur und Kunst sehr
fest und wurde außerdem durch eine starke Besatzung
verteidigt. Mehrere Blockhäuser und Bollwerke an der
Klause und diese selbst fielen in Moritzens Hand; denn
während der eine Heerhaufe über einen Bergpfad sich
heraufarbeitete und den Verschanzungen in den Rücken kam,
unternahm Moritz selbst am 19. Mai einen heftigen Front-
angriff, der die von zwei Seiten bedrohte Besatzung zur
Wame und Feldbinde des Kurfürsten Moritz in der Schlacht bei
Sievershausen 1553
im Historilchen Museum zu Dresden
Ergebung nötigte. Von 13 Fähnlein entkamen nur vier;
über loo Feinde waren gefallen oder im Lech ertrunken,
über 2000 gefangen, die aber Moritz als zu Ferdinands
Truppen gehörig entließ, da, wie er schrieb, das „was als
neuer Kriegsbrauch nach spanischer Art eingeführt worden
(die eidliche Verpflichtung, nicht wei:er gegen den Sieger
zu kämpfen), nicht stattfinden, vielmehr der alte löbliche,
deutsche Brauch wieder beachtet werden sollte“. Geflissent-
lich stellt sich auch hier wieder Moritz als deutschen Kriegs-
mann und Vertreter deutsehen Kriegsbrauches dar, selbst wo
für ihn der spanische Brauch vorteilhafter gewesen wäre;
ihm galt es aber, politische Gesichtspunkte neben den mili-
tärischen zu berücksichtigen. Beim Vormarsch und der Be-
setzung Innsbrucks am 23. Mai verhinderte er tunlichst
Ausschreitungen, da Tirol als Ferdinands Land nicht als
feindlich galt, eine Auffassung, die bei Ferdinand selbst Ver-
ständnis fand; nur gegen den Kaiser Karl richtete sich seine
Unternehmung, der in Eile Innsbruck als Flüchtling ver-
ließ. Schon nach zwei Tagen räumte Moritz die Stadt
wieder wegen der zum 256. angesetzten Tagung zu Passau.
Der Passauer Vertrag bewirkte Landgraf Philipps Frei-
lassung, verschaffte dem Protestantismus Anerbennung und
stellte manche Mißbräuche in der Reichsregierung ab; er
bahnte die Regelung an, die 1585 der Augoburger Religions=
frieden reichorechtlich festlegle. Den sächsischen Waffen-
erfolgen im oberen Lechtale und an der Ghrenberger
Klause verdankt also das deutsche Volk die religiöse
Gleichberechtigung des Protestantismus. Nach
Hause zurückgekehrt rüstete Moritz zum Hilfszug gegen
die Türken; es gelang im Oktober 1552 Raab zu
retten, das er möglichst befestigte; er hegte aber bei der
gewaltigen Macht des Sulians Suleyman II. ernste Be-
sorgnis für die Zukunft; bei entschlossenem Widerstand sei
wohl auf Erfolg zu rechnen, in Ungarn sei aber ein erbärm-
liches Wesen.
Der Krieg in Süddeutschland hatte Moritz in Zwiespalt
gebracht mit seinem Verbündeten, dem gewalttätigen Mark-
grafen Albrecht (Alcibiades) von Brandenburg-Kurmbach,
dem die höheren Interessen der andern Protestan:en gleich-
gültig waren und der den Krieg nur als schöne Gelegen-
heit zur Beraubung katholischer Seände, besonders der geist-
lichen Fürsten, ansah. Der Passauer Vertrag störte diese
gewinnbringende Beschäftigung; es kam zum Bruche mit
Moritz. Albrecht leistete erst den Franzosen Zuzug, trat
dann zu Karl V. über, der den gewissenlosen Mann willig
als passendes Werkzeug gegen Moritz benutzte. Nach wochen-
langem Verhandeln und Hin= und Herziehen trafen Al-
brechts Scharen vereint mit den Truppen Herzog Ericho
von Braunschweig-Calenberg und der Grafen von Olden-
burg und Mansfeld am 0. Juli 15853 auf Moritzeno
Streitmacht, die außer hessischen und böhmischen Reitern
und seinen Söldnern auch seine Leibfahne, das Aufgebot
der sächsischen Ritterschaft, umfaßte; Herzog Heinrich von
Braunschweig-Wolfenbüttel führte ihm selbst seine Reiter
zu. Das Schlachtfeld lag östlich von Hannover in der
Nähe des Dorfes Sievershausen bei Peine. Albrecht
wollte von Burgdorf nach Peine marschieren, Moritz ihm
zuvorkommen; bald nach Mit-ag bekamen beide Heere ein-
ander zu Gesicht. Moritz stellte die Seinen in Schlacht-
ordnung auf und erwartete den Markgrafen, der den Kampf
annahm. Albrecht war an Jahl überlegen, auch Wind und
Sonne waren ihm günstig; zwischen 3 und 4 Uhr nach-
mittags begann die Schlacht nach kurzem, ergebnislosem
Geschützfeuer mit einem Gefecht der „Vorwarten“. Moritzens
Vorwart, sein „verlorener Haufe“, aus seinem meißnischen
Aufgebot, bessischen Reitern und einem Regiment Lands-
knechten bestehend, geriet in Verwirrung, worauf er mit
seiner Hauptmacht, dem „gewaltigen Haufen“, vorrückte.
Die Reiterscharen gerieten so eng in erbittertes Hand-
gemenge, daß, wie Moritz selbst berichtet, vielfach die
Spieße unverwendbar waren und man zu den Feuer-
gewehren griff. Um die sächsische Hoffahne tobte der hef-
tigste Kampf; Heinrichs Söhne Philipp und Karl fielen
an der Spitze ihrer Reiter, schwerverwundet sank der Fahnen-
träger, Herzog Friedrich von Lüneburg, vom Rosse, und
auch Moritz, der sich seiner unerschrockenen Natur nach im
ärgsten Getümmel bewegte, traf vom Rücken her über der
Hüfte die Kugel. Infolgedessen wollte der Erfolg sich mehr
und mehr Albrecht zuneigen; da gelang es dem Führer der
sächsischen Nachhut Hans von Wulfen, die weichenden
Reiter zum Stehen zu bringen; mit ihnen brach er gegen
die Markgräflichen los, die diesem neuen Stoß nicht ge-
wachsen waren. So wandte sich das Geschick des Tages.
Dag# burfürstliche Heer verfolgte die Feinde stundenweit in
die Nacht hinein bis Burgdorf, wo der flüchtige Albrecht
die Seinen sammelte; aber sein Heer war vernichtet, der
Feldzug für ihn verloren. Moritz war Sieger, aber der
Sieg fand einen todwunden Mann, der auf dem Schlacht-
felde an eine Weide gelehnt des Ausgangs harrte. Er
nahm trotz seiner Schwäche und heftiger Schmerzen noch
lebhaften Anteil am Verlauf des Kampfes und blickte mit