Prinzen Karl durch die Lausitz und jagte ihn nach Böhmen
zurück, der Weg nach der Elbe war frei.
Das warf alle großen Entwürfe um, nun mußte man
in Dresden an die Rettung von Stadt und Land denken.
Der Kurfürst floh mit Brühl nach Prag (I. Dezember),
Johann Adolf übernahm trotz seines schweren Leidens den
Oberbefebl und den Vorsitz des Geheimen Nats. Er kannte
die einzige Retkung vor dem drohenden Unheile, Frieden!
Aber noch wollte Brühl den Kampf, und der Herzog
mußte von dem kaum übernommenen Platze wieder zurück-
treten. Rutowski sollte nunmehr mit dem Prinzen Karl
vereint die Preußen aus dem Lande treiben.
Nach vielem Erwägen und vielem Marschieren stand das
Heer in Schnee und Eis auf den Kesselsdorfer Höhen
schlachtbereit, so gut es das bei der jämmerlichen Aus-
rüstung und dem Mangel an Lebene#mitteln sein konnte.
Hier wurde es nach anfänglichem Siege am Nachmittage
des 15. Dezembers vom alten Dessauer völlig geschlagen.
Prinz Karl hatte zwar versprochen, vom Großen Garten
aus in die Stellung bei Braunsdorf einzurücken, was der
Schlacht eine andere Wendung gegeben hätte, er kam aber nicht
und ließ die Sachsen in der Winterschlacht ebenso im Stiche
wie auf den wogenden Getreidefeldern von Hohenfriedberg.
Mit dem glimpflichen Frieden von Dresden endete zu
Weihnachten der zweite Schlesische Krisg. Aber noch war
der Kampf um das haboburgische Erbe nicht zu Ende.
Trotzdem, ja während er selbst neuen Zündstoff anhäufte,
ging Brühl daran, das Heer, das mit 45000 Mann im
Kriege seine größte Stärke erreicht hatte, zu schwächen
und fast wehrlos zu machen. Geldnot hatte ihn zu dem
Irrwahn geführt, daß man große Fragen eines Volkes
allein durch Verträge und Abmachungen lösen könnte.
Rutowski erhielt nun die Aufgabe, das Heer, Johann
Adolfs und seine eigene Schöpfung, wieder zu zertrümmern.
Regiment um Regiment verschwand in den nächsten
Jahren, aus 45u000 wurden 16 000 Mann. Die Offiziere
wurden auf Halbsold gesetzt, größere Ubungen verboten, die
Ausrüstung verlotterte. Und dabei trieb Brühl eine an
Wahnwitz grenzende Kriegspolitik, die ihn zu einem neuen
Zusammenstoße mit dem nördlichen Nachbar führen mußte.
Das Land, das an diesen Grenzen offen ist, konnte im
entscheidenden Augenblicke nicht von einem starken heimat-
lichen Heere geschützt werden; und so geschab, was bei der
verblendeten Bündnispolitik Brühlo kommen mußte.
König Friedrich erfuhr rechtzeitig von der Einkreisung,
die ihm drohte. Dem vollendeten Aufmarsche der Über-
macht wäre er nicht gewachsen gewesen, drum mußte er
losschlagen, ehe der Gegner fertig war, „das Prgevenire
spielen“, wie er es nannte. Preußen befand sich 1756 ge-
nau in derselben Lage, wie 1914 das Deutsche Reich, wie
denn der Siebenjährige Krieg in vielem dem Weltkriege
gleicht. Mit der Verletzung einer Neutralität, die längst
keine mehr war, begann der Kampf. König Friedrich wollte
zuerst mit seinem verhaßten Gegner Kursachsen abrechnen
und brach Ende August 1756 in drei Heersäulen ins Land
ein. Die unvorbereiteten, ungerüsteten sächsischen Truppen
erreichten mit Mühe in höchster Eile das Sammellager
bei Pirna. Dresden wurde wie das ganze Land preis-
gegeben; hinter der Gottleuba, stark verschanzt, worlte man
den Gegner und — die versprochene österreichische Hilfe
erwarten. Der Raum zwischen Elbe, Gottleuba und Biela
bot natürliche Hilfsmittel genug, um auch mit schwächeren
Kräften längeren Widerstand leisten zu können, allein dazu
gehörte vor allem Verpflegung, und an der fehlte es vom
ersten Tage an. Mit den Regimentern zugleich zog Hunger
und Not ins Lager.
Ein zweiter Fehler lag in den Vorteilen der Stellung:
so unzulänglich, wie sie war, so schwer konnte man auch
aus ihr heraus, zumal da ein so entschlossener und tat-
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kräftiger, ein so wachsomer und beweglicher Feind davor
lag. „Matz sitzt in der Falle,“ konnte Köng Friedrich
bereits in den ersten Tagen seines Aufenthalts zu Gros-
sedlitz sagen. An Versuchen zu einer friedlichen Einigung
ließ es der König niebt fehlen, allein Brühls Kriegswille
besiegte alle Gegengründe. Während mit dem Kurfürsten,
der mit seinem Minister im Rittergute Kleinstruppen
wohnte, verhandelt wurde, eilte der König nach Böhmen
einem österreichischen Hilfsheere entgegen und schlug es am
1. Oktober bei Lobositz. Der Versuch, das sächsische Heer
über die Elbe und neuer Hilfe entgegen zu führen, gelang
Prinz Kaver, geb. 1730, gest. 1806
nach großen, unsäglichen Schwierigkeiten zwar, allein die
bis Lichtenhain vorgedrungenen Österreicher glaubten in
entscheidender Stunde nicht mehr, daß die Sachsen kämen,
und waren umgekehrt, als man in ihre Nähe kam. Mit
den ausgehungerten, in langen Regentagen durchnäßten
und durchfrorenen Truppen ließ sich kein Sturm gegen die
auch auf dem rechten Elbufer stark stehenden und ruhig
abwartenden Preußen unternehmen. Am 17. Oktober mußte
das ganze sächsische Heer auf der Liliensteiner Ebenheit die
Waffen strecken. Die Feldzeichen durften auf den König-
stein, der neutral wurde, gebracht werden.
So „unterlagen die Sachsen den Gesetzen der Na#ur und
einem höheren Verhängnis“.
König Friedrich entließ die Offiziere auf Ehrenwort, in
diesem Kriege nicht mehr gegen ihn zu kämpfen, die Unter-
offiziere und Mannschaften bekamen preußische Uniformen
und wurden, regimenterweise oder einzeln „untergesteckt“,
seine Soldaten. Das kursächsische Heer hatte aufgehört zu
bestehen. Vorläufig!
Allein so einfach, wie es befohlen wird, läßt sich ge-
schichtlich gewordenes nicht beseitigen. Die in jahrhunderte-
langer gemeinsamer Arbeit für die Heimat erwachsene
Treue bricht immer wieder durch, wie jeder Kenner der
Geschichte weiß. Was nützten dem Könige alle Zwangs-
mittel? Trotz Hinrichtungen und Prügel wollten die Sach-
sen Sachsen bleiben! Nicht einzeln, nein in ganzen Batail-
lonen und Schwadronen liefen und ritten sie davon, von
geschickten und mutigen Unteroffizieren geführt. Unter Ge-
fahren und Beschwerden schlugen sie sich nach Sammel=