Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Prinzen Karl durch die Lausitz und jagte ihn nach Böhmen 
zurück, der Weg nach der Elbe war frei. 
Das warf alle großen Entwürfe um, nun mußte man 
in Dresden an die Rettung von Stadt und Land denken. 
Der Kurfürst floh mit Brühl nach Prag (I. Dezember), 
Johann Adolf übernahm trotz seines schweren Leidens den 
Oberbefebl und den Vorsitz des Geheimen Nats. Er kannte 
die einzige Retkung vor dem drohenden Unheile, Frieden! 
Aber noch wollte Brühl den Kampf, und der Herzog 
mußte von dem kaum übernommenen Platze wieder zurück- 
treten. Rutowski sollte nunmehr mit dem Prinzen Karl 
vereint die Preußen aus dem Lande treiben. 
Nach vielem Erwägen und vielem Marschieren stand das 
Heer in Schnee und Eis auf den Kesselsdorfer Höhen 
schlachtbereit, so gut es das bei der jämmerlichen Aus- 
rüstung und dem Mangel an Lebene#mitteln sein konnte. 
Hier wurde es nach anfänglichem Siege am Nachmittage 
des 15. Dezembers vom alten Dessauer völlig geschlagen. 
Prinz Karl hatte zwar versprochen, vom Großen Garten 
aus in die Stellung bei Braunsdorf einzurücken, was der 
Schlacht eine andere Wendung gegeben hätte, er kam aber nicht 
und ließ die Sachsen in der Winterschlacht ebenso im Stiche 
wie auf den wogenden Getreidefeldern von Hohenfriedberg. 
Mit dem glimpflichen Frieden von Dresden endete zu 
Weihnachten der zweite Schlesische Krisg. Aber noch war 
der Kampf um das haboburgische Erbe nicht zu Ende. 
Trotzdem, ja während er selbst neuen Zündstoff anhäufte, 
ging Brühl daran, das Heer, das mit 45000 Mann im 
Kriege seine größte Stärke erreicht hatte, zu schwächen 
und fast wehrlos zu machen. Geldnot hatte ihn zu dem 
Irrwahn geführt, daß man große Fragen eines Volkes 
allein durch Verträge und Abmachungen lösen könnte. 
Rutowski erhielt nun die Aufgabe, das Heer, Johann 
Adolfs und seine eigene Schöpfung, wieder zu zertrümmern. 
Regiment um Regiment verschwand in den nächsten 
Jahren, aus 45u000 wurden 16 000 Mann. Die Offiziere 
wurden auf Halbsold gesetzt, größere Ubungen verboten, die 
Ausrüstung verlotterte. Und dabei trieb Brühl eine an 
Wahnwitz grenzende Kriegspolitik, die ihn zu einem neuen 
Zusammenstoße mit dem nördlichen Nachbar führen mußte. 
Das Land, das an diesen Grenzen offen ist, konnte im 
entscheidenden Augenblicke nicht von einem starken heimat- 
lichen Heere geschützt werden; und so geschab, was bei der 
verblendeten Bündnispolitik Brühlo kommen mußte. 
König Friedrich erfuhr rechtzeitig von der Einkreisung, 
die ihm drohte. Dem vollendeten Aufmarsche der Über- 
macht wäre er nicht gewachsen gewesen, drum mußte er 
losschlagen, ehe der Gegner fertig war, „das Prgevenire 
spielen“, wie er es nannte. Preußen befand sich 1756 ge- 
nau in derselben Lage, wie 1914 das Deutsche Reich, wie 
denn der Siebenjährige Krieg in vielem dem Weltkriege 
gleicht. Mit der Verletzung einer Neutralität, die längst 
keine mehr war, begann der Kampf. König Friedrich wollte 
zuerst mit seinem verhaßten Gegner Kursachsen abrechnen 
und brach Ende August 1756 in drei Heersäulen ins Land 
ein. Die unvorbereiteten, ungerüsteten sächsischen Truppen 
erreichten mit Mühe in höchster Eile das Sammellager 
bei Pirna. Dresden wurde wie das ganze Land preis- 
gegeben; hinter der Gottleuba, stark verschanzt, worlte man 
den Gegner und — die versprochene österreichische Hilfe 
erwarten. Der Raum zwischen Elbe, Gottleuba und Biela 
bot natürliche Hilfsmittel genug, um auch mit schwächeren 
Kräften längeren Widerstand leisten zu können, allein dazu 
gehörte vor allem Verpflegung, und an der fehlte es vom 
ersten Tage an. Mit den Regimentern zugleich zog Hunger 
und Not ins Lager. 
Ein zweiter Fehler lag in den Vorteilen der Stellung: 
so unzulänglich, wie sie war, so schwer konnte man auch 
aus ihr heraus, zumal da ein so entschlossener und tat- 
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kräftiger, ein so wachsomer und beweglicher Feind davor 
lag. „Matz sitzt in der Falle,“ konnte Köng Friedrich 
bereits in den ersten Tagen seines Aufenthalts zu Gros- 
sedlitz sagen. An Versuchen zu einer friedlichen Einigung 
ließ es der König niebt fehlen, allein Brühls Kriegswille 
besiegte alle Gegengründe. Während mit dem Kurfürsten, 
der mit seinem Minister im Rittergute Kleinstruppen 
wohnte, verhandelt wurde, eilte der König nach Böhmen 
einem österreichischen Hilfsheere entgegen und schlug es am 
1. Oktober bei Lobositz. Der Versuch, das sächsische Heer 
über die Elbe und neuer Hilfe entgegen zu führen, gelang 
  
Prinz Kaver, geb. 1730, gest. 1806 
nach großen, unsäglichen Schwierigkeiten zwar, allein die 
bis Lichtenhain vorgedrungenen Österreicher glaubten in 
entscheidender Stunde nicht mehr, daß die Sachsen kämen, 
und waren umgekehrt, als man in ihre Nähe kam. Mit 
den ausgehungerten, in langen Regentagen durchnäßten 
und durchfrorenen Truppen ließ sich kein Sturm gegen die 
auch auf dem rechten Elbufer stark stehenden und ruhig 
abwartenden Preußen unternehmen. Am 17. Oktober mußte 
das ganze sächsische Heer auf der Liliensteiner Ebenheit die 
Waffen strecken. Die Feldzeichen durften auf den König- 
stein, der neutral wurde, gebracht werden. 
So „unterlagen die Sachsen den Gesetzen der Na#ur und 
einem höheren Verhängnis“. 
König Friedrich entließ die Offiziere auf Ehrenwort, in 
diesem Kriege nicht mehr gegen ihn zu kämpfen, die Unter- 
offiziere und Mannschaften bekamen preußische Uniformen 
und wurden, regimenterweise oder einzeln „untergesteckt“, 
seine Soldaten. Das kursächsische Heer hatte aufgehört zu 
bestehen. Vorläufig! 
Allein so einfach, wie es befohlen wird, läßt sich ge- 
schichtlich gewordenes nicht beseitigen. Die in jahrhunderte- 
langer gemeinsamer Arbeit für die Heimat erwachsene 
Treue bricht immer wieder durch, wie jeder Kenner der 
Geschichte weiß. Was nützten dem Könige alle Zwangs- 
mittel? Trotz Hinrichtungen und Prügel wollten die Sach- 
sen Sachsen bleiben! Nicht einzeln, nein in ganzen Batail- 
lonen und Schwadronen liefen und ritten sie davon, von 
geschickten und mutigen Unteroffizieren geführt. Unter Ge- 
fahren und Beschwerden schlugen sie sich nach Sammel=
	        
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