Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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Direktor des „Sächsischen Heim“, Herr Regierungsrat 
Dr. Stockhausen, übernommen, während die Leitung 
der laufenden praktischen Geschäfte dem bisherigen Besitzer, 
der mit seiner Familie auf dem Gute wohnt, obliegt.“ „Das 
Lehrgut ist in dem 29,95 Hektar großen bäuerlichen Guts- 
betriebe des Deutschen Offizierssiedierbundes, früher Heern 
Hugo Voigt in Hermsdorf gehörig, eingerichtet. Es um- 
faßt 18,37 Hektar Ackerland, 2 Hektar Gärtnerei (in Vor- 
bereitung), 0,25 Hektar Weesen, 0,177 Hektar Hofraum 
und 0,153 Hektar Wasserfläche. 
Der Landirtschaftobetrieb bildet die Grundlage des Un- 
ternehmens.“ 
Noch sei bemerkt, daß der Bund in Oberwiesenthal 
im Erzgebirge rund 10 ½ Morgen eigenen Besitz erworben 
hat. Es ist beabsichtigt, den sich Ansiedelnden neben etwas 
Jiegen= und Geflügelzucht die Möglichkeit zu geben, aus 
dem Betrieb von Fremdenpensionen einen Nebenerwerb zu 
ziehen. Vielleicht kommt auch nur die für die Abteilung 
„Fürsorge für Schwerverletzte“ in Aussicht genommene 
Ansetzung der Erholungsbedürftigen in Frage. Betreffs des 
Verbandes gemeinnütziger Kriegersiedlungen verweisen wir 
auf den letzten Unterteil dieses Abschnittes, wo gegen dessen 
Ende weiteres erwähnt wird. 
Nicht übersehen haben möchten wir zum Schlusse die Be- 
deutung des Statistischen Landesamtes. Ohne seine 
Mitwirkung dürfte es unmöglich gewesen sein, die tatsäch- 
liche Lage als Ausgangspunkt des Handelns richtig zu er- 
fassen, wir meinen, diesem Amte gilt nicht zuletzt auf- 
richtiger Dank für das große Interesse, das es von jeher 
auch der zahlenmäßigen Erfassung des Wohn= und Sied- 
lungswesens wie der Bevölkerungsbewegung verbunden mit 
gewissenhafter Deutung der Ergebnisse entgegengebracht hat. 
10. Aus der Tätigkeit der Siedlungsgesell- 
schaften 
In diesem letzten Abschnitte kommen wir endlich zu der 
auf die unmittelbare Verwirklichung des Gedankens der 
Kriegerheimstätten gerichteten Tätigkeit, für welche all das 
bisher Behandelte schließlich doch nur Vorbereitung und 
Voraussetzung bildet. Wir behandeln 
a) die Heimstättengesellschaft in Sachsen, Sitz Dresden, 
b) die Sächsische Kriegersiedlung, Sitz Leipzig, 
I) die Bezirks-Siedlungsgesellschaften, 
4) anderweite Siedlungs= und Bautätigkeit. 
n) Die Heimstättengesellschaft in Sachsen, gemeinnützige Gesell- 
schaft, G. m. b. H., in Dresden 
Diese Gesellschaft stellt sich als ein Unternehmen dar, 
das sich als eine Mischform von öffentlichem und privatem 
Charakter, als ein Privatunternehmen mit gemein- 
nützigem Charakter bezeichnen läßt. Sie ist burz vor Be- 
ginn des Weltkrieges, am 27. Juni 1014, gegründet und 
unter dem 6. August 1014 gerichtlich eingetragen worden. 
Ihr erster Geschäftsführer und kaufmännischer, wirtschaft- 
licher und technischer Leiter ist Herr Direbtor Hans Bra- 
der-Hellerau, der eigentliche Begründer des Unternehmens, 
ihr zweiter Geschäftsführer als juristischer Vertreter Herr 
Rechtsanwalt Walter Groß-Dres#den. 
Die Heimstättengesellschaft in Sachsen verfolgt den Zweck, 
der Lösung der Kleinwohnungsfrage insbesondere durch 
Schaffung von Siedlungen, von Heimstättenkolonien über- 
haupt an ihrem Teile zu dienen, sie will sich überall da be- 
tätigen, wo es nottut, angebracht und möglich ist und wo 
örtliche Siedlungsgesellschaften dafür nicht in Frage kom- 
men. Die genannte Gesellschaft hat einen Prospekt ver- 
öffentlicht, der über ihre Organisation, über ihren Zweck 
und ihre Ziele näher unterrichtet. Des weiteren liegen 
Muster für Kauf-, Miet= und Kaufanwartschaftsverträge, 
ferner Prospekte über die zunächst in Aussicht genommenen 
Siedlungsanlagen in Auerswalde, Augustusburg, Dresden- 
Seidnitz, Erdmannsdorf und Bad Lausick usw., sodann der 
Gesellschaftsvertrag und der erste Jahresbericht vor. 
Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesell- 
schaftsvertrages: 
die Beschaffung gesunder und zweckmäßig eingerichteter 
Kleinwohnungen zu billigen Preisen für minderbemittelte 
Personen. 
Zwecks Ausschlusses jedweder spekulativen oder willkür- 
lichen Verteuerung der Preise des Bodens und der Woh- 
nungen hat die Gesellschaft in Verkaufsfällen grundbücher- 
lich das Recht des Wiederkaufes nach § 40 ff. des B. G. B., 
bzw. bei Verzicht auf Anwendung dieses Rechtes das Recht 
auf einen größeren Anteil am erzielten Gewinn für alle 
späteren Verkäufe der veräußerten Grundstücke und Ge- 
bäude sich zu sichern. Auch hat sich die Geseleschaft grund- 
buchlich den Anspruch darauf zu sichern, daß die veräußer- 
ten Häuser dauernd ihrem ursprünglichen Wohnzwecke er- 
halten bleiben. Grundsätzlich besteht Unkündbarbeit 
sowie Ausschluß von Mietsteigerungen unter der 
notwendigen Voraussetzung für die Sicherheit und Ren- 
tabilität des Unternehmens. Die Geschäftsführung unterliegt 
der Überwachung durch den Verband sächsischer gemeinnützi- 
ger Bauvereinigungen. 
Die Heimstättengesellschaft ist nach den Ausführungen 
über Organisation, 3weck und Ziele der Gesellschaft im Ge- 
gensatz zu den sonstigen ähnlichen gemeinnützigen Bauver= 
einigungen, deren Wirkungskreis meist ja wohl durchgehends 
örtlich beschränkt ist oder sich doch nur auf einen umgrenzten 
Bezirk erstreckt, auf breiterer Grundlage aufgebaut. Sie 
kann ihre Tätigkeit auf alle Geschäfte ausdehnen, die mit 
den Bestrebungen der Wohnungsfürsorge zusammenhängen, 
ihr Geschäftsbetrieb erstreckt sich über das ganze Gebiet 
Sachsen. Sie erstrebt dabei in erster Linie ein Zusammen= 
arbeiten mit Gemeinden. Seit 10914, ihrem Gründungs- 
jahr, hat sie trotz der Kriegsverhältnisse in einer ganzen An- 
zahl von Gemeinden die Errichtung von Kleinhaussiedlungen 
unter Mitwirkung der Gemeinden organisiert und ist nach 
Ausführungen in dem im Auftrage der Sächsischen Zentral- 
stelle für Wohnungsfürsorge herausgegebenen Sonderheft 4 
über Kriegerheimstätten mit über 40 Gemeinden in Ver- 
handlungen getreten. 18 Siedlungen wurden bei Kriegs- 
ende bereits organisiert. Die Zahl der Siedlungsbewerber, 
die sich der Heimstättengesellschaft bedienen wollen, hat das 
erste Tausend weit überschritten. Es sind vorwiegend Kriegs- 
teilnehmer, etwa die Hälfte von allen Bewerbungen hat 
Kapitalabfindung zur Grundlage. Die Vermietung der 
Häuser und Wohnungen erfolgt auf Grund eines Miet- 
vertrages, durch den den Wohnungsinhabern die Unkünd- 
barkeit der Wohnungen und der Ausschluß der Mietsteige- 
rung grundsätzlich gewährleistet ist. Auch Erwerb zu Eigen- 
tum, sofortiger oder allmählicher, ist vorgesehen. Der Miet- 
vertrag gilt auf unbestimmte Zeit und kann von der Gesell- 
schaft nicht gekündigt werden, solange der Mieter seine 
Vertragspflichten erfüllt. Zu diesen Pflichten gehören die 
Einhaltung der vertraglichen Zahlungen, die pflegliche Be- 
nutzung und Instandhaltung der Wohnung und des Gartens 
und ein verträgliches Benehmen gegenüber den Nachbarn. 
Dem Mieter steht das Recht zu, den Vertrag mit viertel- 
jährlicher Frist aufzukündigen. Voraussetzung für den Ab- 
schluß des Mietvertrages ist die Beteiligung des Bewerbers 
an den Baukosten des Hauses durch UÜbernahme von Schuld- 
verschreibungen der Gesellschaft. Die Beteiligung wird in 
der Regel auf den Betrag einer Jahresmiete bemessen. Die 
Schuldverschreibungen werden in Stücken von 150 Mark 
ausgegeben und mit 4 % verzinst, außerdem an den Grund- 
stücken der Gesellschaft dinglich durch eine Treuhänderhypo= 
thek sichergestellt. So gewährt der Mietvertrag dem Mieter
	        
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