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werben und sie vor oder nach der Bebauung oder sonstigen
Errichtung an Genossen veräußern und kann Verträge aller
Art über Grundstücke und deren Verwertung abschließen.
Sie kann ferner die Mitglieder bei der Beschaffung ihrer
Bedürfnisse im Haus-, Land= und Gartenbau treuhänderisch
durch sachverständige gemeinsame Ausführung oder durch
gemeinschaftlichen Bezug des Erforderlichen sowie möglichst
auch durch gemeinsamen Absatz der gewonnenen und her-
gestellten Erzeugnisse unterstützen.“
Danach ist diesem Siedlungsunternehmen der Cha-
rabter ländlicher Siedlung in Wirtschaftsheim-
stätten eigen. Es sind Kolonien, die so entstehen werden.
Da als Siedler Kriegsbeschädigte im Falle der Eignung
zwar auch, aber keinesfalls ausschließlich in Betracht kom-
men, besteht nicht die Gefahr der Isolierung mit den da-
gegen erhobenen berechtigten Bedenken. Da für Absatz der
lberschußerzeugnisse bei der verhältnismäßig leicht erreich-
baren Nähe der Großstadt Leipzig hinreichend gesorgt sein
dürfte — es ist an besondere Verkaufsstellen und betreffs
der Käufer an die große Zahl der Förderer des Unter-
nehmens gedacht — sind auch Besorgnisse in dieser Hin-
sicht kaum am Platze. Im Gegenteile sprechen viele Mo-
mente für eine derartige Gruppensiedlung in der Nähe einer
Großstadt: Ein= und Verkaufsgenossenschaft, Sammeln und
Verwerten der Küchenabfälle der nahen Stadt (Beschäfti-
gung für Invalide), Obst= und Gemüseaufbewahrungsräume,
gemeinsame Absatzpropaganda, sachkundige Anleitung, zweck-
entsprechende, gewinnsteigernde Behandlung und Aufmachung
der Produkte. „Dort, wo eine Reihe von Siedlern einander
benachbart sich niedergelassen haben, wird sich ferner Bedarf
an Handwerkern, Gewerken — Uischler, Zimmermann,
Schuster, Bäcker, Schneider — und an Läden (einfacher,
dörflicher Art) für Kurzwaren, Landesprodukte, Kolonial=
waren einstellen. Auch wird sich bei der Verwaltung für
manchen Kriegsbeschädigten ein kleiner Posten finden lassen,
dessen Einkünfte seine Eristenz erleichtern.“ .
Was Boden= wie klimatische Verhältnisse, Aufschließungs-
kosten, Schul= und Steuerverhältnisse, Nähe und leichte
Erreichbarkeit der Stadt anbetrifft, so ist Wachau, acht
Kilometer vom Innern der Stadt Leipzig, wenige Kilometer
von den Endstationen der Straßenbahn entfernt, in nächster
Nähe der geplanten Schnellringbahn mit seinem reichen,
selbst in den trockensten Zeiten nach langjähriger Erfahrung
günstigen Ackerboden überaus vorteilhaft gelegen und so
groß, daß nach und nach bis zu 250 Ansiedlungen in Größe
von mindestens je 2500 Quadratmeter möglich sind, wo-
bei eine Erweiterung im Bedarfsfalle gesichert ist. Der
Grundpreis des Bodens ist in Anbetracht seiner Güte und
günstigen Lage außerordentlich gering — für das unmittel-
bar anschließende nackte Land ist jetzt schon der doppelte
Preis von Gärtnereien bezahlt worden.
Außer bei Wachau ist bereits Ansiedlung bei Seebenisch
— mit guter Bahnverbindung nach Leipzig — bei Hirsch-
feld-Engelsdorf, bei Zwenkau, in Wahren, in
Plösitz bei Taucha (besonders für Arbeiter und Ange-
stellte) in Aussicht genommen, ebenso in anderen Gegenden
der Kreishauptmannschaft Leipzig, wenn Bedarf dafür ein-
tritt, nicht zuletzt auch im Weichbild der Stadt Leip-
zig selbst, z. B. auf Stötteritzer Flur.
2. Was erhält der Ansiedler?
In der RNegel ein Gelände von besagter Größe mit ge-
räumigem Einfamilienhaus, enthaltend: Keller, Wohnküche,
Stube im Erdgeschoß, drei Kammern im Mansardendach,
Oberboden, Wasch= bzw. Werkstattraum, Kleinviehstallung,
kunstgerecht erstellt, dazu Gartenland mit Brunnen oder
Wasserleitung, eingehegt, meist schon mit den nötigen Obst-
bäumen bepflanzt, ein Anwesen, von vornherein auf Er-
zielung von Mehrertrag, d. h. von Ertrag über das Ver-
brauchsquantum des Siedlers und seiner Familie hinaus be-
rechnet. Eine solche Normalansiedlung hat einen Wert bei
2500 Quadratmeter Land von 1500o bis 24000 Mark
Kriegspreis, je nach Größe der Räume und der zum Hause
gehörigen Ausstattung.
3. Welches ist die Form der Übernahme einer
solchen Siedlung und was hat der Siedler zu
leisten.
Die Form ist ein Mietvertrag mit anschließendem Kauf-
anwartschaftsvertrage bzw. gleich ein Kauf. Die Mietzeit
soll als Probezeit gelten. Maßgebend für die Höhe des
Bodenpreises ist der landwirtschaftliche Nutzungswert. Der
Erwerb des Anwesens durch den Ansiedler beginnt mit einer
durchaus seinen Verhältnissen angepaßten mäßigen An-
zahlung. Für den Rest des Kaufpreises verschafft ihm die
Genossenschaft die Gelder aus Privathand, aus öffentlichen
Kassen (Landeeversicherungsanstalt, Sparkassen), vom
Frauendank oder Heimatdank (nur bei Kriegsverletzten mög-
lich) und von der Genossenschaft selbst. Alle Darlehen
werden zur allmählichen Entschuldung als Tilgungshypo-
theken (zu 4¼,%) gewährt und mit jährlich 3/10%% des
ursprünglichen Gesamtwertes zuzüglich der infolge von Til-
gung ersparten Zinsen abgetragen. Im Erbfalle könnte leicht
Neubeleihung erfolgen. Die Tilgungshypotheken werden bei
getreulicher Erfüllung der Voraussetzungen durch den Sied-
ler unkündbar und der Zinsfuß für alle Beträge tunlichst
gleichmäßig hoch sein. Treuhänder für die Darleiher soll
gegen Sicherheit (Verpfändung der Hypothek) tunlichst die
Genossenschaft sein, im gegebenen Falle unter Bürgschaft-
übernahme der betreffenden Gemeinde oder des Bezirks.“
Die Genossenschaft führt diese Geldgeschäfte, die reinen
Überschüsse kommen nur den Genossen zu — bis zur Höhe
von 4% als Zinsen auf die Anteile — der Rest nur den
tatsächlich Angesiedelten.
4. Ist der Siedler an die Genossenschaft
dauernd gebunden?
Es besteht Wiederkaufsrecht seitens der Genossen-
schaft oder der Gemeinde oder des Bezirkes. Bei Aufgabe
der Heimstätte erhält der Siedler den Einstandswert des
Hauses abzüglich Abnutzung und den des Geländes zuzüg-
lich des tatsächlichen Wertes der Verbesserungen; über den
jeweiligen Wert entscheiden Sachverständige beider Parteien
unter einem Obmann. Die Hunderte, ja Tausende von Ge-
nossen, die am Gedeihen des Unternehmens besonderes In-
teresse haben, würden auch in erster Linie dafür sorgen, dem
Vorstande geeignete neue Ansiedler vorzuschlagen, um das
Leerstehen eines Grundstückes zu vermeiden, ein Fall, der
wohl theoretisch möglich ist, aber in der Praxis kaum vor-
kommen wird.
5. Welcherlei Förderung für den Siedler ist
vorgeseben?
Zur Erzielung bester Erträgnisse wird tunlichst nur der
Anbau solcher Gemüse= und Obstsorten oder solche Klein-
tierzucht betrieben, die in der jeweils besiedelten Gegend
nach langjähriger Erfahrung von Fachleuten ertragsreich sind
und leichten Absatz zu guten Preisen finden. Besondere Aus-
schüsse werden für Beratung eingesetzt werden. Die Ansied-
lung in der Nähe der Großstadt, aber auch in der Nähe
größerer Güter, Nittergüter und Dörfer soll den dazu noch
fähigen Männern und dem Nachwuchs tunlichst Gelegen-
heit wenigstens zum teilweisen Arbeitsverdienst in der Um-
gebung auf dem Lande oder in den freien Berufen, Handel,
Handwerk, Industrie usw. bieten.
6. Kommt der Siedler auf seine Kosten?
Zur Beantwortung dieser Frage wäre die Aufstellung
einer Berechnung gewiß am zweckmäßigsten. Eine solche
findet sich auch tatsächlich in dem Schriftstück „Jedem
Krieger seine eigene Scholle“, nur sind die daselbst im
Jahre 1913 verzeichneten Zahlen bei der langen Dauer des
Krieges in einem Maße hinfällig geworden, daß es sich