Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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etwa eintretender Verbesserung ihrer Vermögens= oder Ge- 
sundheitsumstände, wiederum zu entziehen, oder solche zu 
vermindern“!! Höchstens sollte Wiederanstellung erörtert 
werden können. 
Aus der großen Zeit vor 100 Jahren stammen also die 
Grundlagen unserer freiwilligen wie staatlichen Kriegsbe- 
schädigten= — oder wie man früher sagte — Inwalidenfür- 
sorge. Die späteren Regulative bzw. Gesetze in Sachsen 
(183 5/37, 1352 und 1868) haben, ebenso wie die im übri- 
gen Deutschland oder die Reichsgesetze (von 1871, 1901 
und 1900), nichts Grundlegendes an ihnen geändert, wenn 
sie auch Verbesserungen in der Höhe der Renten, in der 
Hereinziehung und Abstufung der verschiedenen niedereren 
Grade der Invalldität u. a. einführten. Neue Züge brachte 
seit 1830 der Gedanke des Zusammenschlussec und der 
gegenseitigen Unterstützung ausgedienter Kameraden 
(in Sachsen der Königl. Sächs. Militärvereinsbund, Sachsen= 
Stiftung), der sich in der Gegenwart noch weiter belebte. 
Ein beachtliches Gegenstück gab es freilich schon zur geit 
wo die Landsknechte aus ihrer Löhnung einen Batzen ab- 
geben mußten, der dann für die Kranken und wohl auch 
gelegentlich für die Invalidenversorgung mit herangezogen 
wurde. Späterhin bieten die Abzüge von der Löhnung zwar 
auch eine gewisse Ahnlichkeit mit der Beisteuer von Kame- 
raden für Kameraden, sie sind auch eine Art Zwangs- 
versicherung, wie heute bei der Kranken= und Inva- 
lidenversicherung, aber mit dem gewaltigen Unterschied, daß 
der einzelne Soldat keinerlei Einfluß auf die Verausgabung 
mehr hatte, so daß die Gelder, während die Invaliden in 
größter Not steckten, allzu oft im Drange des Geldbedürf- 
nisses anderen Zwecken zuflossen, wofür wir schon oben 
Beispiele angeführt haben und hier zum Schluß noch eines 
erwähnen: ein Schreiben August des Starken an seinen 
Kriegs-Kanzleirat, in dem er der Verwendung der Inva- 
lidengelder zu fremden Zwecken Einhalt gebietet und ihre 
sofortige Rückerstattung fordert (1696). Auch die Stif- 
tungen, die in früheren Zeiten wohl vorkamen, aber nur 
geringe Ausdehnung besaßen und gufallssache waren, 
wurden fest gestaltet und zu weiterer Wirksamkeit aus- 
gebaut. Darüber hinaus hat die heutige große Zeit neuen 
Gesichtspunkten für die Verbesserung des Loses der Kriegs- 
beschädigten schon zur Verwirklichung verholfen und wird 
auch, voraussichtlich in nächster Zeit schon, weitere 
neue Bahnen noch beschreiten und dadurch jener ver- 
gangenen großen Zeit Ebenbürtiges zur Seite stellen. Und 
wenn sie, wie noch wenig bekannt sein dürfte, schon die 
gemeindliche, bzw. Kreisversorgung nach den jeweiligen Be- 
rufen kannte, wobei „für jeden Einzelfall mit spezieller Be- 
rücksichtigung konkreter und individueller Verhältnisse die 
Unterstützung besonders arbitriert und festgesetzt werden 
sollte“", so sind dies gerade Bestrebungen, die jetzt wieder 
in den Vordergrund treten und an jener Zeit gewiß ein 
nicht nur theoretisch beachtenswertes Vorbild finden können. 
Mit Ausnahme der Aufnahme in ein eigentliches In- 
validenhaus spiegelt sich also auch in Sachsen das Kriegs- 
beschädigtenfürsorgewesen der früheren Zeiten getreulich wie- 
der. Es war durchaus auf der Höhe der Zeiten, ja vor 
hundert Jahren leistete es Übermenschliches. Wenn es trotz- 
dem nicht auf der Höhe der Erfordernisse stand, so war dies 
nicht etwas Sachsen Eigentümliches. Kein Land hat je und 
wird je ganz die Schäden eines Krieges an den Betroffenen 
auszugleichen vermögen. 
Die bürgerliche Kriegsbeschädigtenfürsorge 
Von Dr. Koepert, Dresden 
Nachdem Stabsarzt Dr. Weiser an anderer Stelle bei 
der Schilderung des Gesundheitswesens im Welt- 
kriege auch die Bestrebungen des „Roten Kreuzes“ 
sowie des „Heimatdank“ kurz gewürdigt hat, soll im 
Nachfolgenden die bürgerliche Kriegsbeschädigtenfürsorge 
etwas ausführlicher nach ihrer Entstehung, Leistung und 
ihren Zielen geschildert werden. Gerade nach dem unglück- 
lichen Ausgang des Weltkrieges ist es doppelt Pflicht, den 
bedauernswerten Opfern desselben beizustehen, nicht bloß 
auf dem Wege der Geldunterstützung, sondern auch durch 
Beratung und Arbeitovermittlung, sowie, falls 
eine Umschulung zu einem andern Berufe als notwendig 
erkannt wird, durch Gewährung einer Ausbildung. 
Jedenfalls muß als erstrebenswertes Ziel der Kriegsbeschä- 
digtenfürsorge die wirtschaftliche Wiedergeburt der 
Kriegsbeschädigten voranleuchten. 
Nachdem im Hochsommer 1914 der Krieg begonnen, die 
ersten Schlachten geschlagen und die ersten Verwun- 
deten dein heimatlichen Lazaretten zugeführt worden waren, 
regte sich allenthalben im Sachsenlande ein werktätiger 
Geist der Nächstenliebe, der bestrebt war sich nützlich 
zu machen und den Verwundeten nach Kräften Gutes 
zu tun und ihnen, soweit dies möglich war, zu helfen, 
sie zu trösten und zu beraten. Es bildeten sich Ver- 
einigungen, welche bezweckten, den Verwundeten nicht nur 
die Langeweile im Lazarett durch eine anregende und nütz- 
liche Tätigkeit zu verkürzen, sondern auch sonst für Aus- 
bildungogelegenheiten zu sorgen, teils zur Auffrischung und 
Erweiterung schon vorhandener Kenntnisse und Fertigkeiten, 
teilg zur Erwerbung neuen Bildungsstoffes für einen nach 
eingehender Beratung als notwendig erkannten Zweck. So 
bildete sich in Leipzig unter der Leitung von Alfred 
Voerster und Reinhold Niitzsche der Leipziger Aus- 
schuß für Kriegs-Invaliden-Fürsorge, in Chemnitz entstand 
die Hilfsstelle für Kriegsbeschädigte im Regierungsbezirk 
Chemnitz, welcher Präsident Kautzsch und Schuldirektor 
Mandl vorstand. In Dreöden war es der Schreiber dieser 
Zeilen, welcher mit werktätiger Unterstützung des verstor- 
benen Direktors des Invalidendank, Hofrat Zimmer, die 
jetzt noch bestehende Einarmigenschule ins Leben rief, als 
erste derartige Einrichtung in Sachsen, als zweite in Deutsch- 
land. Um diese anfangs etwas zersplitterte Tätigkeit ein- 
heitlich zusammenzufassen und zu organisieren, berief der 
Vorsitzende des Landesausschusses für Krüppelforsorge Ge- 
heimrat Dr. Numpelt, eine Versammlung nach dem Mini- 
sterium des Innern, welche sich im Februar 1915 schlüssig 
wurde, im Anschluß an die schon bestehenden Krüppelhilfs- 
vereine zu Dreoden, Zwickau und Leipzig die Gründung von 
Arbeitsausschüssen in die Wege zu leiten, von denen 
aus dann in den Städten des Landes Unterausschüsse mit 
Vertrauensmännern gegründet wurden. Anfang April dols 
war diese Organisation beendet und hat ihre Tätigkeit bis 
zur Gründung des Heimatdank fortgesetzt, dergestalt, 
daß Ende lols die Eingliederung der bisherigen Arbeits- 
ausschüsse in die Organisation des im Juni lols gegrün- 
deten Heimatdankes beendet war. Derselbe ist über das 
ganze Land verbreitet und zählt zurzeit etva# 10 3 Vereine 
mit einem Mitgliederstande von 160 doo Mitgliedern. Die 
Organisation des Heimatdankes, um welche sich Geheimer 
Regierungsrat Freiherr von Welck das größte Verdienst 
erworben hat, schließt sich eng an die staatlichen und städti- 
schen Verwaltungsbehörden an; für jeden städtischen oder
	        
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