die sehr fleißig übten und dann den Lagereinwohnern gegen
ein niedriges Eintrittsgeld Vorstellungen gaben. Diese
standen nicht selten auf bewundernswerter Kunsthöhe. Die
Ausstattung der Spielräume stellten die Kriegsgefangenen
zum Teil mit einfachsten Mitteln selbst her oder kauften
sie durch Vermittlung des Lagers. Die Musiker bezogen
die Tonträger entweder aus der Heimat oder ließen sie in
Sachsen für eigenes Geld beschaffen. Die Russen allerdings
verstanden ihre so beliebte Balalaika selbst herzustellen.
Nicht unerwähnt mag bleiben, daß die bürgerliche Kleidung,
die in manchem Schauspiel getragen wurde, die Gefangenen
zu Fluchtversuchen verführte. Zeitweise verbot darum das
Lager jede Schauspiel- und Musikaufführung. Das wurde
immer als harte Maßregelung empfunden, denn die Ge-
fangenen strömten sonst in Haufen zum Musenhause, wie
auch die Uberschüsse aus den Ein-
trittsgeldern bewiesen, die in die
Kasse des Kriegsgefangenen-Hilfs-
ausschusses flossen.
Weniger künstlerisch veranlagte
Gefangene der gelehrten Berufe, wie
Lehrer, Rechtsgelehrte u. a., er-
öffneten Unterrichtsgänge, besonders
zur Fortbildung in den Sprachen,
oder hielten Vorträge in bestimm-
ter Sachfolge. Dann richteten sie
Büchereinen ein, für jedes Volks-
tum eine, und zwar durch Neu-
käufe aus dem deutschen Buchhan-
del, durch Schenkungen aus den
Heimatsendungen oder durch Über-
weisung von Büchern durch Für-
sorgeausschüsseoder Heimatanstalten.
So sandten die Hochschulen Genf
und Freiburg in der Schweiz wieder-
holt leihweise wertvolle wissenschaft-
liche Bücher für studierende Kriegs-
gefangene, die durch den Krieg aus
ihrer Arbeit herausgerissen worden
waren, und zwar erfolgten diese für-
sorglichen Sendungen größftenteils auf Grund der geäußerten
Wünsche.
Jeitungen allerdings waren anfangs ausnahmslos ver-
boten, deutsche wie fremdsprachliche; bald aber erschienen
die von unserer Heeresleitung selbst herausgegebenen, in
deutschem Sinne wirkenden fremdsprachlichen Zeitungen wie
Le Bruxellois, La Gazette des Ardennes, Der russische Bote
u. a. m. Diese kamen zunächst in großer Zahl kostenlos
zur Verteilung unter die Kriegsgefangenen; später waren
sie in den Lagerverkaufsstellen für Geld erhältlich und
wurden auch von den Arbeitsabteilungen regelmäßig bezogen.
Im weiteren Verlaufe des Krieges erlaubte man in jedem
Lager eine Anzahl ausgewählter deutscher Zeitungen, die
vor Aushändigung an die Gefangenen von der Postprüfungs-
stelle auf ungeeignete Stellen hin durchzusehen waren. Zu-
letzt durfte jede deutsche Zeitung im Lager Eingang finden,
allerdings nur durch Vermittelung der zuständigen Lager-
stelle. Außerdem haben manche Lager den Versuch gemacht,
eine eigene Zeitung herauszugeben. Er ist aber in jedem
Falle nach kurzer Zeit gescheitert.
Bei der Auswahl der Bücher wie Zeitungen spielte die
Rücksicht auf die Kirchlichkeit und den Glauben der Leser
eine gewisse Nolle. Die eigentliche Seelsorge begann da
schon. Sie nahm unter den Maßnahmen der Lager, die
auf Seelenpflege abzielten, eine hervorragende Stellung
ein. Das erscheint ganz natürlich dem, der da weiß, daß
nach Abschnitt 18 des Haager Abkommens jedem Kriegs-
gefangenen volle Glaubensfreiheit und Teilnahme am
Gottesdienste zu lassen ist und die Einhaltung dieser Be-
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stimmung innerhalb des Lagerbetriebes äußerst schwierig
war. Soweit die Offiziersgefangenenlager in Betracht
kamen, war sie noch am leichtesten auszuführen, wie schon
früher angedeutet worden ist. Anders in den Mannschafts-
lagern.
Hor- traten von Anfang an die kriegsgefangenen Geist-
lichen selbst als Seelsorger auf, worauf vorübergehend auch
schon hingewiesen wurde. Unter den Franzosen waren das
Soldaten. Alle diese Kriegsgefangenen genossen von dem
Augenblick an, wo sie als Geistliche anerkannt waren, die
Unterkunft und Behandlung, wie sie sonst nur Offizieren
zustand, behielten hingegen ihren ursprünglichen Dienst-
grad, was ja für einen etwa beabsichtigten Austausch wesent-
lich sein konnte. 6
Sie beschränkten ihre Tätigkeit nicht bloß auf das Lager,
Bücherei des Gefangenenlagers Königsbrück
sondern gingen auch, von einem Zweisprachler begleitet,
nach den großen Arbeitsabteilungen in Sachsen und ließen
die vereinzelt arbeitenden Volksgenossen an einem bequem
zu erreichenden Bereichsmittelpunkt zum Gottesdienste zu-
sammenkommen. Seit Ende 1917 erlitt dieser Außendienst
eine merkliche Einschränkung, indem er sich nur noch auf
die großen Zweig= und Sammellager, wie Großporitsch bei
Zittau, Olsnitz im Erzgebirge, Altenberg-Geising und aus-
nahmsweise auf die größten Arbeitsabteilungen, z. B.
Braunkohlenwerke Hirschfelde bei Zittau, erstrecken durfte.
Allen Gottesdiensten und sonstigen Seelsorgehandlungen
wohnte ein deutscher Zweisprachler bei, um Mißbräuchen in
Form von Verhetzung und anderem üblem Einfluß vor-
zubeugen oder auf die Spur zu kommen. Eine Ausnahme
machte die Beichte. Daß solche Vorsichtsmaßregeln not-
wendig waren, beweist der Umstand, daß kriegsgefangene
Geistliche ihren Landsleuten zur Flucht verholfen, in den
Arbeitsabteilungen zu hetzen versucht und zwischen diesen
und dem Stammlager Nachrichten vermittelt hatten. Die
Lagerkirche, die während des ganzen Tages geöffnet war,
ist sogar in einem Falle zu unerlaubten Versammlungen,
in einem anderen zur Vorbereitung auf Flucht benützt
worden. Aus diesen Gründen mußte man bei der Auswahl
der fremden Geistlichen vorsichtig verfahren und die Wander-
seelsorge ihnen ganz entziehen. Diese wurde bald nur noch
durch deutsche und am Kriege nicht beteiligte Geistliche
auögeübt, die der fremden Sprache genügend mächtig waren.
Die Franzosen erbaute der von ihnen hochgeschätzte Schweizer
Pfarrer Nicole, der in Berlin amtierte, die übrigen Ge-