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bettet auf der weiten flachwelligen Ebene rings um die
Altstadt Leipzig ruhen. Es war das letzte glänzende Schau-
spiel, bei dem sich um den Deutschen Kaiser, König Friedrich
August von Sachsen und andere verbündete deutsche Fürsten
Vertreter auswärtiger Mächte, der einst wider Napoleon
Verbündeten, scharten, als ob sie huldigen wollten. Aber
es war mehr als dies: ein schlicht volkstümlicher Weiheakt,
der Deutschlands Volkskraft, Aufopferungsfähigkeit und
Freiheitsliebe galt, zugleich ein hochgemutes Erinnern, freu-
dig stolzer Ausdruck der strahlenden Gegenwart und heilig-
ernstes Gelübde für die Zulunft. Für Sachsen aber hatte
der festliche Tag noch seine besondere Bedeutung. Einst
war hier zu Lande der Geist von 1813 nicht zu voller Wir-
kung gelangt, obschon es wahrhaftig nicht an deutscher
Gesinnung und opferbereiten, von glühender Begeisterung
Wenige Monate später erhob sich auf demselben Felde der
Ehre eine neue sinnvoll erbaute Ausstellungsstadt: nach
der Dresdener Weltausstellung, die der größten Wohltäterin
der Menschheit, der auf feinste wissenschaftliche Beobach-
tung gegründeten und in echt sozialer Gesinnung gepflegten
Hygiene gewidmet war, und der Leipziger Ausstellung des
Vorjahres, die dem Fortschritt der Baukunst, der Wohn-
und Siedelungskultur galt, nun im Schicksalsjahr 1914
die „Bugra“, die Weltausstellung des geistigsten aller Ge-
werbe, für Buchgewerbe und Graphik, in Leipzig, das in
einer Entwicklung von drei Jahrhunderten zum Mittel-
punkt des deutschen Buchhandels geworden war und eine
ansehnliche Reihe von Firmen eines wirklichen Weltverlags
in sich birgt. Nach wohldurchdachtem Plane ordneten sich
in reizvoll wechselnden Stilformen die mancherlei Baulich=
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Die „Halle der Kultur“ auf der Weltausstellung für Buchgewerbe und Graphik zu Leipzig 1914
erfüllten Männern und Jünglingen gefehlt hat. Nun aber,
im Jahre 1913, nach manch leidvoller Erfahrung und doch
wieder erneutem innerem Aufschwung, klang Sachsens
Stimmung völlig einmütig mit der des ganzen deutschen
Vaterlandes zusammen; i in Sachsen war der Man der Denk-
malsstiftung erdacht, in Sachsen wurde ein großer Teil
der Scherflein gegeben, aus denen allmählich der mächtige
Bau erskand. Nun ist der Tag seiner Weihe mit wehenden
Fahnen und grünem Reisigschmuck an Ehrenpforten und
Häusern, mit prächtig zum Abendhimmel lohenden Flam-
mengarben und vieltausendfältigem, stillem Lichterglanz, mit
all dem jubelnden Volbksgewimmel auf Straßen und Plätzen
das letzte wahrhaft deutsche Fest im ganzen weiten Vater-
land geworden am Auggang eines über vierzigjährigen Zeit-
raums friedlicher Entwicklung deutscher Größe und Herr-
lichkeit. Zu Füßen des wuchtig aufragenden Denkmals aber
breitete sich das Gelände aus, wo die mittlere der drei
trefflich gelungenen Weltausstellungen der Jahre 1012 bis
1914 auf sächsischem Boden, die Internationale Baufach-
ausstellung, ihre Hallen und Häuser und festlich heiteren
Anlagen hingezaubert hatte, bestimmt in der Vereinigung
künstlerischen Planens, gesteigerter technischer Leisiungs-
fähigkeit und volkswirtschaftlicher Einsicht Wege zu neuem
Schaffen im Bau= und Siedelungswesen zu bahnen, das
Ganze ein klares Zeugnis dafür, daß Deutschland bei einem
Wettbewerb um den Siegespreis für friedliche Arbeit den
Fremden nicht nachstand, in vielem aber sie offensichtlich
übertraf.
keiten mit dem inneren Reichtum ihrer Schaustellungen,
rings umgeben von Blumenbeeten, Gebüsch und Rasen-
flächen an Wegen, die nach einbrechender Dunkelheit in
märchenhaftem Leuchten erstrahlten. Uber allem ragte
kuppelgekrönt die „Halle der Kultur“", wo auf Grund
sorgsamsten, scharfsinnig beobachtenden Gelehrtenfleißes in
geschmackvoller Ausstattung die Entwicklung des Schrift-
und Buchwesens von den ersten tastenden Versuchen ur-
zeitlicher Menschen bis zur erstaunlichen Höhe des Be-
triebes der Gegenwart vorgeführt war. Daneben bot das
Hauptgebäude „Deutsches Buchgewerbe“ seine überaqus
mannigfaltigen Schätze: die fertigen Werke in einem künst-
lerische Ansprüche befriedigenden Gewand, aber auch die
vielerlei Hilfsmittel für ihre Erzeugung und ihren Ver-
trieb, das alles in geschickt belehrender Form, so daß es
möglich war, einen Einblick ebenso in die allmählichen Fort-
schritte der Technik bis zu ihrem gegenwärtigen Stande,
wie auch in die heutige Entstehung der Druck-Erzeugnisse
zu gewinnen; ergänzend zur Seite traten die Ausstellungen
in den drei Maschinenhallen, in dem mit Turmportal ge-
schmückten Hause der Papier= und Zeitungsdruckerei und
in der stattlichen Halle „Der Kaufmann“. An der „Straße
der Nationen“ reihten sich neben dem sächsischen Staats-
pavillon die Ausstellungsgebäude der fremden Völker; in
vordem noch nie erreichter Weise bot sich hier ein außer-
ordentlich lehrreicher Uberblick über die Leistungen des Buch-
gewerbes und der graphischen Künste fast im gesamten
Ausland. Der Verkörperung wichtiger Bestrebungen im gei-