lichen Geheimen Kriegsgerichtsrat Dr. Walde unterstellt war;
für den Bereich der beiden sächsischen Armeekorps traten,
mit dem Sitze in Dresden und Leipzig, besondere Verwal-
tungsstellen (im Anschluß an die Abteilung für Gerichts-
dienst des stellvertretenden Generalkommandos) in Tätig-
keit; einen Teil der Aufgaben übernahmen sodann die beiden
am 15./21. Dezember 10916 ebenda begründeten Kriegs-
amtsstellen. Es lag in Leipzigs Bedeutung für den Buch-
druck und Buchhandel begründet, daß hier diese un-
gewöhnliche Arbeit einer Kriegsbehörde eine ganz außer-
ordentliche Wichtigkeit nicht nur für Sachsen, sondern
weit darüber hinaus erlangte; die bei der Kriegsamts-
stelle Leipzig, „Referat Presse und Aufklärung“ zur
Durchführung gebrachte Organisation war als vorzüglich
anerkannt. Eine der Obliegenheiten dieser militärischen
Stellen war die Aufsicht über die Tageopresse, doch nicht
nur zu unmittelbaren Zwecken der Zensur, sondern auch
zur Information über die Strömungen in der öffent-
lichen Meinung des Inlands und Auslands, soweit sie bei der
Kriegslage in Zeitungen zum Ausdruck kommen konnten.
Dazu trat die Prüfung neu erscheinender Bücher und Bro-
schüren und selbst eine gewisse Uberwachung des Handels-
verkehrs mit früher ausgegebenen Werken, wenn ihr In-
halt (Militärwesen, Technik, Chemie, Medizin) für die krie-
gerischen Vorgänge der Gegenwart bedenklich sein konnte.
So häuften sich denn die Druck-Erzeugnisse verschiedenster
Art an jenen Amtsstellen oft in höchst ansehnlichen Mengen
zur Bearbeitung an. Es darf dabei als ein guter Neben-
erfolg verzeichnet werden, daß aus der fleißigen Arbeit,
welche auf die Bewältigung dieser Massen bedruckten
Papiers verwendet ward, neben der Erfüllung der un-
mittelbaren praktischen Zwecke eine wirkliche Bereicherung
der Kenntnis des Volks, seiner Denkweise und Sinnesart
bei den staatlichen Behörden hervorging, wie sie in der Vor-
kriegszeit nicht erreicht gewesen war.
Neben dem kriegsamtlichen Einfluß wirkten die schon
vom Frieden her berufenen Mächte #m Reiche des gedruckten
Gedankens fort. In Zeiten eines erhöhten geschichtlichen
Pulsschlags mußte die Presse als Organ des öffentlichen
Lebens gesteigerte Bedeutung erlangen. Große ungewöhn-
liche Aufgaben entstanden ihr, aber auch starke Hemmungen,
die im Laufe des Krieges noch störender wurden. Es war
ein Verdienst des „Landesverbands der sächsischen Presse“"
sowie auch örtlicher Vereinigungen, die gemeinsamen In-
teressen wirksam vertreten und zur Überwindung der man-
cherlei Schwierigkeiten glücklich beigetragen zu haben, so daß
die Presse Sachsens gut „durchzuhalten“ vermochte.
Die eigentümliche Lage, in welcher sich die Presse während
der Kriegszeit befand, einerseits das gewaltig anschwellende
Bedürfnis nach geitungsnachrichten, anderseits die vielfachen
Beschränkungen bei der Herstellung von Preßerzeugnissen,
hatte eine zwiespältige Entwicklung zur Folge. Einzelne
Tagesblätter erreichten eine getwaltige Steigerung ihres Ver-
triebs; die verbreitetste in Sachsen, die „Leipziger Neuesten
Nachrichten“, eine der gelesensten Zeitungen in Deutsch-
land wie auch in manchen Abteilungen des Feldheers, er-
schien zeitweilig in einer Auflage von über 200 doo Exrem-
plaren. Aber wo einzelne Zeitungen stark anwuchsen, gin-
gen andere zurück; dies Los betraf natürlich solche, die
ohnehin schon im Frieden einen minder zahlreichen oder nur
räumlich beschränkten Leserkreis gehabt hatten. Doch hiel-
ten sich in Sachsen nicht nur alle großen Tageszeitungen,
sondern #m ganzen recht gut auch die „Provinzpresse“.
Häufiger war die zeitweilige Einstellung des Erscheinens
oder das Eingehen bei den kleineren Fachzeitschriften.
Sehr wesentlich änderten sich im Kriege die Herstellungs-
bedingungen der Presse, überhaupt die Grundlagen des Be-
triebs. Ein beträchtlicher Teil der Arbeitskräfte wurde ihr
durch die Einberufungen entzogen; aber auch die Beschaf-
Sachsen in großer Zeit. Band III.
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fung der unentbehrlichen Rohstoffe wurde beschränkt, ins-
besondere der Papierbedarf von Kriegsamts wegen geregelt.
Mit dem Zusammenschrumpfen des Inseratenteilo verklei-
nerten sich die gewohnten Einnahmen, so daß die Fort-
führung des Unternehmens in Frage gestellt werden konnte.
Der im Frieden ausgebildete Nachrichtendienst war vielfach
gestört; statt dessen waltete die Zuweisung amtlich geprüfter
Mitteilungen vor. Allerdings stellten sich auch neue Mit-
arbeiter zur Verfügung: es ließ sich bemerken, daß Ver-
treter fachwissenschaftlicher Forschung mehr als zuvor in
Tageszeitungen das Wort ergriffen; willkommene Beiträge
waren auch Veröffentlichungen brieflicher Art über Er-
lebtes und Beobachtetes. Eine besondere Rolle spielten
natürlich die Darstellungen der ins Feld gesandten „Kriegs-
berichterstatter“. Was die äußere Erscheinungsform betrifft,
so fielen die durch den Druck in die Augen springenden
Überschriften oder durch Größe der Lettern hervorgehobenen
Nachrichten auf: man konnte den Hauptinhalt einer Zeitung
in sich aufnehmen, ohne sie wirklich zu lesen. Ein bezeich-
nender Zug war es auch, daß die Zeitung, was in der Zeit
vor dem Kriege in Sachsen kaum üblich gewesen war, auf die
Straße ging. Der Straßenverkauf wurde freigegeben, ohne
Unterschied der Partei. Besonders war dies bei den „Extra-
blättern“ der Fall, deren musibalisch merklich varü#ertes Aus-
rufen mit mehr oder minder lockendem Anpreisen ihres
vielversprechenden Inhalts in der Erinnerung noch heute
in die Ohren gellt. In Dresden machten die Tageszeitungen
die wichtigsben Nachrichten auch durch Anschlag kleiner Son-
derausgaben in den verschiedenen Stadtteilen bekannt; im
baufmännischer angelegten Leipzig ließ man sich alles be-
zahlen. Daneben veranstalteten die größten Tageszeitungen
ihre besonderen Feldausgaben.
Was die Haltung der sächsischen Presse betrifft, so spie-
gelte sie die der gesamten deutschen getreulich wider. Bereit-
willig ging sie, wenigstens zunächst, allerseits darauf ein,
alles zu tun und zu lassen, was zum Schutze des Vater-
lands und der Volksgenossen zweckdienlich war. Daher
fand sie sich auch mit der Einschränkung durch die Zensur
ab; Verbot einer Zeitung war in Sachsen ein seltener Aus-
nahmefall. Wider die Gegner Deutschlands wandte man
sich, um die Flut ihrer Verleumdungen und Lügen abzu-
wehren. Daß dabei in gerechter Entrüstung mit massivem
Ausdruck, oft auch urwüchsig grob und zornerfüllt ge-
schrieben wurde, war in solcher Zeit nur natürlich; immerhin,
es lief auch manches mit unter, was um der eigenen Würde
willen hätte vermieden werden sollen. Doch wird kein ge-
recht Denkender der Presse Sachsens das Zeugnis versagen,
daß sie sich von aufreizender Verunglimpfung der Feinde
und Unwahrhaftigkeit frei hielt. Dle ungewöhnlichen Maß-
nahmen, welche der Kriegszustand im Innern erheischte,
wurden von der Presse verständnisvoll — bisweilen viel-
leicht mit allzugeneigtem Entgegenkommen gegen die Winke
der Regierenden — gefördert. In der Zeit des Burgfrie=
dens schwieg der Streit der Parteien, bis er in der Erörte=
rung über Kriegsziele und Friedensmöglichkeiten in neuer
Form wieder entfacht ward. Neben dem Politischen und
Wirtschaftlichen brachten die Zeitungen nach Friedens-
gewohnheit — in „Bunten Blättern“ unter dem Strich —
allerhand willkommene Darbietungen aus den Schätzen gei-
stiger Kultur: Belehrendes und Erfreuendes, kleine Er-
zählungen und Gedichte, Mitteilungen über Künstler und
Kunstwerke, Stimmungobilder vom Kriegsschauplatz, Schil-
derungen fremder Länder und Völker. Auch Skizzen von
Zeichnungen fanden häufiger als zuvor Aufnahme; hat es
sich doch gerade die Organisation der Presse angelegen sein
lassen, ein überaus reiches und wertvolles Bildmaterial
aus der Kriegszeit zu sammeln.
Bei der Fülle außergewöhnlicher, bisher ganz unvorstell-
bar gewesener Ereignisse, bei der Bedeutung, welche die
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