370
unbekannte Ferne plötzlich für die Heimat gewann, war
das Bedürfnig nach anschaulicher Wiedergabe dessen, woran
soviel gedacht wurde, ungemein rege. Diesen Trieb befriedig-
ten die Veröffentlichungen, welche sich die Pflege des Bil-
des zur besonderen Aufgabe machten. Unter ihnen ist in
Sachsen die „Leipziger Illustrierte Zeitung“, die
während des Krieges das Jubiläum ihres 75jährigen Be-
stehens beging, die hervorragendste; weit über Sachsen hin-
aus hat sie Verbreitung gefunden und vorbildlich gewirkt.
Nun wurde neben tüchtigen Mitarbeitern von der Feder
ein ganzer Stab von Künstlern aufgeboten, um allerlei
Vorgänge aus dem Leben des Krieges und aller Herren Län-
der, in die er führte, in Schwarzweißkunst oder in farbiger
Wiedergabe, sei es in Skizzen und photographischer Auf-
Geh. Hofrat Dr. L. Volkmann, Präsident der Weltausstellung
für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
nahme, sei es in ausgeführter Zeichnung und im Vollbild
anschaulich zu machen. Nicht nur den Volkögenossen in
der Heimat ward damit ein Dienst geleistet; die Schrift-
leitung dachte großzügig genug, um sich auch eine außen-
politische Aufgabe im Sinne des vaterländischen Gedankens
zu stellen. — Auch eine ganz neue geitschrift, die besonde-
ren Wert auf Illustration legte, entstand eigens für die
Kriegszeit: „Sachsen im Feld und in der Heimat“.
Im Frühjahr 1915 von dem „Ausschuß zur Beschaffung
von Lesestoff für die sächsischen Krieger im Felde“ begrün-
det, stellte sie sich die Aufgabe, von allem zu berichten,
was die sächsischen Truppen seit Kriegsbeginn in heißem
Kampfe und treuem Ausharren leisteten, zugleich bei den
Soldaten die Erinnerung an die teuere Heimat durch schöne
Bilder aus Stadt und Land zu pflegen und auch schlag-
fertigem Witz und guter Laune ihr Recht werden zu lassen.
Die Leitung des Unternehmens hatte Geh. Hofrat Professor
Dr. C. Gurlitt in Dresden; für die Redaktion verantwortlich
war Direktor H. Pfeiffer (in J. J. Webers Verlag) in
Leipzig, dem Frl. E. Steup bei Führung der Geschäfte zur
Seite stand. Eine stattliche Anzahl von Mitarbeitern half
zum Gelingen: Prinzen des Königlichen Hauses, Gelehrte
und Künstler, Tagesschriftsteller, vor allem auch die Feld-
grauen selbst, die in begeisterungofrohen und heiteren Brie-
sen, Bildern, Gedichten und Außerungen unverwüstlichen
Humors erwünschte Beiträge boten. Wahrlich, die Zeit-
schrift hat ihren Zweck erreicht: den braven Kämpfern für
Deutschlands und Sachsens Schutz nach den Aufregungen
der Schlacht, nach den Anstrengungen des Dienstes, oft
auch in Stunden geistiger Ode oder bei der schleichenden
Geduldsprobe des Krankenlagers Anregung und Zerstreuung
zu bringen! Zugleich ist sie ein Kulturdokument zur Ge-
schichte des sächsischen Geisteslebens: die 43 Nummern, in
einer ersten und einer zweiten Folge (in einer Auflage von
anfänglich 44000 Exemplaren) erschienen, werden, wie
ihre Schriftleitung es voraus verkündete, „einst, wenn unser
geliebtes Sachsenland längst wieder unter den Segnungen
des Friedens seine Kräfte entfaltet hat, von unsern Enkeln
als Andenken an große Zeiten geschätzt werden.“
Stattlicher und von vornherein für längere Dauer be-
stimmt als die Tageserzeugnisse der Presse sind Broschüre
und Buch. In Sachsens Betätigung auf dem Gebiete
geistiger Förderung in der Kriegszeit mußte das Buch-
wesen um so mehr eine bedeutsame Rolle spielen, da
in ihm Leipzig liegt, das seit Jahrhunderten zur Haupt-
stadt des deutschen Buchhandels geworden war und, mit
dem Sitze des Börsenvereins Deutscher Buchhändler, auch
noch heute von beiner anderen Stadt Deutschlands über-
flügelt ist; immerhin auch das Buchgewerbe Dresdens
und anderer sächsischer Städte hatte sich ansehnlich ent-
wickelt. Die Leistungen des Druckgewerbes, des Ver-
triebs und der Sammlung von Druck-Erzeugnissen dürfen
wohl als der allereigenste gewichtige Beitrag bezeichnet wer-
den, den gerade Sachsen gemäß seiner Überlieferung und
dank der hier geschaffenen Einrichtungen zur Geschichte
des geistigen Lebens in Deutschland während des Weltkrieges
geliefert hat.
Soeben hatte in Leipzig die Ausstellung für Buchgewerbe
und Graphik, von schönstem Erfolge gekrönt, die Augen
aller Welt auf sich gezogen. Da zerstörte der Kriegsausbruch
die auf sie für den Ausbau geistigen Schaffens gesetzten
Hoffnungen. Sollte der „Tempel der Kultur“ nun sogleich
trauernd geschlossen werden? Die Ausstellungsleitung be-
schloß mit Recht, dies nicht zu tun; warum sollten den
Deutschen die Anregungen, welche das mühereich und geist-
voll aufgerichtete Friedenswerk zu geben vermochte, ver-
sagt bleiben? Es war doch ein stolzer Gedanke, daß auf
deutschem Boden während der Bedrängnisse des Weltkrieges
eine Weltausstellung in glanzvoller Ausrüstung dastand!
So hielt die „Bugra“ durch und steuerte an ihrem Teile
durch mancherlei Veranstaltungen zum Gemeinwohl in der
ersten Kriegszeit bei, bis sie am 18. Oktober 1914 in
ganz schlichter Feierlichkeit geschlossen ward.
Die Schöpfung des Sommers 1914 vor Leipzigs Häuser-
ring war nicht verloren. Zwei Gründungen von dauern-
der Bedeutung für Sachsens und Deutschlands geistiges
Leben, inmitten des tobenden Krieges verwirklicht, sind dar-
aus hervorgegangen: die Schätze der „Halle der Kultur“
wurden genutzt, um den Grundbestand eines „Deutschen
Kulturmuseum“ zu schaffen; zur Förderung dieser
Aufgabe und überhaupt mit der Bestimmung, ein „Sam-
melpunkt deutschen Gelsteslebens auf der Grundlage des
Buches und des graphischen Ausdrucks“ zu sein, wurde
der „Deutsche Verein für Buchwesen und Schrift-
tum in Leipzig“ ins Leben gerufen (am 16. Dezember
1017). Es war eine erhebende Stunde, als in glänzender
Versammlung im Gutenbergsaale des Deutschen Buch-
gewerbehauses die Begründung dieses Vereins mit einer
Ansprache seines Vorsitzenden, L. Volkmann, und einer
Rede von Prof. W. Goetz über deutsches Geistesleben im
Weltkrieg feierlich begangen wurde.
Damit zugleich wurde von Leipzig aus eine weitere Grün-
dung durchgeführt, die für Deutschland von allgemeiner
Wichtigkeit ist: angeschlossen an den Verein für Buchwesen