Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

nen Eingriffe vor allem in die Viehwirtschaft wirkten gleich- 
falls hemmend. Auf der anderen Seite kam der Landwirt- 
schaft zugute, daß sie während der ganzen Kriegszeit einen 
glatten Absatz ihrer stark begehrten Erzeugnisse zu guten 
Preisen hatte, so daß die landwirtschaftliche Bevölkerung in 
ihrer Gesamtheit ihre wirtschaftliche Lage im Kriege zweifel- 
los verbessert und nicht verschlechtert hat. 
Geld= und Jahlungsverkehr 
Ein die gesamte Volkswirtschaft in allen ihren Teilen 
stützender Vorteil war es, daß sich der Geld= und Jahlungs- 
Lerkehr ohne nennenswerte Erschütterungen vollzog. Es war 
eine kluge und weitblickende Maßnahme, daß man von Ein- 
führung eines sogenannten Moratoriums bei uns absah. 
Das dies im Gegensatz zum feindlichen Ausland überhaupt 
möglich war, zeugte am besten von der gesunden Finanz- 
lage der deutschen Volkswirtschaft. Wohl blieben auch in 
Sachsen finanzielle Zusammenbrüche nicht aus, aber in der 
Hauptsache handelte es sich dabei um Unternehmungen, die 
schon im Frieden morsch gewesen waren. Im übrigen 
wurden auf dem Wege der Gesetzgebung umfassende Vor- 
kehrungen getroffen, um vorübergehenden Jahlungsschwierig- 
beiten gegenüber von Fall zu Fall jede Härte auszuschalten. 
Daneben fehlte es auch an positiver Hilfe nicht. Die ge- 
nossenschaftlichen Organisationen, die Banken und sonstigen 
Kredit= und Geldverkehrseinrichtungen erwiesen sich auf 
voller Höhe. Ihre Tätigkeit fand in Sachsen eine wert- 
volle Ergänzung eigener Schöpfung. 
Zur Befriedigung des durch den Krieg hervorgerufenen 
besonderen Kreditbedürfnisses wurde in Sachsen neben den 
vom Reiche getroffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung 
der Eigenart der sächsischen Verhältnisse die Kriegskredit- 
bank für das Königreich Sachsen am §. September 1914 
gegründet; sie eröffnete ihre Tätigkeit am 14. September 
1914. Das Unternehmen ist eine unter Beteiligung des 
Staates und der Städte gegründete Aktiengesellschaft mit 
zehn Millionen Mark Kapital und dem Sitz in Dreêden. 
Die sächsischen Handels= und Gewerbekammern übernahmen 
auf Anregung des Königlichen Ministeriums des Innern 
für rund 8½ Millionen Mark anteilig die Bürgschaft gegen- 
über der Reichsbank zugunsten des von dieser zugesagten 
Diskontkredites. Die Aufgabe der unter staatlicher Auf- 
sicht arbeitenden Bank bildete die Befriedigung des in Sach- 
sen infolge des Krieges in Handel, Indusirie und Gewerbe 
hervortretenden besonderen Kreditbedürfnisses, soweit es 
nicht durch die reichsgesetzlichen Darlehnskassen oder ander- 
weit gedeckt werden konnte. Die Handhabung der Ge- 
schäfte war in sehr glücklicher Weise dadurch dezentralisiert, 
daß 25 örtliche Kreditausschüsse gebildet wurden, deren 
Sitze sich in Annaberg, Aue, Bautzen, Borna, Chemnitz, 
Döbeln, Dresden, Falkenstein, Freiberg, Glauchau, Hohen- 
stein-Ernstthal, Kamenz, Löbau, Markneukirchen, Meißen, 
Neugersdorf, Olbernhau, Pirna, Plauen, Reichenbach, Riesa, 
Waldheim, Wurzen, Jittau und JZwickau befanden. Diesen 
Ausschüssen mit ihrer örtlichen Kenntnis der Personen und 
Verhältnisse lag die Prüfung und innerhalb bestimmter 
Grenzen auch die selbständige Erledigung der Kreditanträge 
ob. Unabhängig von dieser Bank war in Leipzig die Leip- 
ziger Kriegskreditbank ins Leben getreten, jedoch trat diese 
unter dem 12. Dezember 1914 zu der Kriegskreditbank für 
das Königreich Sachsen dergestalt in ein näheres Verhältnis, 
daß sie für den Handelskammerbezirk Leipzig gleichzeitig 
die Geschäfte der anderen Anstalt mit wahrnahm. Die 
Kreditansprüche, die in den Kriegsjahren an die Kriegs- 
kreditbank herangetreten sind, haben sich in Grenzen ge- 
balten, welche die Leistungsfähigkeit des Unternehmens 
keinesfalls voll erschöpften. Immerhin belief sich bis zum 
Jahre 1918 die JZahl der bewilligten Kredite auf 2562 in 
einer Gesamthöhe von mehr als 13 Millionen Mark. Die 
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Tatsache, daß in der gleichen Zeit auf die gewährten Kre- 
dite mehr als 3½ Millionen Mark Rückzahlungen geleistet 
wurden, zeigt allein schon, daß das gedeihliche Fortbestehen 
zahlreicher Unternehmungen durch diese Kreditgewährung 
gesichert worden ist. Im Hinblick auf die veränderten Ver- 
hältnisse beschloß die Bank Anfang 1919 ihre Liquidation. 
Daß während des Krieges die Kreditbank nicht übermäßig 
stark in Anspruch genommen wurde, ist ein Beweis mehr 
für die auch sonst zutage tretende Erscheinung, daß das 
finanzielle Rückgrat der sächsischen Volkswirtschaft gesund 
geblieben war. An flüssigem Geld war kein Mangel. Die 
im Jahre 1917 und später wiederholt auftretende Knapp- 
heit an kleinen Jahlungsmitteln beweist nicht das Gegen- 
teil; sie hat ihren hauptsächlichsten Grund in der ungerecht- 
fertigten Zurückhaltung des Metallgeldes durch übervorsich- 
tige Leute, die auch im Kriege das Bargeld lieber im Kopf- 
kissen und in Strümpfen aufbewahrten, anstatt es im freien 
Verkehr zu belassen. Die Ausgabe von Gutscheinen durch 
Städte und Kommunalverbände half über diesen Mangel 
in Sachsen hinweg. Einen deutlichen Gradmesser der all- 
gemeinen Finanzkraft geben die Beteiligung bei den Kriegs- 
anleihen und die Bewegung bei den Sparkassen. Die Be- 
teiligung Sachsens an den Kriegsanleihen ging in die Mil- 
liarden, eine Leistung, zu deren voller Würdigung der Hin- 
weis gehört, daß sächsische Finanzkreise überdies in ganz 
bedeutendem Umfange ihr tätiges Interesse auch den Kriegs- 
anleihen des befreundeten österreichisch-ungarischen Nach- 
barlandes zuwendeten. Die gesunde Finanzkraft der breiten 
Masse der Bevölkerung ergibt sich am deutlichsten aus dem 
Stand der sächsischen Sparkassen. Die Einzahlungen bei 
den sächsischen Sparkassen betrugen im Jahre 1014 rund 
432 Millionen Mark; sie stiegen im Jahre 1917 auf 
*82½ Millionen Mark. In der gleichen Zeit stieg die 
Summe der Einlegerguthaben von 2 Milliarden 30 Mil- 
lionen Mark auf 2 Milliarden 189 Millionen Mark. Da 
die Sparbassen nicht von der Hochfinanz, sondern in der 
Hauptsache von den mit bescheidenen Ersparnissen arbeiten- 
den Volkskreisen benutzt werden, ist diese Bewegung bei den 
sächsischen Sparkassen ein untrüglicher Beweis dafür, daß 
der Volkswohlstand der breiten Schichten, in seiner Ge- 
samtheit gewürdigt, in Sachsen im Kriege nicht abgenommen 
hat. Die Zunahme ihrer Bestände setzten die sächsischen 
Sparkassen auch ihrerseits in die Lage, die für eigene Rech- 
nung geschehene Beteiligung bei den Kriegsanleihen ständig 
zu steigern, so daß bei den Kriegsanleihen eine eigene Ge- 
samtbeteiligung der sächsischen Sparkassen von über 300 
Millionen Mark zu verzeichnen ist. 
Notstandshilfe 
Ist die Zunahme der Sparkassenguthaben in Sachsen 
auch eine überaus erfreuliche Erscheinung, so darf doch 
eine objektive Würdigung der Verhältnisse nicht an der 
Tatsache vorübergehen, daß in manchen Gegenden der Krieg 
die Einzelwirtschaften zuweilen vor schwere Not stellte. Das 
war überall dort der Fall, wo es nicht sofort restlos gelang, 
die in industriellen Betrieben frei gewordenen Arbeitskräfte 
in anderer, auskömmlichen Erwerb sichernden Beschäftigung 
unterzubringen. Eine weitausgedehnte soziale Fürsorge des 
Staates und der Gemeinde fand bei der Bekämpfung dieser 
Notstände eine überaus wertvolle Unterstützung durch vor- 
handene oder neuentstehende private Organisationen zur Be- 
schaffung von Arbeits= und Erwerbemöglichkeiten. Ins- 
besondere galt es, der sächsischen Heimarbeit, die sich im 
Erzgebirge, im Vogtland und in der Lausitz teilweise der 
Beschäftigungslosigkeit ausgesetzt sah, und den Frauen der 
iim Felde stehenden Krieger, denen die Verhältnisse der Fa- 
milie eine Beschäftigung außerbalb des Hauses unmöglich 
machten, Arbeit zu verschaffen. In der Hauptsache ist dies 
überall und bald gelungen. Besonders segensreich hat in 
25“
	        
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