Sachsen trugen die kriegswirtschaftlichen Maßnahmen den
gleichen Charakter wie im übrigen deutschen Reiche; sie er-
streckten sich auf die Einschränkung des Verbrauches, das
Verbot der Herstellung alles Entbehrlichen, die Streckung
der vorhandenen Vorräte, die Regelung und Überwachung
des Verbrauches, die gerechte und sorgsame Verteilung der
vorhandenen Mengen und dem Versuch der Erhaltung der
Preise auf erschwinglicher Höhe. Die Versorgung der ein-
zelnen Hauswirtschaften war in Sachsen im allgemeinen so
knapp, daß die Grenze des Erträglichen erreicht wurde.
Das Frühjahr 1917 brachte einen starken Tiefstand in der
allgemeinen Versorgung dadurch, daß sowohl die Kartoffelzu-
fuhr, als die Kohlenzufuhr fast gänzlich versagten. Für manche
Familien galt es, schwere Tage zu überstehen. Die überwie-
gende Mehrheit bes sächsischen Volkeo überwand die drücken-
den Zeiten mit bewundernswerter Geduld und Ergebung.
Die Handhabung der kriegswirtschaftlichen Maßnahmen
lag in Sachsen zunächst ausschließlich bei den staatlichen und
kommunalen Verwaltungsbehörden. Auf vielen Gebieten
waren sie nur ausführende Organe der betreffenden Reichs-
stellen. Aber sowohl in dieser Eigenschaft als auch überall
dort, wo ihnen Raum zu freier und selbständiger Tätigkeit
gegeben war, zeigte sich die altbewährte Leistungsfähigkeit
der sächsischen Verwaltung. Ein ungeheures Maß guter und
gediegener Arbeit wurde in den alten und den neu binzu-
tretenden Verwaltungsorganisationen geleistet, insbesondere
gilt dies von dem sächsischen Landeslebensmittelamt mit
seinen verschiedenen Unterabteilungen. Das Schwergewicht
der öffentlichen Versorgung lag bei den Kommunalkörpern,
d. h. bei den Bezirksverbänden und den bezirksfreien Städten.
Mit sicherem sozialen Empfinden und unter Aufwendung
ganz erheblicher Opfer wurden sie den Erfordernissen der
Zeit gerecht. Sie beschränkten sich dabei nicht nur auf
regelnde und ordnende Tätigkeit, sondern sie schritten dort,
wo es möglich und nötig war, auch zu Neuschöpfungen.
Die Einrichtung öffentlicher Kriegsküchen ist eineo der leuch-
tendsten Beispiele dieser praktischen sozialen Kriegsfürsorge,
aber Hunderte von anderen könnten ihm angefügt werden.
Außerst wirksame Unterstützung fanden die Organe der
öffentlichen Verwaltung durch freiwillige Vereinigungen und
durch die uneigennützige Mithilfe zahlreicher Einzelpersonen.
Fast jede Stadt und jeder Bezirk entwickelten der örtlichen
Eigenart entsprechend ihren besonderen Kriegssozialismus.
Die ganze Durchführung der Versorgung wäre in der Art,
in der sie geschah, nicht möglich gewesen, wenn nicht aus
der Bevölkerung heraus Tausende von Mithelfern erstanden
wären. So allein war es auch möglich, den ganzen Ver-
waltungsapparat der Eigenart der Zeit anzupassen und auf
der Höhe der Leistungsfähigkeit zu erhalten, zumal mit
der langen Dauer des Krieges die Fülle der kriegswirts chaft-
lichen Maßnahmen im weitesten Sinne des Wortes eine nie
für möglich gehaltene Ausdehnung annahm. Ein großer
Teil der Verantwortung lag auch bei den beiden stellver-
tretenden Generalkommandos XII in Dresden und XIX in
Leipzig. Nach den Kriegsgesetzen waren sie Träger der
polizeilichen Gewalt und als solche mit den weitgehendsten
Machtbefugnissen ausgestattet. Durch schnelles und sach-
verständig beratenes Eingreifen haben die Generalkomman=
dos sehr oft wirtschaftlichen Mißständen abgeholfen sowie
regelnd, ordnend und vorbeugend auf vielen Gebieten ge-
wirbt und es nie an engster Fühlungnahme mit den anderen
Staatsbehörden und den kommunalen Körperschaften fehlen
lassen. Was die sächsischen Städte im besonderen auf den
verschiedenen kriegswirtschaftlichen Gebieten geleistet haben,
zeigen mit beredten Worten die Sonderdarstellungen des
Wirtschaftslebens der größten sächsischen Städte, die einen
tiefen Einblick in die gewaltigen Leistungen unserer Gemein-
wesen ermöglichen. Neben den staatlichen Verwaltungs-
behörden und den Gemeindebehörden waren, besonders nach
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Erlaß des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst am
5. Dezember 1916, noch besondere militärische Dienststellen
für einzelne volkswirtschaftliche Gebiete tätig. Bei den bei-
den stellvertretenden Generalkommandos in Dresden und
Leipzig wurden Kriegsamtsstellen eingerichtet zur Sicher-
stellung der Arbeitskräfte für die im Kriegsinteresse tätigen
staatlichen und privaten Betriebe, zur Fürsorge für die Er-
nährung der kriegswirtschaftlich tätigen Bevölkerung, zur
Zuführung der Nohstoffe für die Kriegswirtschaft und zur
Durchführung des Gesetzes über den vaterländischen Hilfs-
dienst. Neben diese Organisationen trat das Kriegswirt-
schaftsamt in Dresden. Als Unterorgane wurden für jeden
Kommunalverband Kriegswirtschaftsstellen eingerichtet. Dazu
wurden bei jeder Kreishauptmannschaft Kreisreferenten und
bei jeder Amtshauptmannschaft Erkundungomänner bestellt.
Aufgabe des Kriegswirtschaftsamtes und seiner Nebenstellen
war es, die landwirtschaftliche Erzeugung innerhalb des
Königreichs Sachsen zu unterstützen und zu fördern, insbe-
sondere Betriebsleiter, Arbeiter, Gespanne, Maschinen und
Betriebsmittel zu beschaffen, sowie für restlose Bestellung
der Felder und Einbringung der Ernte zu sorgen. Natur-
gemäß vollzog sich die Tätigkeit dieser Organisationen in
engstem Zusammenhang mit den Kommunalverbänden,
denen ein Teil dieser Aufgaben schon vorher zugewiesen war,
während ein anderer Teil zu ihren eigentlichen Aufgaben
schon immer gehört hatte.
Vielfache Befruchtung und Förderung erfuhren fast alle
volkswirtschaftlichen Gebiete in Sachsen auch durch die Tätig-
keit des Landtages. Von beiden Kammern gingen wertvolle
Anregungen für die Lösung der kriegswirtschaftlichen Not-
wendigkeiten aus, die sich zu segensreichen Gesetzen und zu
erfolgreichen Maßnahmen der Regierung verdichteten. Re-
gierung und Parlament wetteiferten in dem Bestreben, dem
Wrrtschaftsleben die sorgfältigste Pflege angedeihen zu las-
sen, abhelfend und lindernd einzugreifen, wo es möglich
war; sorgend und schaffend zu wirken, wo die Einzelkraft
nicht ausreichte; ausgleichende Maßnahmen zu gewährleisten,
wo es Ungleichheiten und Härten zu beseitigen galt.
Staatswirtschaftliche Maßnahmen während
des Krieges
So sehr die Tätigkeit der Regierung, des Landtages und
der Verwaltungobehörden auf volkbswirtschaftlichen Gebieten
ihr Gepräge durch die besonderen Kriegsnotwendigkeiten
erhalten mußte, so wenig wurden die großen volkswirt-
schaftlichen Fragen außer acht gelassen, die, ohne durch
den Krieg unmittelbar bedingt zu sein, doch während der
Kriegsjahre zur Lösung drängten und für die Zeit nach
dem Kriege von großer Bedeutung sein werden. Es lag
dem die richtige Erkenntnis zugrunde, daß dem Aufbau und
Ausbau unserer Volkswirtschaft nach dem Kriege möglichst
schon im Kriege freie Bahn geschaffen werden müsse.
So kam es, daß von der Regierung und den gesetzgeben-
den Körperschaften zwei für die industrielle Entwickelung
Sachsens hochbedeutsame Gebiete in den Kreis der staats-
wirtschaftlichen Aufgaben einbezogen wurden, die bis dahin
hauptsächlich der privatwirtschaftlichen oder gemeindewirt-
schaftlichen Betätigung überlassen waren: die Kohlen=
gewinnung und die Elektrizitätserzeugung.
Die Lebensinteressen der sächsischen Industrie ließen es
auf beiden Gebieten geboten erscheinen, den hier bestehen-
den Möglichkeiten der privaten Monopolbildung rechtzeitig
entgegenzutreten und unter gebotener Berücksichtigung der
bisherigen privatwirtschaftlichen Entwickelung doch für die
Zukunft das Schwergewicht in den Händen des Staates
ruhen zu lassen.
Die bisherige Entwickelung des sächsischen Kohlenberg-
baues fußte auf der Rechtsgrundlage, daß Stein= und
Braunkohle als Bestandteile des Grundstückes gelten, unter