Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Sachsen trugen die kriegswirtschaftlichen Maßnahmen den 
gleichen Charakter wie im übrigen deutschen Reiche; sie er- 
streckten sich auf die Einschränkung des Verbrauches, das 
Verbot der Herstellung alles Entbehrlichen, die Streckung 
der vorhandenen Vorräte, die Regelung und Überwachung 
des Verbrauches, die gerechte und sorgsame Verteilung der 
vorhandenen Mengen und dem Versuch der Erhaltung der 
Preise auf erschwinglicher Höhe. Die Versorgung der ein- 
zelnen Hauswirtschaften war in Sachsen im allgemeinen so 
knapp, daß die Grenze des Erträglichen erreicht wurde. 
Das Frühjahr 1917 brachte einen starken Tiefstand in der 
allgemeinen Versorgung dadurch, daß sowohl die Kartoffelzu- 
fuhr, als die Kohlenzufuhr fast gänzlich versagten. Für manche 
Familien galt es, schwere Tage zu überstehen. Die überwie- 
gende Mehrheit bes sächsischen Volkeo überwand die drücken- 
den Zeiten mit bewundernswerter Geduld und Ergebung. 
Die Handhabung der kriegswirtschaftlichen Maßnahmen 
lag in Sachsen zunächst ausschließlich bei den staatlichen und 
kommunalen Verwaltungsbehörden. Auf vielen Gebieten 
waren sie nur ausführende Organe der betreffenden Reichs- 
stellen. Aber sowohl in dieser Eigenschaft als auch überall 
dort, wo ihnen Raum zu freier und selbständiger Tätigkeit 
gegeben war, zeigte sich die altbewährte Leistungsfähigkeit 
der sächsischen Verwaltung. Ein ungeheures Maß guter und 
gediegener Arbeit wurde in den alten und den neu binzu- 
tretenden Verwaltungsorganisationen geleistet, insbesondere 
gilt dies von dem sächsischen Landeslebensmittelamt mit 
seinen verschiedenen Unterabteilungen. Das Schwergewicht 
der öffentlichen Versorgung lag bei den Kommunalkörpern, 
d. h. bei den Bezirksverbänden und den bezirksfreien Städten. 
Mit sicherem sozialen Empfinden und unter Aufwendung 
ganz erheblicher Opfer wurden sie den Erfordernissen der 
Zeit gerecht. Sie beschränkten sich dabei nicht nur auf 
regelnde und ordnende Tätigkeit, sondern sie schritten dort, 
wo es möglich und nötig war, auch zu Neuschöpfungen. 
Die Einrichtung öffentlicher Kriegsküchen ist eineo der leuch- 
tendsten Beispiele dieser praktischen sozialen Kriegsfürsorge, 
aber Hunderte von anderen könnten ihm angefügt werden. 
Außerst wirksame Unterstützung fanden die Organe der 
öffentlichen Verwaltung durch freiwillige Vereinigungen und 
durch die uneigennützige Mithilfe zahlreicher Einzelpersonen. 
Fast jede Stadt und jeder Bezirk entwickelten der örtlichen 
Eigenart entsprechend ihren besonderen Kriegssozialismus. 
Die ganze Durchführung der Versorgung wäre in der Art, 
in der sie geschah, nicht möglich gewesen, wenn nicht aus 
der Bevölkerung heraus Tausende von Mithelfern erstanden 
wären. So allein war es auch möglich, den ganzen Ver- 
waltungsapparat der Eigenart der Zeit anzupassen und auf 
der Höhe der Leistungsfähigkeit zu erhalten, zumal mit 
der langen Dauer des Krieges die Fülle der kriegswirts chaft- 
lichen Maßnahmen im weitesten Sinne des Wortes eine nie 
für möglich gehaltene Ausdehnung annahm. Ein großer 
Teil der Verantwortung lag auch bei den beiden stellver- 
tretenden Generalkommandos XII in Dresden und XIX in 
Leipzig. Nach den Kriegsgesetzen waren sie Träger der 
polizeilichen Gewalt und als solche mit den weitgehendsten 
Machtbefugnissen ausgestattet. Durch schnelles und sach- 
verständig beratenes Eingreifen haben die Generalkomman= 
dos sehr oft wirtschaftlichen Mißständen abgeholfen sowie 
regelnd, ordnend und vorbeugend auf vielen Gebieten ge- 
wirbt und es nie an engster Fühlungnahme mit den anderen 
Staatsbehörden und den kommunalen Körperschaften fehlen 
lassen. Was die sächsischen Städte im besonderen auf den 
verschiedenen kriegswirtschaftlichen Gebieten geleistet haben, 
zeigen mit beredten Worten die Sonderdarstellungen des 
Wirtschaftslebens der größten sächsischen Städte, die einen 
tiefen Einblick in die gewaltigen Leistungen unserer Gemein- 
wesen ermöglichen. Neben den staatlichen Verwaltungs- 
behörden und den Gemeindebehörden waren, besonders nach 
380 
Erlaß des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst am 
5. Dezember 1916, noch besondere militärische Dienststellen 
für einzelne volkswirtschaftliche Gebiete tätig. Bei den bei- 
den stellvertretenden Generalkommandos in Dresden und 
Leipzig wurden Kriegsamtsstellen eingerichtet zur Sicher- 
stellung der Arbeitskräfte für die im Kriegsinteresse tätigen 
staatlichen und privaten Betriebe, zur Fürsorge für die Er- 
nährung der kriegswirtschaftlich tätigen Bevölkerung, zur 
Zuführung der Nohstoffe für die Kriegswirtschaft und zur 
Durchführung des Gesetzes über den vaterländischen Hilfs- 
dienst. Neben diese Organisationen trat das Kriegswirt- 
schaftsamt in Dresden. Als Unterorgane wurden für jeden 
Kommunalverband Kriegswirtschaftsstellen eingerichtet. Dazu 
wurden bei jeder Kreishauptmannschaft Kreisreferenten und 
bei jeder Amtshauptmannschaft Erkundungomänner bestellt. 
Aufgabe des Kriegswirtschaftsamtes und seiner Nebenstellen 
war es, die landwirtschaftliche Erzeugung innerhalb des 
Königreichs Sachsen zu unterstützen und zu fördern, insbe- 
sondere Betriebsleiter, Arbeiter, Gespanne, Maschinen und 
Betriebsmittel zu beschaffen, sowie für restlose Bestellung 
der Felder und Einbringung der Ernte zu sorgen. Natur- 
gemäß vollzog sich die Tätigkeit dieser Organisationen in 
engstem Zusammenhang mit den Kommunalverbänden, 
denen ein Teil dieser Aufgaben schon vorher zugewiesen war, 
während ein anderer Teil zu ihren eigentlichen Aufgaben 
schon immer gehört hatte. 
Vielfache Befruchtung und Förderung erfuhren fast alle 
volkswirtschaftlichen Gebiete in Sachsen auch durch die Tätig- 
keit des Landtages. Von beiden Kammern gingen wertvolle 
Anregungen für die Lösung der kriegswirtschaftlichen Not- 
wendigkeiten aus, die sich zu segensreichen Gesetzen und zu 
erfolgreichen Maßnahmen der Regierung verdichteten. Re- 
gierung und Parlament wetteiferten in dem Bestreben, dem 
Wrrtschaftsleben die sorgfältigste Pflege angedeihen zu las- 
sen, abhelfend und lindernd einzugreifen, wo es möglich 
war; sorgend und schaffend zu wirken, wo die Einzelkraft 
nicht ausreichte; ausgleichende Maßnahmen zu gewährleisten, 
wo es Ungleichheiten und Härten zu beseitigen galt. 
Staatswirtschaftliche Maßnahmen während 
des Krieges 
So sehr die Tätigkeit der Regierung, des Landtages und 
der Verwaltungobehörden auf volkbswirtschaftlichen Gebieten 
ihr Gepräge durch die besonderen Kriegsnotwendigkeiten 
erhalten mußte, so wenig wurden die großen volkswirt- 
schaftlichen Fragen außer acht gelassen, die, ohne durch 
den Krieg unmittelbar bedingt zu sein, doch während der 
Kriegsjahre zur Lösung drängten und für die Zeit nach 
dem Kriege von großer Bedeutung sein werden. Es lag 
dem die richtige Erkenntnis zugrunde, daß dem Aufbau und 
Ausbau unserer Volkswirtschaft nach dem Kriege möglichst 
schon im Kriege freie Bahn geschaffen werden müsse. 
So kam es, daß von der Regierung und den gesetzgeben- 
den Körperschaften zwei für die industrielle Entwickelung 
Sachsens hochbedeutsame Gebiete in den Kreis der staats- 
wirtschaftlichen Aufgaben einbezogen wurden, die bis dahin 
hauptsächlich der privatwirtschaftlichen oder gemeindewirt- 
schaftlichen Betätigung überlassen waren: die Kohlen= 
gewinnung und die Elektrizitätserzeugung. 
Die Lebensinteressen der sächsischen Industrie ließen es 
auf beiden Gebieten geboten erscheinen, den hier bestehen- 
den Möglichkeiten der privaten Monopolbildung rechtzeitig 
entgegenzutreten und unter gebotener Berücksichtigung der 
bisherigen privatwirtschaftlichen Entwickelung doch für die 
Zukunft das Schwergewicht in den Händen des Staates 
ruhen zu lassen. 
Die bisherige Entwickelung des sächsischen Kohlenberg- 
baues fußte auf der Rechtsgrundlage, daß Stein= und 
Braunkohle als Bestandteile des Grundstückes gelten, unter
	        
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