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Anlagen seitens gewisser Kriegsgesellschaften preußische
Bezirke bevorzugt wurden. Die wesentlichsten sächsischen
Fabriken einer landwirtschaftlichen Industrie konnten erst
nach schweren Kämpfen die Wahrung ihrer Interessen
gegen die preußische, speziell die Berliner Industrie, durch-
setzen. Eine tiefgreifende Schädigung der sächsischen Inter-
essen ging von einem Kriegsverband aus, in dessen Vor-
stand die süddeutsche Industrie sich im starken Übergewicht
befand. Ursprünglich waren die Bestimmungen des Ver-
bandes derart, daß ein großer Teil der sächsischen Fabri-
kanten überhaupt nicht eintreten konnte, später wurden sie
zwar geändert, aber von der Anderung nur die engsten
Kreise benachrichtigt. So wurden sächsische Fabrikanten
wesentlich geschädigt.
Die obenerwähnte ungleiche Zusammensetzung der Organe
mancher Kriegsaktiengesellschaften hat ebenfalls sehr häufig
Ungleichheiten in der Verteilung zur Folge. In Preußen
waren zeitweise selbst die kleinsten Handwerker so über-
lastet, daß sie ihrerseits Aufträge an Sachsen weitergeben
mußten. Wo die sächsischen Firmen zur Konkurrenz zu-
gezogen wurden, wurden sie von vornherein dadurch un-
günstiger gestellt, daß man sie später als andere Firmen
benachrichtigte. Andere Industrien sahen bei Einschränkung
ihrer Produktionsstoffe diese nur noch an Preußen und
lbberhaupt nicht mehr nach Sachsen übergeführt.
Neben diesen sich mehr auf die Bundesstaaten erstreckenden
Bevorzugungen und Ungleichheiten standen die für und
gegen einzelne Firmen gerichteten.
Wo bier überhaupt Verteilungsprinzipien zugrunde
lagen, schwankte man zwischen der als Basis anzunehmenden
Befähigung der Betriebe in letzter Friedens= oder späterer
Kriegszeit. JZu Ungleichheiten führte die angeführte gene-
relle Anordnung des Reichsamtes des Innern, die für Zu-
teilungen in Frage kommenden Firmenlisten lediglich auf
Grund unzulänglicher Adreßbücher oder persönlicher Be-
nennungen aufzustellen; in gleicher Weise wirkten andere,
die Mitgliedschaft unmöglich machende oder erschwerende
Vorschriften.
Das die Produktion oft zuungunsten des Erzeugers ver-
teuernde Vermittlerunwesen trug, während es auf
der einen Seite die Kapitalbildung in den Vermittlerkreisen
außerordentlich förderte und diese in sehr vielen Fällen,
mwie z. B. in der Militäreffektenindustrie, die Produktion
selbst an sich reißen ließ, andererseits dazu bei, jene oben-
genannten Fehler in der Verteilung wieder etwas aus-
zugleichen, indem z. B. die Uberlastung mit Aufträgen
in Preußen auf diese Weise zum Teil nach Sachsen abge-
leitet wurde. Leider war aber auch das nur möglich, indem
die durch diese Vermittler Herangezogenen einen Teil der
Unkosten trugen und außerdem einen Teil ihrer Unabhängig-
keit an diese verloren.
Diese Mittelspersonen, die unkontrolliert und willkür-
lich die Aufträge weitergeben, hatten zeitweise eine außer-
ordentliche Macht über die industriellen Verhältnisse ge-
wonnen, die um so bedenklicher war, als die Vermittler
sich aus heterogensten, nichtsachverständigen Berufen zu-
sammensetzen. Eine größere Militäreffektenfirma erhielt ihre
Aufträge durch nicht weniger als §3 verschiedene Mittels-
personen. Hierunter befanden sich Holzhändler, Wasser-
leitungsgeschäfte Stahlgießereien, Automobilfabriken, eine
große Zahl Lederfabrikanten, ein Bürgermeister a. D., die
meisten gaben keinen Beruf an oder nannten sich schlecht-
weg „Kaufmann“. Die Willkürlichkeit in der Verteilung
bestand auch unter der Herrschaft der Kriegsgesellschaften
vielfach noch fort.
Die Kriegsgesellschaften haben sehr oft das besondere Übel
des Vermittlerunwesens nicht zu beheben vermocht: die
Verteuerung der Produktion. Diese Verteuerung
wird zum Teil darauf zurückgeführt, daß die Kriegs-
gesellschaften selbst zu hohe Gewinne erzielten, und zwar
entweder direkt oder auf dem Umwege, daß sie von
Firmen, die billige Nohstoffe zu erhalten in der Lage
sind, die Herausgabe derselben an sich verlangen und den
Firmen andere, teuere Nohsioffe überweisen und auf diese
Weise sehr hohe Aufschläge, in einzelnen Fällen bis zu
1300% zu ihren Gunsten erzielen.
Eine Erschwerung bzw. Verteuerung der Produktion
brachten auch die häufigen Fälle, in denen die behördlichen
Verfügungen unnötige Transporte verursachen. So war
es nichts Seltenes, daß man Dresdner Firmen mit ge-
wissen Rohstoffen durch Stettin und Magdeburg, Süd-
deutschland aber durch Dresdner Firmen versorgte.
Was in diesen vorstehenden Zeilen dargestellt wird, ist
nur ein kleiner Ausschnitt aus diesem großen Kapitel,
aber es zeigt wohl genügend die Schwierigkeiten, welche
die Industrie, eingeschlossen in die Zwangsorganisation der
Kriegsgesellschaften, zu überwinden gehabt hat. Dem Han-
del ist es ähnlich ergangen, seine Klagen über die Z.E.G.,
die berühmte Zentral-Einkaufsgesellschaft, sind
ja noch in deutlicher Erinnerung. Wohl keine Kriegsgesell-
schaft hat soviel Unwillen erregt wie diese Gesellschaft,
welche lange Zeit mit dem alleinigen Ankauf der aus-
ländischen Lebensmittel und mancher Bedarfsartikel für
die Jivilbevölkerung beauftragt war. Angesichts der Ge-
schäftstätigkeit dieser Gesellschaft entstand das geflügelte
Wort, daß das, was England bisher nicht gelungen sei,
Deutschland auszuhungern, von der Zentral-Einkaufsgesell-
schaft erreicht werde. Die Gründung jener Gesellschaft fällt
in jene Zeit, als in den neutralen Staaten die Ausfuhr-
möglichkeit für Lebensmittel immer geringer wurde, infolge
der Aufsicht der von England eingeführten Kontrollgesell-
schaften bei den Neutralen für den Handel mit den Mittel-
mächten. Sie sollte allein das in diesen Staaten verfüg-
bare Quantum an Lebensmitteln ankaufen, erhielt die Voll-
macht hierzu und schaltete damit den größten Teil des
Handels überhaupt aus.
Man kann jedoch heute ein endgültiges Urteil über das,
was die Kriegsgesellschaften geleistet haben, noch nicht fällen;
das wird erst möglich sein, wenn das gesamte Material
über ihre Tätigkeit vorliegt und man einen Einblick erhält
in das Getriebe, das vor der Offentlichkeit wegen der Ge-
fahr des Verrates an das Ausland bisher geheimgehalten
wurde. Die Gerechtigkeit gebietet, anzuerkennen, daß diese
Gesellschaften eben doch nur ein Auzshilfsmittel waren:
daß sie sich bemühten, in ihren Gebieten etwas Gutes
zu leisten und auch geleistet haben, daß sie aber Aufgaben
lösen mußten, die sich auf solchem bureaukratischen Wege
eben nicht lösen lassen. Bei einer kürzeren Dauer des
Krieges, für die die ganze Kriegsorganisation ja anfangs
auch berechnet war, hätten sich die Ubelstände nicht in
deim Umfange herausgestellt, die sich allmählich ergaben,
und es hätte auch nie dieser Bureaukratismus so überhand
nehmen können, wenn ein früheres Ende des Krieges die
Bewegungsfreiheit wiederhergestellt hätte. Was im Beginn
als eine Organisation zur Sicherstellung des Heeresbedarfes,
des Bedarfec der Industrie und der Ernährung der Zidil-
bevölkerung gedacht war, entwickelte sich in der langen
Dauer des Krieges zu einem System vollständig staatlich
organisierter Wirtschaft für ein 70-Millionen-Volk= das
in den härtesten aller Kämpfe stand, die je die Welt
gesehen hat. Je weiter diese Organisation sich ausdehnte,
desto mehr verschwand die Übersicht und die Möglichkeit,
der Natur der Dinge gemäß zu verfahren. Das Neben-
einander, Durcheinander und Gegeneinander, das schließlich
eintrat, war eine unvermeidbare Folge der Erstarrung, in
welche das Wirtschaftsleben Deutschlands mit der immer sich
verschärfenden Blockade geriet. Mag nun aber eine spätere
genaue Darlegung der Wirkungsweise und der Erfolge der