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34. Genossenschaften.
Die Bestimmungen des gemeinen Rechts über die Gesell-
schaft (Locietas) haben sich in neuerer Zeit als ungenügend
erwiesen für die aus dem gesteigerten und hoch entwickelten
Verkehrsleben der Gegenwart hervorgegangenen Bedürfnisse.
Die Vereinigungen zahlreicher, oft wechselnder Personen zur
gemeinsamen Erreichung gemeinsamer Zwecke ließen sich, ohne
der Natur der Dinge Gewalt anzuthun, durchaus nicht mehr
in die für kleinere Verhältnisse berechneten und tauglichen, für
größere Verhältnisse aber beengenden und ungefügen Formen
des römischen Gesellschaftsvertrages hineinpressen. Die Gesetz-
gebung sah sich daher in neuester Zeit genöthigt, die Rechtsverhält-
nisse solcher Vereinigungen durch eigene, den dermaligen Zu-
ständen besser entsprechende Normen zu ordnen, welchen ihre
Statuten (ihr Gesellschaftsvertrag) angepaßt werden müssen.
Wer einer solchen Vereinigung beitritt, erkennt die zu Recht
bestehenden Statuten derselben als verbindlich für sich in seinem
Verhältniß zu der Vereinigung, als maßgebend für seine Rechte
und Pflichten gegen sie an; es bedarf für ihn keines besonderen
Vertrags, sondern der Vertrag wird einfach durch die Beitritts-
erklärung auf Grund der in den Statuten aufsgestellten Bestim-
mungen eingegangen. Darum läßt sich über die Vertrags-
schließung in diesen Fällen weiter nichts sagen; es seien die
hauptsächlichsten dermalen vorkommenden Vereinigungen dieser
Art hier nur kurz erwähnt.
1) Die Erwerbs= und Wirthschafts-Genossen-
schaften d. h. Gesellschaften von nicht geschlossener Mitglieder-
zahl, welche die Förderung des Credits, des Erwerbes oder der
Wirthschaft ihrer Mitglieder mittelst gemeinschaftlichen Geschäfts-
betriebes bezwecken, z. B. Vorschuß= und Creditvereine, Rohstoff-
und Magazinvereine, Vereine zur Anfertigung von Gegenständen
und zum Verkauf der angefertigten Gegenstände auf gemein-
schaftliche Rechnung (Produktiogenossenschaften), Vereine zum
gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensbedürfnissen im Großen
und Ablassung in kleineren Partien an ihre Mitglieder (Con-
sumvereine), Vereine zum Herstellen von Wohnungen für ihre
Mitglieder. Durch Reichsgesetz vom 4. Juli 1868 nebst De-
klaration vom 19. Mai 1871, eingeführt in Bayern durch