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die Eigenschaft juristischer Personen erlangen, sofern sie dieselbe
nicht schon durch älteres Privileg haben.
35. Der Lehrvertrag
ist derjenige Vertrag, wodurch sich Jemand gegen eine andere
Person verbindlich macht, unter gewissen Bedingungen einen
Lehrling in sein Gewerbe aufzunehmen und so zu unterrichten,
daß er dasselbe vollständig erlerne, um nach beendigter Lehrzeit
sein Fortkommen zu finden. Die Reichsgewerbeordnung normirt
in § 126—133 oie Verhältnisse der gewerblichen Lehrlinge (für
die Lehrlinge der Apotheker und Kaufleute gelten besondere
Vorschriften), und diesen Normen hat sich der Lehrvertrag an-
zupassen, welcher sowohl schriftlich als mündlich abgeschlossen
werden kann. Schriftliche Abfassung empfiehlt sich sowohl im
Allgemeinen, um künftigen Streitigkeiten über das Maß der
gegenseitigen Verpflichtungen thunlichst vorzubeugen, als auch
insbesondere deßhalb, weil nur bei schriftlicher Abfassung des
Lehrvertrags der Lehrherr befugt ist, von der Polizei die Zu-
rückfführung des Lehrlings zu verlangen, der in ungesetzlicher
Weise ohne seine Zustimmung die Lehre verlassen hat, und weil
nur bei schriftlicher Abfassung der Lehrherr, falls vor der ver-
abredeten Zeit das Lehrverhältniß aufgelöst wurde, einen An-
spruch auf Entschädigung geltend machen kann. Der Lehrver-
trag enthält: den Vor= und Zunamen des Lehrherrn oder dessen
Firma, den Vor= und Zunamen und Charakter Desjenigen,
welcher für den Lehrling contrahirt, den Namen des Lehrlings,
den Zweck, über welchen contrahirt wird, die gegenseitigen Be-
dingungen, und zwar in Betreff des Lehrlings die Dauer seiner
Lehrzeit, das Versprechen, seine Pflichten zu erfüllen. Wird
derselbe in Kost und Wohnung genommen, so wird auch be-
stimmt, ob etwas und wie viel dafür an den Lehrherrn zu
bezahlen ist. Dann enthält auch manchmal der Lehrvertrag
die Bedingung, daß der Lehrling nach überstandener Lehrzeit
im nämlichen Geschäft noch eine gewisse Zeit bleiben müsse,
wofür ihm aber ein Gehalt festgesetzt wird, oder daß er bei
seinem Austritt während zwei oder mehr Jahren in kein anderes
aähnliches Geschäft auf demselben Platz eintreten könne.
Der Lehrling ist verpflichtet, in Gewerbs= und häuslichen
Anordnungen dem Lehrherrn zu gehorchen; er darf nicht zum
Gesindedienst verwendet werden. Er ist der väterlichen Zucht