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An einen Sohn.
Lieber Karl!
Mit freudiger Rührung erinnere ich mich heute des Tages,
an welchem Du vor 30 Jahren das Licht der Welt erblicktest
und ich Dich zum ersten Male in meinen Armen hielt. Unter
Thränen der Freude und des Glücks sendeten wir heiße Wünsche
zu dem Höchsten empor, daß Du ein lieber, guter Sohn, ein
braver Mensch werden möchtest. Ich freue mich, daß bis ietzt
der liebe Gott unser Gebet erhörte, daß Du die Mühe und
Sorgfalt, welche ich und Deine gute Mutter auf Deine Erziehung
wendeten, nach unseren Wünschen belohnt hast. Sei auch ferner
darauf bedacht, Deine Pflichten treu und redlich zu erfüllen,
wandle so fort auf dem Pfade der Tugend und Ehre, und Du
wirst unsere schönsten Hoffnungen erfüllen, das Glück unseres
Lebens erhöhen. Die innigsten Gebete sind heute an Deinem
Geburtstage für Dein Wohl unseren Herzen entstiegen; der
Allmächtige schenke Dir ferner Gesundheit und gebe allen Deinen
Handlungen seinen reichen Segen; uns aber bleibe, was Du
bisher warst, stets ein guter Sohn.
Deine gute Mutter, die Dich mit zärtlicher Liebe grüßt,
sendet Dir einige Kleinigkeiten, welchen ich einige Mark bei—
gelegt habe; ich bin auf immer
Dein
Datum. Dich herzlich liebender Vater.
10.
An eine Schwester.
Liebe Schwester!
Mein sehnlichster Wunsch war es, Dir zu deinem heutigen
Festtage all' die Wünsche, welche ich für Dein Wohl so innig
im Herzen trage, persönlich zu überbringen. Allein ein, wenn
auch leichtes Unwohlsein, das mich befallen, hat diese schönen,
schon längst gehegten Wünsche vereitelt. Deshalb mußt Du
Dich damit begnügen, daß ich Dir schriftlich alle Glückwünsche
darbringe, die nur je eine Schwester ihrer Schwester widmen
kann. Meine Wünsche vereinigen sich mit den Deinen und daß
sie ernstlich sind, dafür bürgt Dir die treue Liebe, mit welcher
ich an Dir hänge.
Bewahre mir auch ferner Deine Liebe. Mit tausend Grüßen
und Glückwünschen
Deine
Dich innig liebende Schwester Marie.