Full text: Der belehrende bayerische Sekretär.

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VI. Empfehlungsschreiben. 
203. 
Für eine unglückliche Familie. 
Hochgeborner 2c.! 
Die Ueberbringerin dieses Schreibens, Frau N., ist die 
Wittwe des vor einem Vierteljahre verstorbenen Rechnungs- 
kommissärs K. Das halbjährige Krankenlager des nun Ver- 
storbenen verschlang die letzten Vermögensreste der unglücklichen 
Familie; es war eine herzzerreißende Scene, als der unglück- 
liche Vater in den Armen des von Kummer und Sorgen tief- 
gebeugten Weibes, in der Mitte von zehn Kindern verschied, 
das Bewußtsein mit sich nehmend, daß seine Familie grenzenlos 
unglücklich sei. Denn was ist bei so zahlreicher Familie die 
eringe Pension? Die arme Frau, eine Beute der Verzweiflung, 
8 ihre einzige Hoffnung auf eine Reise in die Hauptstadt, 
dort sucht sie Hilfe, Rettung; edle Menschenfreunde gaben ihr 
das Reisegeld. Ich bin bereit, die Familie zu unterstützen, so 
weit es mir möglich ist; allein ganz kann ich sie unmöglich 
erhalten. Die Familie ist von höchster Sittlichkeit, von ausge- 
zeichnetem Rufe; das älteste Kind ist 12 Jahre, das jüngste 
5 Monate alt. Der Jammer ist wahrhaft nicht zu beschreiben. 
Geholfen könnte werden, wenn die beiden ältesten Söhne, 12 
und 11 Jahre alt, in einem öffentlichen Institut unentgeltlich 
untergebracht würden und wenn die Mutter für sich und die 
übrigen Kinder einen Gnadengehalt erhielte. 
Euer 2c. sind vermöge Ihrer hohen Stellung im Stande, 
in dieser großen Noth Hilfe zu schaffen. Ihr edles Herz bürgt 
mir dafür, daß Sie Alles aufbieten werden, um eine Familie 
vom Untergange zu retten. Ach, wenn es Euer 2c. gelingen 
würde, dieses zu erreichen, welch' ein Verdienst um die leidende 
Menschheit würden Sie Ihren übrigen großen, vielfachen Ver- 
diensten hinzufügen, in welch' innigem Gebete würden täglich 
eilf dankerfüllte Herzen für Ihr Wohl zu dem Ewigen flehen, 
Sie als Retter, als Beschützer preisend! Ich bin gewiß, Euer 2c. 
werden alles Mögliche thun, Sie werden auch mich entschul- 
digen, daß ich es gewagt habe, die unglückliche Frau an Sie 
zu adressiren; ich kenne ja längst schon Ihre Menschenfreund- 
lichkeit, Ihre innige Theilnahme an den Leiden Ihrer Mit- 
menschen. O, erhören Sie meine flehentliche Bitte! Gottes 
reichster Segen möge Sie lohnen, wird Sie lohnen!
	        
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