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Der Preis eines Papiers wird aber nicht blos durch den
Werth desselben bestimmt. Allerdings werde ich ein Papier,
welches mehr werth ist als ein anderes, in der Regel auch
theurer bezahlen müssen, wenn ich es kaufen will; aber der
Preis richtet sich auch noch nach Nachfrage und Angebot; ist
wenig Nachfrage nach einem Papier, finden sich also wenig
Käufer für dasselbe, so drückt dieser Umstand den Preis her-
unter, während bei starker Nachfrage der Preis steigt; umge-
kehrt ist's ebenso bei starkem oder schwachem Angebote von
Papieren zum Verkauf. Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit
bieten die Obligationen der russischen fünfprozentigen Staats-
anlehen von 1870, 1871, 1872 und 1873; im Verlauf weni-
ger Monate stieg ihr Kurs (Preis) von 92 auf 99 und dar-
über; ihr Werth hatte sich nicht im mindesten geändert, Ruß-
land war kein besserer Schuldner geworden, als es vorher ge-
wesen; aber die Nachfrage nach diesen Papieren hatte zuge-
nommen, die Zahl der 5prozentigen und 4½/prozentigen Papiere
hatte sehr abgenommen, weil alle Staaten, Gesellschaften 2c., die
es nur irgend machen konnten, das Zurückgehen des Zinsfußes
benützten, um ihre höher verzinslichen Schulden durch Heim-
zahlung, Conversion r2c. in vierprozentige umzuwandeln; die
Kapitalisten, wollten sie fernerhin einen höheren Zinsfuß ge-
nießen, ohne das Papier über Pari zu kaufen — sahen sich
genöthigt, zur Kapital-Anlage Papiere zu wählen, welche biöher
weniger beachtet worden waren, so auch russische Staatsobli-
ationen, gegen die immer ein gewisses Mißtrauen bei uns be-
tanden hatte; und das trieb den Kurs dieser Papiere in
die Höhe.
Die Nachfrage nach einem Papier wird hinwiederum
wesentlich bestimmt durch die Meinung, welche im Allge-
meinen das kaufende Publikum davon hat, ob es nämlich das
Papier für sicher oder nicht sicher hält, ob es von demselben
(wenn es eine Aktie ist) einen hohen oder niederen Zins sich
verspricht, ob das Papier auch zu Amtsbürgschaften u. dgl.
verwendet werden kann oder nicht 2c. Und mit dieser Meinung
ist es ein eigenes Ding; sie wird durch gar mancherlei Um-
stände beeinflußt, wechselt mitunter merkwürdig und trifft nicht
immer das Richtige, wiewohl man im Allgemeinen der Börse
eine „gute Witterung“ für derlei Dinge nicht absprechen kann.
Daher kommt es, daß mitunter ein Papier höher im Kurs
steht, als es seinem Werth nach verdient, und umgekehrt. Zu-
dem wird auch nicht selten der Versuch gemacht, die Meinung