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betrachtet bedeuten sie die Grenzen, innerhalb
deren die Staatsgewalt die Freiheit der Bürger
anerkennt. Die meisten Grundrechte, welche dem
Württemberger nach der württ. Verfassung zu-
stehen, sind jetzt in der Gesetzgebung des Reichs,
welche der württ. Gesetzgebung vorgeht, geregelt,
so daß also insoweit die Bestimmungen der württ.
Verfassung nicht mehr gelten. Auch ist eine
vollständige Darstellung des Maßes von Freiheit,
das der Württemberger nach der Reichs- und
Landesgesetzgebung genießt, hier nicht möglich,
da dies nichts anderes heißen würde als das
gesamte Recht unter dem Gesichtspunkt der in-
dividuellen Freiheit darzustellen. Die nachstehen-
den Erörterungen beschränken sich demgemäß auf
diejenigen Rechte, welche geschichtlich oder poli-
tisch von Bedeutung sind. Die Grundrechte sind
in der Verfassung nur den Württembergern zu-
erkannt, stehen aber nach Artikel 3 der Reichs-
verfassung auch den übrigen Deutschen zu, werden
übrigens auch den Reichsausländern zuerkannt.
l. Verfassungsmäßiger Gehorsam:
V.U. 8 21. Die Bestimmung über den ver-
fassungsmäßigen Gehorsam will sagen, daß die
Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber den Be-
hörden nur besteht, wenn die Anordnungen der-
selben sich innerhalb von Verfassung und Gesetz
bewegen. Allein die persönliche Ansicht des ein-
zelnen bezüglich der Verfassungs- und Gesetz-
widrigkeit einer Anordnung gibt ihm kein Recht
zum Widerstand; entscheidend ist nur die ob-
jektive Gesetzmäßigkeit. Niemals darf der Staats-
bürger sich als Instanz über die Obrigkeit auf-
werfen. Er kann die Amtshandlungen der Be-
hörden bezüglich ihrer Gesetzmäßigkeit nur vor
den gesetzlich verordneten Instanzen und im ge-
setzlich verordneten Verfahren anfechten. Ob