Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

§ 35. Der Amtsorganismus. 135 
behren und sodann sind nichtberufsmäßige Beamte auch in 
der unmittelbaren Staatsverwaltung beteiligt. 
Über die Notwendigkeit des Berufsbeamtentums einer- 
seits, der Selbstverwaltung andererseits spricht sich der ver- 
storbene Staatsrechtslehrer Meyer folgendermaßen aus (s. 
Meyer-Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts 1905, 
S. 348): „Kein entwickeltes Staatswesen kann das besoldete 
Staatsberufsbeamtentum entbehren. Nur der, welcher die 
Tätigkeit für den Staat zum Mittelpunkt seines Lebens 
und Handelns macht, erwirbt sich diejenige Sachkenntnis 
und Geschäftsgewandheit, welche für die Erledigung gewisser 
Staatsgeschäfte unerläßlich ist. Nur der Berufsbeamte be- 
sitzt die über dem Streit der sozialen Interessen erhabene 
Stellung, welche ihn befähigt, lediglich das Wohl des Staates 
zur Richtschnur seines Handelns zu machen. Aber für die 
Entwicklung des konstitutionellen Staatslebens ist die Selbst- 
verwaltung ein nicht minder notwendiges Element. Indem 
sie die Angehörigen der verschiedenen gesellschaftlichen 
Klassen zu einer gemeinsamen Tätigkeit heranzieht, trägt 
sie dazu bei, die Gegensätze unter denselben zu überwinden. 
Indem sie die Staatsangehörigen zu regelmäßiger Be- 
teiligung an den Staatsgeschäften zwingt, erzeugt sie in 
ihnen den Staatssinn und die politische Bildung, welche 
die notwendigen Grundlagen des konstitutionellen Staats- 
lebens sind. Indem sie die Erledigung vielfacher Verwal- 
tungsangelegenheiten in die Hände von Personen legt, 
welche von der Zentralregierung durchaus unabhängig sind, 
macht sie eine schrankenlose Herrschaft derselben unmöglich 
und verhindert die Handhabung der Staatsgewalt im Sinne 
der „regierenden Partei“. 
IV. Die Sentralbehörden (Staatsministerium, 
Ministerium, Staatsrat). An der Spitze der Staats- 
verwaltung stehen Ministerien. Die Minister haben eine
	        
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