Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

166 VI. Abschnitt. Organisation des Reiches. 
20 der Reichsverfassung geht er aus allgemeinen und direkten 
Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Die näheren 
Vorschriften enthält das Wahlgesetz vom 31. Mai 1869. 
Soweit das Wahlverfahren nicht durch dieses Gesetz fest- 
gestellt worden ist, ordnet dasselbe der Bundesrat durch 
ein einheitliches, für das Bundesgebiet gültiges Wahlregle- 
ment, das nur mit Zustimmung des Reichstags abgeändert 
werden kann. Dieses Wahlreglement ist am 28. Mai 1870 
erlassen und später wiederholt geändert worden. Die Fest- 
stellung der Zahl der Abgeordneten ist nach § 5 des Wahl- 
gesetzes so erfolgt, daß auf durchschnittlich 100 000 Seelen 
eines Bundesstaats ein Abgeordneter kommen soll; ein über- 
schuß von mindestens 50 000 Seelen der Gesamtbevölkerung 
eines Bundesstaats wird 100000 Seelen gleich gerechnet; 
außerdem wird in einem Bundesstaat, dessen Bevölkerung 
100 000 Seelen nicht erreicht, ein Abgeordneter gewählt. 
Der ersten Berechnung ist diejenige Bevölkerungszahl zu- 
grunde gelegt worden, welche für die Wahlen zum verfassung- 
gebenden Reichstag maßgebend gewesen ist. Die Zahl der 
auf alle Bundesstaaten fallenden Abgeordneten beträgt 
397; im einzelnen s. 8#5, II. 
Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten infolge 
der steigenden Bevölkerung wird durch Gesetz bestimmt; ein 
solches Gesetz ist bis jetzt nicht erlassen worden, trotzdem die 
Bevölkerung sich seitdem ungeheuer vermehrt hat. 
Die einzelnen Bundesstaaten sind in Wahlkreise ge- 
teilt. Jeder Abgeordneter wird in einem besonderen Wahl- 
kreis gewählt; die bestehende Wahlkreiseinteilung kann nur 
durch Reichsgesetz abgeändert werden. Jeder Wahlkreis zer- 
fällt in Stimmbezirke. Wer das Wahlrecht in einem Stimm- 
bezirk ausüben will, muß in demselben zur Zeit der Wahl 
seinen Wohnsitz haben. Jeder darf nur an einem Orte 
wählen. 
Die Wahl ist direkt. Entscheidend ist die absolute
	        
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