§ 42. Die Reichsbehörden. 175
Auch bei den Reichsbehörden gibt es rechtsprechende Behörden
und Verwaltungsbehörden (s. § 48). Den richterlichen Be-
hörden sind einige Finanzbehörden insofern gleichgestellt,
als sie für ihre Tätigkeit ganz oder teilweise eigene Verant-
wortlichkeit haben und insoweit also vom Reichskanzler unab-
hängig sind.
II. Der Reichskanzler. Er ist der höchste kaiserliche
Beamtez er vereinigt in seiner Person eine dreifache Stellung.
1. Er ist der einzige Reichsminister und hat als
solcher die Stellung, die den Ministern im allgemeinen
zukommt; nach Artikel 17 der Reichsverfassung bedürfen die
Verfügungen des Kaisers zu ihrer Gültigkeit der Gegen-
zeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verant-
wortlichkeit übernimmt. Diese Verantwortlichkeit besteht
gegenüber Bundesrat und Reichstag, ist aber keine staats-
rechtliche, sondern nur eine politische (s. § 37, VI). Diese
auf der Reichsverfassung beruhende Verantwortlichkeit des
Reichskanzlers hat aber durch das Reichsgesetz vom 17.
März 1878, betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers
(Reichsgesetzblatt 1878, S. 7) eine erhebliche Änderung er-
fahren. Dieses Gesetz bestimmt nämlich: Die zur Gültigkeit
der Anordnungen und Verfügungen des Kaisers erforderliche
Gegenzeichnung des Reichskanzlers, sowie die sonstigen dem-
selben durch die Verfassung und die Gesetze des Reichs über-
tragenen Obliegenheiten können durch Stellvertreter vor-
genommen worden, die der Kaiser auf Antrag des Reichs-
kanzlers in Fällen der Behinderung desselben ernennt. Dem
Reichskanzler ist aber vorbehalten, jede Amtshandlung auch
während der Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen.
Die Stellvertretung findet in doppelter Weise statt:
a) Es kann ein Stellvertreter allgemein für den ge-
samten Umfang der Geschäfte und Obliegenheiten
des Reichskanzlers ernannt werden. Von dieser Er-
mächtigung ist Gebrauch gemacht worden, indem der