192 VII. Abschn. Gesetze, Verordnungen u. Verträge.
nis der vertragschließenden Staaten zueinander (völkerrecht—
liche Seite) und die Geltung des Vertrags gegenüber den
Behörden und Untertanen (staatsrechtliche Seite) zu unter—
scheiden. Die völkerrechtliche Verpflichtung, einen Vertrag
zu erfüllen, entsteht durch den Abschluß desselben, den
man als Ratifikation bezeichnet. Dem Abschluß voran
gehen Verhandlungen und vorläufige Vereinbarungen
(Punktationen genannt) zwischen den Bevollmächtigten
der betreffenden Staaten. Die Frage, welches Staatsorgan
zum Abschluß von Verträgen befugt ist, ergibt sich aus den
Verfassungen der betreffenden Staaten (s. II und III).
Mit dem Abschluß des Vertrags ist dessen Verbindlich—
keit für Behörden und Untertanen des Inlands noch nicht
gegeben. Bei manchen Verträgen spielt nun diese (staats-
rechtliche) Seite überhaupt keine Rolle. Es gibt Verträge,
die in das bestehende, für Behörden und Untertanen ver-
bindliche Recht überhaupt nicht eingreifen, so wichtig wie
sie auch im übrigen sein mögen (z. B. politische Bündnisse,
wie der Dreibund); es gibt aber auch Verträge, — und das
ist die Mehrzahl — deren Inhalt in das Gebiet der Gesetz-
gebung fällt, also Rechtsregeln für die Untertanen aufstellt.
Sollen nun Verträge auch für die Untertanen verbindlich
werden, so müssen sie im Inland eingeführt sein; der bloße
Vertragsabschluß genügt hiezu nicht. Die Einführung ge-
schieht durch den Befehl der Staatsgewalt, die Verträge zu
befolgen. Da nun aber grundsätzlich im Reich und in den
Einzelstaaten Rechtsregeln für die Untertanen nur im Wege
der Gesetzgebung, also mit Zustimmung der Volksvertretung
gegeben werden können, so kann auch der Befehl der Staats-
gewalt, Verträge zu befolgen, welche Anderungen im Rechts-
zustand herbeiführen, nur im Weg der Gesetzgebung erlassen
werden; mit anderen Worten: zur rechtlichen Gültigkeit
eines solchen Vertrags für das Inland ist die Zustimmung
des Parlaments erforderlich. Außerdem müssen solche