Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

§ 48. Allgemeine Grundsätze. 195 
Zwar ist auch sie an das Gesetz gebunden, allein in anderer 
Weise. Auch sie darf nicht gesetzwidrig handeln, aber das 
Gesetz ist für sie regelmäßig nur eine Schranke ihrer Tätig- 
keit; innerhalb dieser Schranke handelt sie nach freiem, 
nicht durch Gesetz, sondern durch Vernunft und Zweckmäßig- 
keit bestimmtem Ermessen. Daneben her geht ihre pflegende 
Tätigkeit. Befehle an die Bürger können nur erlassen wer- 
den, wenn die Verwaltungsbehörden eine gesetzliche Er- 
mächtigung hiezu haben; dieselbe wird z. B. so erteilt, 
daß mit Strafe bedroht wird, wer den zum Schutz der 
Gesundheit erlassenen Polizeiverfügungen zuwiderhandelt. 
Daraus ergibt sich, daß die Polizeibehörden Verfügungen 
zum Schutz der Gesundheit erlassen können. Diese Ermäch- 
tigung haben sie durch das Gesetz. Aber ob sie von 
dieser Ermächtigung Gebrauch machen und was alles 
sie auf Grund dieser Ermächtigung anordnen wollen, 
darüber bestimmt das Gesetz nichts und kann auch 
nichts darüber bestimmen, weil es ganz unmöglich ist, die 
ungeheure, sich stets ändernde Vielgestaltigkeit der Lebens- 
verhältnisse in Gesetzesparagraphen einzufangen. In weitem 
Umfange muß die Regelung dieser Verhältnisse dem pflicht- 
mäßigen, verständigen Ermessen der Verwaltungsbehörden 
überlassen werden. Man muß daher bei den Verfügungen der 
Verwaltungsbehörden stets zweierlei auseinanderhalten: die 
Gesetzmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit der Ver- 
fügungen; dadurch unterscheiden sich die Verwaltungs- 
akte von den richterlichen Urteilen, bei denen nur die 
Gesetzmäßigkeit in Frage steht. 
Grundsätzlich ist nun den Gerichten die Rechtsprechung, 
den Verwaltungsbehörden die Verwaltung zugewiesen. Allein 
in vielen Fällen ist auch die Tätigkeit der Gerichte ver- 
waltender Natur, wie auch auf der anderen Seite die Ver- 
waltungsbehörden in weitem Umfang Recht zu sprechen 
haben. So entscheiden z. B. die Verwaltungsbehörden dar-
	        
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