Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

§ 2. Staatsrechtliche Begriffe. 23 
dauernde ist und auf einem die betreffenden Staaten gemein- 
sam verpflichtenden Rechtsgrund ruht (Vertrag, Gewohn- 
heitsrecht, Wille des Herrschers). Realunionen sind Öster- 
reich und Ungarn und waren Schweden und Norwegen. 
Sowohl im Fall der Personalunion als in dem der 
Realunion beruht die Vereinigung der Staaten lediglich 
auf der Person des Herrschers. Gemeinsame Organe für 
die durch die Union verbundenen Staaten kommen freilich 
vor, aber sie sind für das Verhältnis nicht wesentlich, und 
haben namentlich nicht die Natur von Organen eines 
größeren über den Staaten stehenden Gemeinwesens, sondern 
sind Organe jedes einzelnen der verbundenen Staaten. 
Staatenverbindungen im engeren Sinn sind 
Vereinigungen mehrerer Staaten zu einem 
größeren Gemeinwesen. In denselben besteht eine 
höhere Gewalt, welcher eine Herrschaft über die einzelnen 
Staaten zusteht, aber nicht in unbeschränkter Weise. Den 
Staaten bleibt eine Reihe von politischen Aufgaben zur 
selbständigen Erfüllung überlassen. 
Steht die Herrschaft über die verbundenen Staaten 
einem derselben zu, so spricht man von Suzeränität 
(Verhältnis der Türkei zu ihren Vasallenstaaten). Ist die 
Herrschaft einer Gewalt übertragen, welche aus der Ge- 
samtheit der verbundenen Gemeinwesen hervorgeht, so liegt 
ein Bund vor. Ein Bund kann entweder ein Staaten- 
bund oder ein Bundesstaat sein. Der Unterschied 
zwischen Staatenbund und Bundesstaat läßt sich dahin be- 
stimmen: Die Bundesgewalt des Bundesstaates ist eine 
wahre Staatsgewalt, die des Staatenbundes nicht. Doch 
herrscht in der staatsrechtlichen Literatur ein noch nicht 
gelöster Streit über die charakteristischen Merkmale des 
Staatenbundes und des Bundesstaats und selbst die Frage, 
ob das Deutsche Reich ein Staatenbund oder ein Bundes- 
staat ist, ist in der Wissenschaft noch nicht entschieden.
	        
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