Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

8 10. Reichs= und Staatsangehörigkeit. 53 
zugleich Preuße, Bayer, Sachse usw. ist, ja es ist denkbar, 
daß ein Deutscher sämtlichen 25 deutschen Einzelstaaten 
angehört. Denn dadurch, daß sich z. B. ein Bayer in die 
württembergische Staatsangehörigkeit aufnehmen läßt, ver- 
liert er die bayerische Staatsangehörigkeit nicht; er verliert 
sie nur, wenn er sich aus ihr besonders entlassen läßt, was 
aber ganz von eihm abhängt. Ebenso ist es, wenn jemand 
nacheinander in mehreren Bundesstaaten im Staatsdienst 
oder im Kirchen-, Schul= oder Kommunaldienst angestellt 
wird. Hier erwirbt., er die Angehörigkeit zu allen diesen 
Staaten, ohne seine angeborene Staatsangehörigkeit zu ver- 
lieren. Eine solche Person kann alle deutsche Staatsange- 
hörigkeiten, die sie hat, auf ihre Kinder, Enkel, Urenkel usw. 
vererben. Derselbe Vorgang kann sich unter diesen wieder- 
holen und es können auf diese Art Staatsangehörigkeiten 
in großer-Zahl für eine Person erwachsen, die davon gar keine 
Ahnung hat. Diese Stäatsangehörigkeiten sind in der Regel 
ohne alle sichtbaren Wirkungen, dauern aber fort und wenn 
jemand, der mehrere von ihnen, ohne es zu wissen, in sich 
vereinigt, zum Zweck der Auswanderung sich die Entlassung 
von demjenigen Staate erteilen läßt, in dessen Gebiet er 
wohnt, und zu dem allein die Angehörigkeit ihm bewußt 
ist, so hebt dies seine Reichsangehörigkeit nicht auf, da 
die anderen deutschen Staatsangehörigkeiten fortbestehen. 
Dies kann zu sonderbaren und unangenehmen Folgen, 
namentlich in strafrechtlicher Hinsicht. (Verletzung der Wehr- 
pflicht) führen. Auch wird die Behörde des ausländischen 
Staates, die ihn auf Grund der Entlassungsurkunde natu- 
ralisiert, zu dem Irrtum verleitet, daß er die deutsche 
Reichsangehörigkeit aufgegeben habe, während sie ohne den 
Willen aller Beteiligten fortbesteht. 
IV. Das sog. gemeinsame Indigenat (Indigenat 
vom lateinischen „indigenus“ — Eingeborener; Indigenat- 
Staatsangehörigkeit). Der Artikel 3 der Reichsverfassung
	        
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