Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

82 IV. Abschn. Organisation des Reichs u. der Einzelstaaten. 
lorene Selbständigkeit zurückgeblieben sein; sie hätten sich nur 
mit Unlust und Widerstreben in ihre Rolle gefügt, was zu 
unerträglichen Zuständen geführt hätte. Andererseits war die 
Einheit und die kraftvolle Betätigung des staatlichen Willens 
nach außen für die Wohlfahrt des deutschen Volkes uner— 
läßlich. Bismarcks Meisterhand ist es gelungen, in der 
Verfassung des Deutschen Reichs ein Werk zu schaffen, das 
allen diesen Anforderungen gerecht wird. 
Zum Träger der Reichsgewalt machte man die Gesamt— 
heit der verbündeten Regierungen; jede einzelne für sich 
verlor die Souveränität; als Ersatz hiefür nimmt sie an 
der Souveränität des Reiches teil. Das Organ, das der 
Vertretung der Verbündeten Regierungen dient, ist der Bun- 
desrat in Berlin. „In ihm sitzen teils die leitenden 
Staatsmänner der Einzelstaaten, teils erfahrene Beamte aus 
den verschiedenen Zweigen der Verwaltung. Dadurch sind 
aber auch die notwendigen Beziehungen zwischen Gesetz- 
gebung und Verwaltung hergestellt worden, ohne welche eine 
gedeihliche Wirksamkeit beider nicht denkbar ist. Dieselben 
Männer, welche im Bundesrat beim Erlaß der Reichs- 
gesetze mitwirken, haben die Ausführung derselben in den 
Einzelstaaten zu leiten. Andererseits sind sie in der Lage, 
die gelegentlich der Ausführung gemachten Erfahrungen bei 
der Feststellung neuer zu verwerten. Überhaupt hat der 
Bundesrat vor allen politischen Versammlungen, welche in 
anderen Staaten vorkommen, den Vorzug, daß in ihm aus- 
schließlich Männer sitzen, welche inmitten der Geschäfte 
stehen.“ (Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht, S. 428.) 
Der Träger der Reichsgewalt ist also ein kollegiales 
Organ. Selbstverständlich hat dies auch Nachteile. Denn 
es ist nicht immer leicht, die notwendige Übereinstimmung 
zwischen den einzelnen Regierungen im Bundesrat herbeizu- 
führen. Zwar stimmt derselbe nach Mehrheitsbeschlüssen ab; 
allein es ist politisch unerwünscht, die Staaten, die in der
	        
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