PräsidentPoin-
care erwartet
Entgegenkom-
men Serbiens.
68 4. Juli
Aeusseren, Herrn Viviani, den dieses Ereignis rechtbeun-
ruhizgt hatte. Ich benutzte diese Gelegenheit, um ihm in
grossen Linien die Ursachen auseinanderzusetzen, die das
Attentat hervorgerufen hatten, d. h. in erster Linie das un-
erträgliche Regierungssystem in den annektierten Provinzen, ’)
besonders die Haltung der offiziellen Organe und die ganze
Politik der bosnischen Regierung allem gegenüber was die
orthodoxe Religion betrifit.) Er hat die Lage verstan-
den; jedoch sprach er den Wunsch aus, dass die Kaltblütig-
keit und die Würde bei uns bewahrt blieben, um neuen An-
klagen Wiens kein Motiv zu geben.
Nach der ersten Aufregung ist ein Umschwung in (der
öffentlichen Meinung Frankreichs eingetreten, in solchem
Masse, dass der Ministerpräsident es selbst für angebracht
hielt, in der Deputiertenkammer die Ausdrücke seiner Er-
klärung, die er vorher über dieses Ereignis im Senat gemacht
hatte, zu mildern.
Der österreichisch-ungarische Botschafter in Paris, Graf
Szecsen, an den österreichisch-ungarischen Minister
des Aeusseren, Graf Berchtold.
Rotbuch Nr. A.
Paris.
Ich habe heute Herrn Poincar& den Dank der k. u. k. Re-
gierung für sein Beileid übermittelt.
Auf die serbenfeindlidhen Demonstrationen bei uns an-
spielend, erwähnte er, dass nach der Ermordung des Präsi-
denten Carnot in ganz Frankreich alle Italiener den ärgsten
Verfolgungen seitens der Bevölkerung ausgesetzt waren.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass die damalige
Bluttat mit keinerlei antifranzösischer Agitation in Italien im
Zusammenhange stand, während man jetzt zugeben muss,
Serb. Blb.Nr. 13. !) Vesnitch braucht im Gespräch mit Viviani
den Ausdruck «annektierte Provinzen», der in Frankreich für Elsass-
Lothringen geläufig war.
”) Die serbische Diplomatie wollte den Vorwurf der öster-
reichisch-ungarischen Presse, dass die serbische Presse die Mordtat
mit einer Österreichisch-ungarischen Unterdrückungspolitik in Bosnien
rechtfertige, damit entkräften, dass die Presse vollständig frei sei und
die Regierung nicht gegen sie einschreiten könne. Mit diesem Tele-
gramm ist der Beweis erbracht, dass die serbische Diplomatie sich
genau derselben Argumente bediente wie die angeblich desavouierte
resse.