76 20. Juli
20. JULI
Der englische Staatssekretär Sir E. Grey an den englischen
Geschäftsträger in Berlin, Sir H. Rumbold.
Blaubuch Nr.]l.
London.
Grey verab- Ich fragte den deutschen Botschafter heute, ob er irgend
scheut den Ge- . . . . .
danken eines etwas wisse, was in Wien betrefis Serbien vorginge.
Krieges wegen Er sagte, er wüsste von nichts, aber Oesterreich-Ungarn
würde sicherlich irgend einen Schritt unternehmen und er be-
trachte die Lage als sehr unbequem.
Ich sagte, dass ich seit einiger Zeit nichts gehört habe,
ausgenommen dass Graf Berchtold in einem Gespräch mit
dem italienischen Botschafter in Wien seinerseits die Befürch-
tung, dass die Lage ernst sei, abgeschwächt habe, indem er
sagte, sie werde sich aufklären.
Der deutsche Botschafter sagte, es würde sehr wün-
schenswert sein, wenn Russland in Bezug auf Serbien als Ver-
mittler handeln könnte.
Ich sagte, dass ich vermute, ‘die österreichische Re-
gierung würde nichts tun, ohne vorher der Oeffentlichkeit ihren
Streitfall mit Serbien bekannt zu geben, vermutlich auf Grund
der durch die bei der Untersuchung gemachten Entdeckungen.
Der Botschafter sagte, er nehme als sicher an, dass die
Regierung auf Grund von Gutachten handeln würde, die be-
kannt sind.
Ich sagte, dies würde es anderen, wie Russland, erleich-
tern, in Belgrad zur Ruhe zu mahnen. In der Tat, je vernüni-
tiger die Grenzen seien, in denen Oesterreich seine Forde-
rungen halten könne, je strenger die Rechtfertigung sei, die
es für das Vorbringen seiner Forderungen anführen könne, um
so grösser wäre die Aussicht, dass die Dinge glatt verliefen.
Ich verabscheue den Gedanken eines Krieges zwischen
Grossmächten, es wäre abscheulich, wenn einige von
ihnen Serbiens halber in einen Krieg hineingezogen werden
sollten.)
Bib. Nr. 1. ') Hier fällt zum ersten Male und zwar aus eng-
lischem Munde das Wort von einem «Krieg zwischen Grossmächten>.