— 45 —
verschiedenartig verwaltete Territorien ein und desselben Staates
handelt, zwar auch im Wege der Gesetzgebung aber nur nach rich-
tigen Grundsätzen erfolgen darf. Neuerdings wird der Begriff des
internationalen Verwaltungsrechts in den Vordergrund gestellt, „weil
durch die im 19. Jahrhundert unter den europäischen Staaten ge-
schlossenen Verwaltungsverträge der unendlich hoch über dem heu-
tigen Völkerrecht stehende Begriff der europäischen Verwaltung zur
Thatsache zu werden beginnt“ (L. v. Stem). „Der Inbegriff der die
internationale Wirksamkeit des Staates definirenden rechtlichen Be-
dingungen oder Normen bildet das Recht der internationalen Admini-
stration oder das internationale Verwaltungsrecht“ ?*). Zwei oberste
Principien der internationalen Verwaltung stellen L. v. Stein und
MARTENS getrennt von einander auf: das der Reciprocität und das der
Zweckmässigkeit?’). Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob nicht,
ähnlich wie es als Vorzug einer Darstellung des Völkerrechts be-
trachtet wird, wenn sie die Lehre vom internationalen Privatrecht
ausgeschieden hat?®), gerade die Verbindung jener beiden Grundprin-
eipien die Sonderstellung des internationalen Verwaltungsrechts recht-
fertigt, da nur das Princip der Reciprocität dem Völkerrecht entnommen
ist, während das der Zweckmässigkeit aller Landesverwaltung imma-
nent sein muss. Jedenfalls gibt es auch zur Beurtheilung des durch
die Vorschriften des Fr.G. geschaffenen interterritorialen Rechtszustandes
keine geeigneteren Kriterien als die Gesichtspunkte der Reciprocität
und der Zweckmässigkeit. Die wechselseitige Anwendung der lex
domicilii als Ausgleichungsregel zwischen den Gegensätzen des bay-
rischen Heimathrechts und des Rechtsinstituts des Unterstützungs-
wohnsitzes anlangend tragen jetzt, wie früher die altpreussischen
Gebiete z. Z. des Norddeutschen Bundes, die Armenverbände im Gel-
tungsbereiche des U.W.G. allen Nachtheil der Mangelhaftigkeit jenes
Ausgleichungsversuches. Während für den bayrischen Unterthan, der
sich in jenem Gebiete niederlässt, die volle Consequenz des durch das
Fr.G. gewährten Wohnrechts mit dem Erwerbe des Unterstützungs-
wohnsitzes nach zweijährigem, willens- und unterstützungsfreiem Auf-
enthalt in einer Gemeinde kraft Gesetzes zur Thatsache wird, gibt
24) Marrten’s Völkerrecht. Deutsch von Bereponm. Bd. II, S. 9.
85) ]. v. Stein, Einige Bemerkungen über das internationale Ver-
waltungsrecht in SchmoLer’s Jahrbüchern 1882, S. 432; Martens 1. c.
2°) Vergl. Bd. I dieses Archivs, $. 730 a. E.