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Recht. Und wie eine Aesthetik es nicht mit den Substanzen der
Farbe und Leinwand zu tun hat, sondern mit der künstleri-
schen Form, so hat es eine Rechtswissenschaft nicht mehr mit
der Macht — weder mit wirtschaftlicher noch mit moralischer,
noch auch mit politischer Macht — sondern mit der Form: dem
Rechte zu tun.
Daß es im Grunde genommen unrichtig ist, die Qualität
der bei den Rechtsverhältnissen beteiligten Rechtssubjekte
als das entscheidende Kriterium zwischen Privat- und öffent-
lichem Recht auszugeben, wenn doch der Inhalt der Beziehung,
das Herrschaftsmoment in Wahrheit maßgebend ist, bedarf
kaum näheren Beweises. Rechtssubjekt ist, wer Subjekt von
Pflichten und Rechten ist. Das rein Formale dieser Qualität ist
übrigens auch in der herrschenden Lehre so sehr anerkannt,
daß man kaum ernstlich eine Differenz der Rechtssubjekte aus
der Verschiedenheit des Inhaltes zu deduzieren versucht, den
ihre Pflichten und Rechte aufweisen ?. Nicht als Rechtssubjekt,
nicht als Person ist man Herrscher oder Beherrschter, sondern
lediglich als Mensch; denn nur der Mensch als physisch-
psychische Einheit kann der Träger jener psychischen und
physischen Bewegungen sein, die den spezifischen Kausal- oder
Motivationsnexus bilden, den man als ‚Herrschaft‘ erkennt.
Als ‚Person‘ oder Rechtsobjekt kommt man lediglich insoferne
in Betracht, als man berechtigt und verpflichtet ist, zu herr-
schen oder sich beherrschen zu lassen. Dieselbe Theorie, die
immer wieder den Unterschied von Mensch und Person hervor-
hebt, kann nicht, ohne zu sich selbst in Widerspruch zu ge-
raten, zwischen Herrschafts- und Nicht-Herrschafts-Personen
juristisch unterscheiden wollen.
Die Anschauung, welche den Gegensatz zwischen privatem
und öffentlichem Recht auf das Herrschaftsmoment stützt, tritt
——
12 Vgl. dazu die ausgezeichneten Ausführungen Weyrs a. a. O. 8. 559.