Begriff und Zweck des Staates. 15
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Andererseits hat er auch eine positive Tätigkeit insoweit
zu entfalten, als es sich um solche Einrichtungen und Anstalten
handelt, deren Beschaffung außerhalb der Kraft der Individuen oder
kleinerer Kreise liegt, welche aber der vernunftgemäßen Entwickel—
ung des Volkes dienen.
Als Staatszweck läßt sich daher bezeichnen:
a) Schutz des Staatsgebietes, da ohne solches der Staat
nicht besteht und also auch seine Aufgabe nicht erfüllen kann;
b) Schutz des innerhalb des Staatsgebiets gültigen
Rechts, da ohne solches weder eine individuelle Freiheit, noch eine
vernunftgemäße Entwickelung denkbar ist, und
e) Pflege und Wohlfahrt des Volkes; es ist dies aber
nur dahin zu verstehen, daß die Regierung dem Volke die Wege
ebnet und die Mittel darbietet, um seine sittlichen, intellektuellen
und materiellen Kräfte zu entfalten und zu gebrauchen, während
ein „Zwang" der Individuen sich nur insoweit rechtfertigt, als er
notwendig ist, um die Behinderung der Uebrigen an der vernünftigen
und freien Verfolgung ihrer Zwecke zu beseitigen und gemein-
gefährliche Ereignisse abzuwenden.
In diesem Sinne ist es auch ausgesprochener Zweck des
Deutschen Reiches, daß es diene „zum Schutze des Bundes-
gebiets und des innerhalb desselben gültigen Rechts, sowie zur
Pflege und Wohlfahrt des Deutschen Volkes-“ (vergl. den
Eingang der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871).
Hiieraus ergibt sich auch, daß durch den Staatszweck zugleich
die Gebiete voneinander abgegrenzt werden, auf welchen einerseits
der Gesamtwille herrscht, und auf welchen andererseits das Individuum
sich frei bewegt.
6. Außer dem Staate gibt es auch andere räumli
abgegrenzte und durch die Bevölkerung des betr. Gebiets gebildete
Verbände mit zum Teil ausgedehnten Verwaltu ngsbefugnissen
wie Orts- Kreis-, Bezirks-, Provinzialverbände.
Der maßgebende Unters chied zwischen ihnen und dem Staate
besteht darin, daß ihnen das Herrschaftsrecht fehlt, welches
sedem, auch dem kleinsten Staatswesen, beiwohnt.
Kein Kommunalverband kann aus eigenem Rechte seine
Anordnungen erzwingen, er leitet alle seine Befugnisse von der
Ermächtigung durch den Staat ab.