4 Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen.
akten desselben Jahres, 2. Sammlung S. 183. Die Regierung entschied sich für
Nichtöffentlichkeit.
Was der Abgeordnete Freiherr von Friesen in der II. Kammer im Jahre
1837 prophetisch aussprach, er habe die Ueberzeugung, es werde nie zu einer An-
klage gegen einen Minister vor dem Staatsgerichtshof kommen, der König werde
vielmehr aus eigener Bewegung vorkommenden Falles den Minister entlassen oder
dieser selbst freiwillig abtreten, ist in Erfüllung gegangen; in Sachsen ist es in
den 46 Jahren, die seit Errichtung der Verfassung verflossen sind, zu keiner
Ministeranklage gekommen.
Gewiß ein Zeichen, wie vorsichtig der Landesfürst bei der Wahl der Räthe
der Krone zu Werke gegangen und welche ehrenhaften Persönlichkeiten dieses
wichtige Amt seither eingenommen. Sonach hat der Staatsgerichtshof bei uns
in Sachsen nur dem Namen nach existirt, ohne je zusammengetreten zu sein.
Dennoch ist es gewiß heilsam und zweckmäßig, daß wir bezüglich des ange-
regten Gegenstandes gesetzliche Bestimmungen besitzen und daß die Formen des
Prozesses geregelt sind, wenn es doch einmal zu einer Ministeranklage kommen
sollte.
Die möglichst gedrängte prägnante Darstellung der darauf bezüglichen Gesetz-
gebung in unserem Vaterlande ist gegenwärtig unsere Aufgabe. Wir hoffen uns
den Dank derer vorzühglich, welche durch ihre Berufsstellung dieser staatsrechtlichen
Einrichtung näher stehen, um so mehr zu verdienen, als die bezüglichen legislato-
rischen Bestimmungen im Laufe der Zeit besonders durch die Abänderung der
Verfassung sich in manchen Punkten gegen das ursprüngliche Gesetz wesentlich
modifizirt haben.
In Folgendem sind die Hauptgrundzüge dessen, was im Königreich Sachsen
gilt, enthalten: «
§.1.
Vie Stände des Königreichs Sachsen haben das Recht, Beschwerden über die
durch die Königlichen Ministerien oder andere Staatsbehörden geschehene Ver—
letzung der Verfassung in einem gemeinschaftlichen Antrage an den König zu
bringen.
Dieser hilft den Beschwerden entweder sofort ab, oder läßt, wenn ein Zweifel
dabei obwaltet, selbige nach der Natur des Gegenstandes durch die oberste Staats-
behörde oder die oberste Justizstelle erörtern.
Wird die Erörterung der obersten Staatsbehörde übertragen, so hat diese
ihr Gutachten dem Könige zur Entscheidung vorzulegen, wird selbige aber an die
oberste Justizstelle verwiesen, so hat letztere zugleich die Sache zu entscheiden. Der
Erfolg wird in beiden Fällen den Ständen eröffnet.
Die Stände haben insbesondere auch das Recht, die Vorstände der Ministe-
rien, welche sich einer Verletzung der Verfassung schuldig machen, förmlich anzu-
klagen.
Finden sie sich durch ihre Pflichten aufgefordert, eine solche Anklage zu er-