Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

6 Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen. 
Zu diesem Zwecke ist von jedem Theile eine Deduktion dem Gerichtshofe zu 
übergeben, solche gegenseitig mitzutheilen und in einer zweiten Schrift zu beant- 
worten, so daß jedem Theile zwei Schriften freistehen. Bei der Entscheidung 
giebt im Falle der Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten den Aus- 
schlag.) 
Der hierauf ertheilte Ausspruch soll als authentische Interpretation ange- 
sehen und befolgt werden. Verfassungsurkunde §. 153. 
Vor dem Jahre 1874 konnte auch dann an den Staatsgerichtshof recurrirt 
werden, wenn die Kammer eines seiner Mitglieder wegen Aeußerungen desselben 
zum Ausschluß aus der Kammer verurtheilt hat. 
Verlangte es der Ausgeschlossene, so war die Entscheidung, ob derselbe bei 
einer künftigen Ständeversammlung wieder wählbar sein solle, an den Staats- 
gerichtshof zu verweisen. 
Der Paragraph 83. der Verfassungsurkunde, der dies aussprach, ist aber 
durch das Gesetz, einige Abänderungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 
1831 betr., vom 12. Oktober 1874 (G.- u. V.-Bl. desselben Jahres S. 393) aus- 
drücklich aufgehoben worden. 
In der Landtagsordnung von demselben Datum, Gesetz= und Verordnungs- 
blatt vom Jahre 1874 S. 378 ff., hat man die oben erwähnte Bestimmung eben- 
falls nicht wieder aufgenommen. Es hat dies seinen Grund darin, weil in §. 11. 
des Reichsstrafgesetzes vom 31. Mai 1870, vergl. mit Art. 30. der Norddeutschen 
Bundes-Verordnung, sich folgende Bestimmung vorfindet: 
„Kein Mitglied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche gehö- 
rigen Staates darf außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, 
wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs gethanen 
Aeußerungen zur Verantwortung gezogen werden.“ 
Die Bestimmung in §. 83. der Verfassungsurkunde, welche von einer Be- 
strafung eines Kammermitgliedes im Falle persönlicher Ausfälle gegen den Re- 
genten, die Königliche Familie, die Kammern oder einzelne Mitglieder der Kammern 
handelt, würde daher mit dem Reichsgesetz collidiren und mußte deshalb aufge- 
hoben werden. Hiernach kann die Frage wegen Ausschließung eines Kammer- 
mitgliedes und Wiederwählbarkeit desselben gar nicht mehr vorkommen. Es wäre 
zweckmäßig gewesen, im Gesetze vom 12. Oktober 1874 den §. 142. der Ver- 
sassungsurkunde 2. Alinea demgemäß abzuändern und auszusprechen, daß es 
unter Weglassung des §. 83 heißen müsse: Ueberdies kann auch noch in dem 
im §. 153. bemerkten Falle an selbige der Recurs genommen werden. 
Der Staatsgerichtshof hat endlich: 
d) in Gemäßheit des §. 58. der mit den Ständen des Markgrafenthums 
Oberlausitz getroffenen Uebereinkunft vom 17. November 1834 über die Aus- 
legung der jene Uebereinkunft enthaltenden Urkunde, oder über die Verletzung 
  
*) Vergl. §§. 142, 153 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831.
	        
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