Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

12 Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen. 
worden ist. Es wurde aber hierüber kein Beschluß gefaßt. Im Großherzogthum 
Baden tritt die Verjährung drei Jahre nach dem Zeitpunkte ein, wo die verletzende 
Handlung zur Kenntniß des Landtages kam. In Oesterreich entscheiden darüber 
im Allgemeinen die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches. 
Ferner ist noch eines eigenthümlichen Amendements einer Curie der Land- 
stände zu gedenken. Dieselbe machte nämlich den Vorschlag, daß es jedem Mi- 
nister, welcher, um zu einer ihm abverlangten Verletzung der Verfassung nicht 
die Hand zu bieten, sein Amt niedergelegt hat, freistehen solle, den Fall dem 
Staatsgerichtshof vorzutragen und daß ihm, dafern sein gehabtes Bedenken für 
gegründet befunden wird, zwei Drittel seines Gehaltes bis zu anderweiter, gleich 
günstiger Anstellung im In= oder Auslande gelassen werden möchten. 
Eine Zustimmung zu diesem Antrage erfolgt nicht, besonders aus dem Grunde, 
weil durch eine solche Maßregel der König selbst kompromittirt werden würde. 
In den zu dem Gesetzentwurf gegebenen „Erläuterungen“ wird angedeutet, 
daß bei Bearbeitung der Vorschriften über das Verfahren im Fall einer Anklage 
gegen einen Ministerialvorstand die Gesetzgebung oder der verfassungsmäßige Ge- 
brauch fremder Staaten nur wenig habe benutzt werden können. Die in Eng- 
land und Frankreich bestehenden Vorschriften und Normen hätten nur in beschränk- 
tem Maße benutzt werden können, da in beiden Staaten die erste Kammer zugleich 
als Gericht auftrete und ein separater Gerichtshof nicht existire, auch vor der 
ersten Kammer zugleich Bestrafung des Verbrechens erfolge. In andern konstitutio- 
nellen Staaten, namentlich Deutschlands, sei der Begriff einer den Ständen 
gegenüber bestehenden Verantwortlichkeit der Minister überhaupt, sowie das In- 
stitut einer auf den Grund derselben zu gründenden Anklage gegen Ministerial- 
vorstände zu neu, als daß dasselbe durch Gesetze und Praxis sich bereits hinläng- 
lich ausgebildet haben sollte. Es habe daher nur dasjenige zum Anhalten dienen 
können, was der Geist und Zweck dieser politischen Einrichtung an sich schon er- 
heischt und an die Hand giebt und die Verfassungsurkunde andeutet. Die allge- 
meine Gesetzgebung gilt in subsidium, soweit das Wesen der gewählten Prozeßart 
(Anklageprozeß) und die Natur der Sache nichts Anderes gebietet. Ein beson- 
deres Augenmerk ist bei Fassung der einzelnen Bestimmungen auf die Beschleuni- 
gung des Prozesses gerichtet worden, da ein Schritt, wie die Anklage eines Mi- 
nistervorstandes, mehr oder weniger eine Aufregung und Spannung im Lande 
hervorrufen muß, die bei längerer Dauer dem Staate nachtheilig werden müßte. 
Man habe sich daher für ein sehr abgekürztes Verfahren entschieden. 
B. 
S. 12. 
Das Verfahren in den an den Staatsgerichtshof gelangenden Sachen ist 
durch das Gesetz vom 3. Februar 1838, Gesetz= und Verordnungsblatt dess. J. 
S. 50, geregelt, welches nach der Urkunde vom 17. November 1834 auch für die 
Oberlausitz gilt. Es liegt dem Verfahren der Anklageprozeß, eine sehr unge-
	        
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