Full text: Die Ministerverantwortlichkeit und der Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen.

Die Ministerverantwortlichkeit in Sachsen. 13 
wöhnliche Prozeßform, zu Grunde, die in der Praxis fast verschwunden ist und 
Vieles mit den Formen des bürgerlichen Prozesses gemein hat.) Bezüglich des 
den Prozeß normirenden Gesetzes vom 3. Februar 1838 ist zuvörderst zu bemerken, 
daß nach Aushebung des §. 83. der Verfassungsurkunde der Staatsgerichtshof 
über die künftige Wählbarkeit eines durch den Beschluß der Kammern ausge- 
schlossenen Mitgliedes der Ständeversammlung auf dessen Verlangen nicht mehr 
zu erkennen hat, vielmehr der hierauf bezügliche Satz in dem oben angeführten 
Gesetz vom 3. Februar 1838 §F. 1. unter II in Wegfall gekommen ist. 
Insoweit nicht schon die Verfassungsurkunde selbst genaue Vorschriften ent- 
hält, ist nun folgende Prozedur im Allgemeinen angeordnet: 
a) Im Falle der Anklage eines Ministerialvorstandes. 
Es gilt als Grundsatz der Anklageprozeß. 
Der Staatsgerichtshof hat sich auf die bei ihm angebrachten Punkte zu be- 
schränken und lediglich diese als Gegenstände des Prozesses und der Entscheidung 
zu betrachten und die Bewahrheitung dieser Punkte auf keine anderen Thatsachen 
und Beweismittel, als auf die von den Parteien angegebenen oder aus den öffent- 
lichen Akten ersichtlichen zu stützen (§. 3. des Gesetzes). Es soll also die Ver- 
handlungsmaxime, wie im Civilprozesse, vorherrschen. 
Vergl. die Motive in den Landtagsakten v. J. 1836/37 I. Abth. 1. Bd. S. 120. 
. 13. 
Ein Verfahren von Amtswegen wird jedoch innerhalb der im vorigen Para= 
graphen gegebenen Grenzlinien zur näheren Wahrnehmung oder Beurtheilung der 
zur Sprache gebrachten einzelnen Thatsachen nicht ausgeschlossen. 
Der Staatsgerichtshof hat deshalb das Befugniß, sich öffentliche Akten aller 
Behörden mittheilen zu lassen (§. 4 des Gesetzes). 
Der Grundsatz aber gilt, daß den Parteien weder Beweismittel in Sachen, 
welche des Beweises bedürfen, an die Hand gegeben werden sollen, noch sonst 
dem Richter gestattet ist, in die Verhandlung anders einzugreifen, als wo es dar- 
auf ankommt, den gesetzlichen Gang des Prozesses aufrecht zu erhalten und zu 
befördern. 
Vergl. die cit. Landtagsakten a. a. O. S. 120, 121. 
Was dagegen aus öffentlichen Akten ersichtlich ist, gilt als notorisch und kann 
von Amtswegen berücksichtigt werden. 
Landtagsakten a. a. O. S. 121. 
§. 14. 
Die Stelle des Klägers vertritt ein von den ständischen Kammern für jeden 
*) Man hat offenbar durch Annahme des accusatorischen Verfahrens der Volksvertretung, 
als öffentlicher Anklägerin eine Hauptrolle zutheilen wollen und gemeint, dadurch am besten 
die Ermittelung der objektiven Wahrheit zu erreichen. v. Mohl a. a. O. S. 416—428 
spricht sich in gründlicher Ausführung für dieses Verfahren aus, das auch in den Verfassungen 
mehrerer anderer Länder adoptirt worden ist. Vergl. auch Dr. Samuely a. a. O. S. 102 ff.
	        
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